zum Hauptinhalt

Medien: Im Radio: Drogen!

Vor gut dreißig Jahren beschrieb Adorno in einem Essay seinen Versuch, Becketts "Endspiel" zu verstehen. (Damals wurden die Rätsel der Kunst noch mit heiliger Ehrfurcht betrachtet.

Vor gut dreißig Jahren beschrieb Adorno in einem Essay seinen Versuch, Becketts "Endspiel" zu verstehen. (Damals wurden die Rätsel der Kunst noch mit heiliger Ehrfurcht betrachtet.) Samuel Becketts dubiose Müllhalden-Existenzen waren (damals) ebenso beliebt wie Kafkas magische Schlösser. Ein paar Jahrzehnte später sind wir so sehr mit den Rätseln des Genoms beschäftigt, dass die Kunst besser direkt zur Sache kommen sollte. Aber beim Deutschlandradio werden die alten Bänder noch einmal herausgekramt: Mitte der Siebziger inszenierte Beckett in Berlin sein "Warten auf Godot". Vielleicht wissen wir hinterher endlich, ob Godot sich auf Gott reimt, oder doch nur der Phantasie zweier Säufer entsprang (24. September, 18 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Werner Fritsch ist einer der sprachgewaltigsten Dramatiker hierzulande. Sein Hörspiel "Seraphim" führt in ein oberpfälzisches Altenspital, wo zwei Männer um eine lungenkranke Geliebte konkurrieren. In exaltierter Künstlichkeit quillt starrsinnige Rede aus ihnen heraus. Trotzig glüht das Leben zwischen Altersbrunst, listigem Wahn und Erinnerungen an den letzten Rußlandfeldzug (SWR 2, 24. September, 16 Uhr 05, Kabel 107,85 MHz).

Die Figuren in Jan Peter Bremers Hörspiel "Der Palast im Koffer" leben im luftigen Jenseits der Geschichte. Es sind namenlose Wanderer, die im Park auf einen ebenso namenlosen Reisenden stoßen. Dessen Identität und vor allem sein Koffer, das Symbol einer ortlos-freien Existenz, werden zum Objekt der Begierde. Die Konflikte sind allegorisch, die Sehnsüchte verdeckt, aber trotzdem heftig. Die eigene Mutter wird zum Tausch angeboten, plötzlich liegt der Reisende tot im Park. Bremer, Romanautor und Bachmann-Preisträger, stellt ein poetisches Rätsel. Als dürfte die Kunst doch noch zur Grübelei führen. (Deutschlandfunk, 26. September, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

Warum ist in dieser Kolumne immer nur von ernsten Dingen zu lesen, fragen uns Freunde der Pop-Kultur. Da möchten wir einmal die Morgenshows im Privatradio empfehlen -tägliche Comedy-Formate, die unser Bewußtsein mit dem Alltag versöhnen, der im Morgengrauen bekanntlich am härtesten ist. Nirgendwo sonst wird die psychohygienische Funktion des populären Radiobetriebs deutlicher: eine leichte Droge, die von schweren Gedanken befreien will. Nietzsche hat im "Zarathustra" den "letzten Menschen" als süchtig nach solchen Drogen beschrieben. Wer sich mit Nietzsche nicht amüsieren kann, der muss es mit "Arno und der Morgencrew" versuchen (RTL, wochentags von 5 bis 10 Uhr, UKW 104,6 MHz).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false