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Im RADIO: Jägerzauns Kulturgeschichte

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

Exilgeschichten der besonderen Art erzählt Karoline Kleinerts Feature „Haymatloz“. Während der Nazizeit fanden viele politisch und rassisch Verfolgte auch in der Türkei eine Zuflucht. Staatschef Kemal Atatürk wollte sein Land nach europäischen Standards modernisieren, deshalb waren Spezialisten aus Deutschland willkommen. Prominentes Beispiel ist Ernst Reuter, der in Ankara Professor für Städtebau wurde und die Regierung als Stadtplaner beriet. Das Feature schildert den Weg deutscher Wissenschaftler, Künstler und Politiker in der damals noch jungen türkischen Republik (Kulturradio vom RBB, 7. Oktober, 19 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

In Ghanas Hauptstadt Accra gibt es ein Armenviertel, das wird von seinen Bewohnern nur Sodom und Gomorrha genannt. Wichtigste Erwerbsquelle ist die Gewinnung von Edelmetallen aus europäischem Elektronikschrott. Kinder stehen stundenlang im Rauch brennender Plastikgehäuse, um verkaufbares Kupfer zu gewinnen. Jens Jarischs Feature „Kinder von Sodom und Gomorrha“ erzählt die Geschichte hinter diesem Schauplatz einer globalen Wirtschafts- und Umweltkriminalität. An diesem Ort lässt sich besonders gut verstehen, warum viele junge Afrikaner von Europa träumen und ihr Leben in den Migrationsströmen riskieren. Das eindrucksvolle Feature dokumentiert den Alltag der Ärmsten in Afrika (SWR 2, 7. Oktober, 22 Uhr 05, Kabel UKW 107,85 MHz).

Vor vier Jahren starb der Dichter Thomas Kling. Vielleicht war Kling die bedeutendste Stimme der zeitgenössischen Lyrik in Deutschland. Er schrieb über den Zusammenhang von Technik und Krieg und über den Kampf des Menschen mit seiner eigenen Geschichte, der auch in der Sprache stattfindet. Regisseur Heinz von Cramer hat aus Klings Gedichten ein Hörstück collagiert. „Agonie“ führt zurück auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs. Das Hörstück spannt den Bogen zwischen Maschinen, die zum Totentanz aufspielen, und dem lyrischen Ich, das diesem Schock mit einer Sprache des Sinns beizukommen sucht. Wie der Titel schon verrät, ohne wirklichen Erfolg. Aus der Agonie der Körper folgt die Agonie der Sprache (SWR 2, 9. Oktober, 22 Uhr 03).

Der Zaun ist gewissermaßen eine kapitalistische Basiserfindung. Hier wird Privateigentum angezeigt, eine sichtbare Grenze zwischen Mein und Dein etabliert. An der Geschichte des Zauns, behaupten Kulturwissenschaftler, könne man die Geschichte des Kapitalismus im Detail studieren. Susanne Luerwegs und Sabine Oelzes Feature „Zäune zeigen“ interessiert sich folgerichtig für die historische Vielfalt lokaler Abgrenzungsinstrumente. Die Autorinnen erzählen von Jägerzäunen ebenso wie von modernen Hightech-Schutzwällen. Mit dem ersten Zaun, so Rousseau, begann die bürgerliche Gesellschaft. Das Feature befragt Experten, Liebhaber und Gegner der Zaunkultur (Deutschlandfunk, 11. Oktober, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Wer nach der verlorenen Zeit sucht, kann sich mit Proust an das Schmecken halten. Die Wiederbegegnung mit einer Speise der Kindheit führt manchmal direkt ins Herz der Vergangenheit. Aber auch unsere Ohren taugen als Antriebsmittel für eine Zeitreise. Matthias Käthers und Teresa Schomburgs Serie von kurzen Hörstücken „Verschwindende Geräusche“ versetzt uns zurück in Klangwelten, die für ältere Generationen noch Alltag waren. Das Schnurren der Wählscheibe eines Telefons, die schnaubenden Stöße einer Dampflokomotive, das Kratzen und Knistern des Grammophons. Die Autoren haben sich nach letzten Spuren dieser einst so markanten Geräusche umgehört (Kulturradio vom RBB, 12.–16. Oktober, jeweils 14 Uhr 10).

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