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Medien: Im Radio: Marx lebt

Seit einem halben Jahrhundert gibt es in Deutschland den "Hörspielpreis der Kriegsblinden". Obwohl die Sache mittlerweile recht museal klingt, handelt es sich doch um die begehrteste Trophäe für Hörspielmacher.

Seit einem halben Jahrhundert gibt es in Deutschland den "Hörspielpreis der Kriegsblinden". Obwohl die Sache mittlerweile recht museal klingt, handelt es sich doch um die begehrteste Trophäe für Hörspielmacher. Der Jubiläumspreis ging dieses Jahr an das Hörspiel "Pitcher" von Walter Filz. Eine satirische Studie über die bewusstseinstrübende Rolle des Sounddesigns in der modernen Medienwelt. Wie unser allzeit geöffnetes Ohr hier mit technisch manipulierten Klängen übertölpelt wird. Wie wir uns, verführt von den Sounds der Werbung, in Pawlowsche Hunde verwandeln, die konsumfreundliche Reflexe zeigen.

Filz hat seine diesbezüglichen Recherchen zu einer grandios versponnenen Kriminalfarce verarbeitet. Hauptfigur ist ein ehemaliger Synchronsprecher, der im Auftrag des "Stimmenkartells" missliebige Konkurrenten aus dem Weg räumt. Sein Job führt ihn ins Erzgebirge, wo die Leute sich ausgezeichnet auf die Tricks der Klangmanipulation verstehen. Besonders der "Pitcher" ist so ein Virtuose für akustische Fälschungen, der das ganze menschliche Sprecherhandwerk überflüssig zu machen droht. Filz hat sich von wirklichen Experten aus Sachsen etwas über die Strategien modernen Sounddesigns erzählen lassen, und dann deren bizarre Realgeschichten in eine noch bizarrere Kunstfabel eingebaut. Ein wunderbar doppelbödiges Spiel um Technik und Natur im Reich des Hörens, das selbst ein akustisches Erlebnis ist (Deutschlandfunk, 8. September, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Heiner Müller, um eine kühne Volte zu riskieren, hat den Wonnen des Klangs stets misstraut. Statt süßer Töne hört der Dichter die Schreie der Opfer, die der Lauf der Weltgeschichte verschlingt. In seinem Text "Ajax zum Beispiel" hat Müller diese zentrale poetische Obsession bis in die jüngste Gegenwart hinein verfolgt. Im Spiegelbild des mythischen Verlierers Ajax, der vor den Toren Trojas um die Früchte seiner Heldentaten gebracht wird, erkennt der Autor sich selbst: Ein Sänger ohne Land, ein Poet der verlorenen Utopie, ein Denker des abgelebten Gedankens (Deutschlandfunk, 11. September, 20 Uhr 10).

Letzteres verbindet Müller ja mit den professionellen Marxisten. Die Autoren Martin Hubert und Armin Steil haben einige Angehörige dieser Spezies besucht und sind auf leidenschaftlichen Widerstand gegen den Zeitgeist gestoßen. Im Feature "Die Unzeitgemäßen" erfahren wir, wieso der Zusammenbruch des realen Sozialismus kein Argument gegen einen theoretischen Sozialismus sein kann (Deutschlandradio, 13. September, 19 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

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