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Im Radio: Mehr Skandale, weniger Tradition

Das grimmige wie komische Buch "Meine Preise" von Thomas Bernhard läuft als Hörspieladaption im Deutschlandradio Kultur, in dem es um die Vorliebe der Welt für einen Welthasser geht. Eine kleine Kulturgeschichte des Spießers erzählt Christoph Spittler im Deutschlandfunk mit seinem launigen Feature "Mach ma locker!".

Wenn einer seine Mitwelt pausenlos beschimpft und dafür von selbiger in den höchsten Tönen gelobt wird, ist das schon sonderbar. Für den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard gehörte dieses Paradox gewissermaßen zum Berufsleben. In seinem posthum veröffentlichten Buch „Meine Preise“ hat Bernhard komödiantisch-staunend und auf bewährte Weise lästernd über die Vorliebe der Welt für einen Welthasser reflektiert. Ein literarisches Selbstporträt des Autors als Preis- und Preisgeldempfänger. Ob Bremer Literaturpreis, Großer Staatspreis für Roman, Grillparzer- oder Büchner-Preis – stets hat Thomas Bernhard Preisverleihungen als Gelegenheit für einen kleinen Skandal genutzt. Wer das ebenso grimmige wie komische Buch noch nicht gelesen hat, kann es dank einer schönen Hörspieladaption nun im Radio kennenlernen (Deutschlandradio Kultur, 5. Januar, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Auf eisglatter Straße stößt der Stralsunder Kommissar Ole Plessow mit einem Auto zusammen, in dessen Kofferraum eine Leiche liegt. Der Tote ist Bewohner der Ostseeinsel Hiddensee, kein Eingeborener, sondern ein Zugezogener. Ein dubioser Geschäftsmann, in dessen Blut die Pathologen viel Kokain finden. Bei seinen Ermittlungen stößt Kommissar Plessow auf das beredte Schweigen der Insulaner. Der Tote, so viel wird rasch klar, hatte auf Hiddensee mehr Feinde als er vertragen konnte. Besonders die Jugend der Insel mochte den Mann nicht, obwohl sie allerhand dunkle Beziehungen zu ihm unterhielt. Im Kriminalhörspiel „Schneeregen“ von Werner Buhss erfahren wir, dass auch auf einer bildschönen Insel die Welt manchmal sehr hässlich sein kann (SWR 2, 6. Januar, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Vor zehn Jahren entschied der Europäische Gerichtshof, dass Frauen auch in militärischen Dingen nicht benachteiligt werden dürfen. Wie Männer haben sie das Recht, einen Panzer zu fahren, eine Bombe zu werfen, einen Gegner mit dem Bajonett anzugreifen. Im Feature „Frau Oberfeldwebel fährt vorweg“ von Wiebke Nieland lernen wir die Spitzenfahrerin einer Motorradstaffel kennen. Eine Frau, die militärische Eskorten anführt, wann immer Staatsgäste durch Berlin brausen. Wie lebt man als Frau im traditionellsten aller Männerberufe? Lösen sich jahrtausendealte Geschlechterdifferenzen gerade in Luft auf oder klebt das alles zäh an den Stiefeln einer überlebten Tradition? Ein ganzes Jahr lang hat Wiebke Nieland die Frau Oberfeldwebel im Alltag beobachtet und zu ihren Erfahrungen befragt (Kulturradio vom RBB, 8. Januar, 9 Uhr 05, UKW 92,4 MHz).

„Ich geh jetzt Neuköllner machen“, sagt Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky zweimal im Monat zu seiner Sekretärin. Er hängt sich seine Amtskette um den Hals und hält eine Rede auf der Einbürgerungsfeier, die mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne endet. Das preisgekrönte Feature „Werd ich mit Singen deutsch?“ von Inge Braun und Helmut Huber erzählt von ausländischen Mitbürgern, die einen deutschen Pass haben möchten. Vom normalen bürokratischen Weg zwischen Antragstellung und feierlichem Gelübde. Von Prozeduren und Tests, Ängsten und Erwartungen. Im Mittelpunkt stehen jene, die ihre alte Staatsangehörigkeit unbedingt loswerden wollen und dafür auch Dinge tun, die manche Deutsche als Zumutung betrachten würden: die eingehende Beschäftigung mit dem Grundgesetz und das lückenlose Einstudieren der Hymne (Deutschlandradio Kultur, 8. Januar, 18 Uhr 05).

Um den Spießer ist es in letzter Zeit ruhig geworden. Die einst landläufige Beschimpfung ist außer Kurs geraten, wirkt mittlerweile ein bisschen antiquiert. Aber natürlich möchte nach wie vor niemand bei spießigem Verhalten ertappt werden, weder in seinen Ansichten noch im Lebensstil. Das launiges Feature „Mach ma locker!“ von Christoph Spittler erzählt eine kleine Kulturgeschichte des Spießers. Wie aus dem „Spießbürger“ als Mitglied einer mittelalterlichen städtischen Bürgerwehr das Synonym für den verklemmten Biedermann wurde. Spittler liest die Geschichte des Spießers als Schattengeschichte unseres europäischen Individualismus, als dunkle Kehrseite unserer angestrengten Bemühungen, ganz wir selbst zu sein (Deutschlandfunk, 9. Januar, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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