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Im RADIO: Unschuld, Marx und Leichen

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

In wenigen Tagen reden in China die Sportreporter. Aber zuvor dürfen die Kulturexperten noch einmal an den Start. China ist Thema auf allen Medienkanälen, aus der Fülle empfehlen wir Barbara Kennewegs Feature „Chinas Little Germany“. Die Autorin hat sich in Pekings deutscher Gemeinschaft umgehört. Wie lebt man als Europäer im Reich der Mitte? Spannende Berichte über eine fremde Kultur, die fasziniert und zugleich immer aufs Neue befremdet. Über eine Sprachbarriere, die manchmal unüberwindlich scheint und aus kleinen Missverständnissen rasch ausgewachsene Peinlichkeiten werden lässt. Über Heimatgefühle, die man als Deutscher sogar in Peking entwickeln kann (Kulturradio vom RBB, 30. Juli, 19 Uhr 04, UKW 94,2 MHz).

Autor Thomas Körner hat unser Staatswesen mathematisch betrachtet. Seit der ersten Verfassung im Jahr 1848 gab es in Deutschland sieben verschiedene Staatsformen. Macht eine durchschnittliche Lebensdauer von gut 20 Jahren pro Staat. Kurz genug für apokalyptische Fantasien, was die Zukunft der bürgerlichen Demokratie betrifft. In Körners bizarrem Hörspiel „s.t.a.a.t." arbeiten sich verschiedene Chöre an historischen und modernen Staatsphilosophien ab und besingen das chamäleonhafte Wesen des Staates. Mal ist er Friedensengel, mal utopisches Traumschloss. Meistens aber ein Moloch und Menschenfresser (Deutschlandradio Kultur, 30. Juli, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Können Kinder lieben? Empfinden sie erotisch? In Ulrike Heiders Feature „Die Leidenschaft der Unschuldigen“ geben fünf mehr oder weniger prominente Zeitgenossen ihre diesbezüglichen Erfahrungen preis. Der Akademiepräsident hat sich als Zehnjähriger für seine große Liebe blutig prügeln lassen, die Künstlerin glaubt, sie sei niemals wieder so verliebt gewesen wie damals im Kindergarten. Der Comedy-Star hat sich schon früh in den Hausmeister seiner Schule verguckt. Zum Reigen pikanter Erinnerungen gesellen sich literarische Zeugnisse. Was Rousseau, Proust, Freud, Nabokov und andere Kenner über das kindliche Liebesleben wussten (Deutschlandfunk, 1. August, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

Zu jenen dicken Büchern, die man gern gelesen und noch lieber verstanden hätte, gehört zweifellos Karl Marx' Schrift „Das Kapital“. Meist fehlten dann doch Zeit, Energie oder gar Intelligenz. Helgard Haug und Daniel Wetzel bieten nun einen schönen Ausweg aus der Misere. Ihr Doku-Hörspiel „Karl Marx: Das Kapital, Band 1“ präsentiert Zeitgenossen, deren Leben als Kommentar zur Marx’schen Kapitalismusanalyse verstanden werden kann. Aus biografischen Erinnerungen entsteht ein charmantes Puzzle, das komplizierte Soziologie durch leichtfüßige Anekdoten ersetzt. Wir hören einen ergrauten Marx-Forscher, einen renommierten Anlagebetrüger, einen deutschen Maoisten, der in China zu Geld kam (SWR 2, 1. August, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Nicht nur Krimiautoren wissen, dass eine schöne Leiche Gold wert ist. Auch Organ- und Gewebehändler verdienen heute bis zu 100 000 Dollar an einem effizient verwerteten toten menschlichen Körper. Fast alles ist mittlerweile nutzbar: Haut, Knorpel, Knochen, Hornhäute, Herzklappen. Martina Kellers Feature „Über Leichen“ erzählt lehrreiche Anekdoten aus dem internationalen Gewebehandel. Etwa über jene deutsche Firma, die Knochen und Sehnen von Verstorbenen aus Lettland importierte, ohne den Angehörigen Bescheid zu geben. In Europa sucht man gerade nach verbindlichen Regeln für diese Art Geschäfte. Die Zeit drängt, denn in der alternden Gesellschaft werden „Ersatzteile“ ständig wertvoller (Deutschlandradio Kultur, 2. August, 18 Uhr 05).

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