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Im RADIO: Was bliebe von der Kunst?

Tom Peuckert verrät, was Sie im Radio nicht verpassen dürfen.

Wenn die schlechte Nachricht das tägliche Brot des Medienarbeiters ist, dann ist die Katastrophe so etwas wie sein Sonntagskuchen. Im Katastrophenfall strömt überreichlich Sendestoff zu und gute Einschaltquoten sind garantiert. Das Feature „Katastrophenjournalismus“ von Arno Orzessek untersucht die Funktionsweise der Medienmaschinerie am Beispiel der Atomkatastrophe von Fukushima. Wie hier gewaltige Hallräume entstehen, in denen Faktenwissen und Spekulation sich unaufhörlich mischen und gegenseitig verstärken. Bis eines Tages der Sättigungspunkt erreicht ist und bei durchaus unveränderter Gefahrenlage nach neuen Erregungsanlässen gesucht wird (Deutschlandradio Kultur, 15. Juni, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Weil auch die Wissenschaft vom allgemeinen Interesse an der Katastrophe nicht unbeeindruckt bleibt, gibt es heute in Deutschland eine immer opulentere Risikoforschung. Wissenschaftler versuchen die kommenden Natur-, Technologie- und Finanzkatastrophen in ihren Computern vorauszuahnen. Das Feature „Der Rest ist Risiko“ von Ralf Krauter erzählt von den Wegen, ein drohendes gesellschaftliches Unglück zu modellieren und seine Folgen möglichst wirklichkeitsnah zu berechnen. Idealerweise soll es für jede Gefahrenlage ein fertig ausgearbeitetes Reaktionsschema geben. Natürlich sind der gute wie der schlechte Zufall dabei die größte Herausforderung (Deutschlandradio Kultur, 16. Juni, 19 Uhr 30).

Der Philosoph aber nimmt Katastrophen nur als Anlass für die Erprobung seiner Gelassenheit. Nicht das technische Gehäuse der Welt muss verbessert werden, sondern der menschliche Blick auf die Gefahr. Weil wir ohnehin sterblich sind und den Zeitpunkt unseres Todes nicht selbst bestimmen können, ist allzu große Katastrophenfurcht nur eine Folge falschen Bewusstseins. Den Tod zerdenken, heißt eine alte philosophische Übung, von der Matthias Eckoldt in seinem Radioessay „Sterben lernen?“ berichtet. Immerhin steht hinterm Titel des Essays ein Fragezeichen, weil Todesphilosophie oft so theoretisch und Todesangst so eindrucksvoll konkret sein kann. Im Essay geht es auch um die neue Utopie einer Überwindung des Todes durch Hightech-Medizin. Vielleicht können Nanoroboter, genetisch designte Medikamente und erneuerbare Organe uns schon bald an die Schwelle der Unsterblichkeit führen? (Kulturradio vom RBB, 16. Juni, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz)

Was aber bliebe von der Kunst, wenn wir die Furcht vorm Tod verlören? Vermutlich nur unverbindliches Entertainment. Wie sehr Kunst und Todesfurcht zusammengehören, hat E.T.A. Hoffmann in seinen „Nachtstücken“ eindrucksvoll bewiesen. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ ist eine dieser schaurigen Fantasien, die ihre Kraft aus der kindlichen Begegnung mit dem Tod ziehen. Der Student Nathanael glaubt im Wetterglashändler Coppola eine Schreckensgestalt seiner Kindheit wiederzuerkennen. Den Mörder seines Vaters, der stets zur Schlafenszeit im Haus der Eltern erschien. Christian Brückner spielt die Hauptrolle in einer schönen Hörspielfassung des bösen Märchens (Deutschlandfunk, 18. Juni, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Um eine prominente Katastrophenfantasie ist es zuletzt still geworden. Noch vor wenigen Jahrzehnten fielen in Literatur und Film scharenweise Außerirdische über die Erde her. Warum sprudelt diese Quelle der Furcht heute nur noch zaghaft? Das Feature „Ende der Einzigartigkeit“ von Guido Meyer erinnert noch einmal an die Invasion aus dem All. Seit mehr als 50 Jahren gibt es bei der NASA ein Forschungsprogramm, die „Exobiologie“. Nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch Soziologen und Philosophen versuchen die drohenden Erfahrungsschocks vorauszuberechnen und planerisch abzufedern. Offiziell heißt es bei der NASA, man sei bislang nicht fündig geworden. Noch sind wir allein im Universum. Wenn sich daran etwas ändert, wird es gewiss ein Festtag für den Katastrophenjournalismus werden (Kulturradio vom RBB, 20. Juni, 19 Uhr 04).

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