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Medien: In der Aufwärmphase

Ein Anfang ist gemacht, seit zehn Tagen sendet TV.Berlin wieder. Noch wird improvisiert

Wie füllt ein Fernsehsender täglich 24 Stunden Programm, wenn er nur dreieinhalb Stunden täglich selbst produziert? Diese Frage stellen sich auch die Mitarbeiter von TV Berlin. Seit dem 15. November ist das neue TV.B auf Sendung. Tagsüber mit Musikvideos aus den 80er und 90er Jahren, danach bis 18 Uhr mit Wiederholungen vom Vortag. Wiederholungen als Füllmaterial. Doch an Wiederholungen sind die Zuschauer des Berliner Lokalsenders gewöhnt. Seitdem der alte Gesellschafter im August den Insolvenzantrag gestellt hatte, sendete TV.B nur noch Konserven.

Noch immer arbeitet der Lokalsender am Fuß des Fernsehturms. Mit dem Unterschied, dass dort mittlerweile einige Büroräume leer stehen. Von ursprünglich 100 Mitarbeitern sind noch 45 da. Einer von ihnen ist Ulrich Weber. Er ist für Kommunikation und Marketing zuständig und arbeitet seit 1996 bei dem Lokalsender, der erst IA, dann Puls TV und seit 1997 TV.Berlin heißt. Bis zum Insolvenzantrag gehörte der Lokalsender zum Kirch-Imperium. Nun finanziert ein österreichischer Bauunternehmer, Hanno Soravia, das Berliner Lokalfernsehen. Bereits im Sommer hatte sich die Soravia-Tochter Kanal 1 bei TV.München einkauft, jetzt soll die Hauptstadt erobert werden.

„TV.Berlin – Wir sind Berlin!“ ist das Motto des Senders. Berlin sei jetzt mehr draußen als drinnen, beschreibt Ulrich Weber das Konzept. „Wir wollen viel auf die Straße gehen – näher an den Bürgern sein.“ Die werden dann auf der Straße angesprochen: Ob sie nicht bei der „A+O Dating“-Show mitmachen oder am Casting für „TV Star“ teilnehmen wollen. Bei der ersten Sendung können einsame Herzen einen Partner finden, bei der anderen können sie sich ihren Traum erfüllen, Moderator bei TV.Berlin zu werden. Nach dem Prinzip „Deutschland sucht den Superstar“ dürfen die Zuschauer dann per Telefon (0,62 Euro pro Minute) entscheiden, wer das Zeug zum „TV Star“ hat.

Neben den neuen Shows setzt TV.B vor allem auf alte Formate wie das Verbrauchermagazin „Gut beraten Berlin“. Die tägliche Sendung wird von Harry Perlinger moderiert. Perlinger ist die neue Allzweckwaffe bei TV.B. Neben dem Verbrauchermagazin moderiert er die Immobiliensendung „Nicht ohne Grund“, macht Beiträge für das Lifestyle-Magazin „IN Berlin“, geht zur Bambi-Verleihung und zur Aids-Gala. Dort muss er sich vom Ex-Regierenden Eberhard Diepgen sagen lassen, TV.B solle ihm doch erst mal ordentliche Dienstkleidung – einen Smoking – besorgen. Und der aktuell Regierende, Klaus Wowereit, bügelt seine Klatsch-Fragen mit dem Satz ab: „Ihr solltet doch mal eure Fragen ändern.“ Doch ein Perlinger lässt sich von so etwas nicht einschüchtern. Ungerührt fragt er weiter und stöbert einen Tag später in der Wohnung von Starfriseur Udo Walz herum.

Wenn Perlinger gerade mal nicht zu sehen ist, taucht Agnes Fischer auf dem Bildschirm auf. Sie moderiert wie früher die Nachrichten „Berlin Jetzt“. Souverän vorgetragen, nett formuliert, thematisch zeitlos. Es geht um die steigende Kriminalität oder die störende Baugrube in Alt-Rudow. Tagesaktuelles kommt nur bedingt vor.

Das Programm wirkt veraltet und belanglos, die Trailer könnten aus den 80ern stammen. TV.Berlin plätschert vor sich hin. Was fehlt, ist das Besondere, vielleicht auch das Extreme, das Witzige. Erfrischend anders ist Axel Kruse, der Moderator der Sportsendung „rasant“. Der frühere Hertha-Spieler und Kicker beim Football-Team Berlin Thunder wirkte im Gespräch mit seinem ersten Hertha-Gast, Andreas „Zecke“ Neuendorf, zwar unsicher, aber sympathisch.

Ein richtiger Typ will auch Sascha sein, der täglich ab 23 Uhr „Fun Tastic“ moderiert – eine Call-In-Show. Sofern die Telefonleitung mal steht, redet er mit den meist jungen Anrufern über belanglose Dinge. Eine Stunde später wird es Nacht bei TV.B, und die Softpornos starten. Nun beherrschen wie eh und je „dralle Hausfrauen ab 40“ und „derbe Waschweiber“ das Programm. Sie sorgen für das richtige Umfeld für die 0190er-Spots, mit denen TV.B gutes Geld verdient.

„Drei Jahre und mehr“ gebe Gesellschafter Soravia dem neuen TV.B Zeit, sagt Weber. Kooperationen mit einem Homeshopping-Kanal seien geplant, nächstes Jahr soll es auch wieder Sendungen mit Studiopublikum geben. Bis dahin sollen die Eigenproduktionen auf acht Stunden täglich ausgedehnt sein. Wie, das sei noch nicht spruchreif.

Wortgewaltiger geben sich die Zuschauer. „Volkes Stimme“, nennt Ulrich Weber die Kommentare im Internet-Gästebuch. „Jetzt haben wir endlich den Offenen Kanal 2“, schreibt einer. „Laientheater“ lästert ein anderer. Es gibt aber auch verständnisvolle Zuschauer: „Sie haben eine ganze Menge Fehler gemacht. Nur einer wird ihnen hoffentlich nie unterlaufen, sich am SFB zu orientieren.“

Bei aller Kritik: Auf eines kann sich der Zuschauer bei TV.Berlin verlassen. Die unter dem Logo eingeblendete Temperatur, die ist immer aktuell.

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