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© dpa

TV-Sender: In der Nische verkümmert

2,5 Millionen Deutschtürken leben in Deutschland - doch bisher sind alle Sender gescheitert, die sich mit ihrem Programm explizit der Realität zwischen den zwei Lebenswelten widmeten. Warum sich die deutschtürkischen Fernsehsender nicht durchsetzen können.

Ein ehemaliges Autohaus in einem Duisburger Industriegebiet. Auf dem kargen Rezeptionstisch stehen deutsche und türkische Flaggen einträchtig nebeneinander, in einem Fernseher in einer Ecke flimmern Spots für Oliven vom Marmarameer und die neue Großmoschee in Köln. Das ist der Sitz von Kanal Avrupa (Kanal Europa), dem nach eigener Auskunft größten deutschtürkischen Fernsehsender.

2,5 Millionen Deutschtürken leben im Bundesgebiet, ihr Fernsehkonsum verteilt sich zu fast gleichen Teilen auf deutsche Sender und Sender aus der Türkei. Ein Programm, das sich explizit an sie und ihre besondere Lebensrealität zwischen diesen beiden Welten richtete, gab es nicht. In diese Lücke wollte Kanal Avrupa stoßen: Zweisprachig, authentisch, integrativ. Gleich mehrere Sender versuchten mit ähnlichen Konzepten ihr Glück: Türkshow aus Köln, Düzgün TV aus Lünen, Kanal Avrupa und das schon deutlich ältere Projekt TD1 in Berlin. Sie alle hatten große Pläne.

Zum Start von Avrupa 2005 hatte dessen junger Chef Seran Sargur verkündet, man wolle der „erste deutsche Integrationssender" werden. Heute, vier Jahre später, sitzt der 30-Jährige in seinem kleinen Büro, schüttelt den Kopf, lächelt ein wenig gequält und sagt: „Es ist leider nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Längst ist Ernüchterung eingekehrt bei den deutschtürkischen Sendern: Türkshow hat seinen Satelliten-Sendeplatz verloren, Düzgün TV ist pleite, der Berliner Sender TD1, der immerhin über 20 Jahre existierte, ebenso. Und Kanal Avrupa? Kämpft ums Überleben. Gerade mal rund 100 000 Euro Umsatz macht man pro Monat, steckt tief in den roten Zahlen. „Unsere Finanzierung ist alles andere als gesichert“, gibt Sargur zu. Die Mitarbeiterzahl ist von 45 auf 22 zurückgegangen, und von den großen inhaltlichen Ansprüchen ist nicht viel geblieben.

Die abendliche Livesendung zeigt, auf welchem Niveau Kanal Avrupa stehengeblieben ist: Im einzigen Studio, dessen Kulissen aus auswechselbaren Plakaten und einem beigen Sofa bestehen, sitzen zwei nicht sehr telegene Männer. „Anatolia“ heißt diese Show, es geht um die verschiedenen Regionen der Türkei, heute ist Istanbul dran. Vor einer großen Landkarte lesen die beiden Moderatoren Texte über Kultur und Geschichte von ihren Zetteln ab, dann spielt eine Zwei-Mann-Band ein bisschen Folklore. Gerade mal zwölf Leute sitzen im Publikum, in der Werbepause stehen Moderatoren und Zuschauer zusammen am Kaffeeautomaten im Foyer. Man kennt sich.

Neben den abendlichen Unterhaltungssendungen hat Kanal Avrupa auch Politisches und Informatives im Programm: Eine Wirtschaftsberatungssendung für türkische Selbstständige zum Beispiel oder Talkrunden zu aktuellen Themen. Vor kurzem waren Vertreter der Jugendorganisation der türkischen Regierungspartei AKP im Studio, es ging um Euro-Islam und Integration. Seran Sargur würde gerne mehr solcher Sendungen machen, auch mit deutschen Politikern. „Aber die kommen ja kaum zu uns“, klagt er. Sargur hatte mal einen Traum: Er wollte die Spitzenkandidaten von SPD und CDU zur Bundestagswahl ins Studio bekommen – ein Kanzlerduell vor den Deutschtürken. „Das schaffen wir sowieso nicht“, winkt er heute ab, „man will uns hier einfach nicht haben.“ Überhaupt, die Politik. Die ist in Sargurs Augen Schuld am mangelnden Erfolg seines Senders. Von Anfang an hat er auf Unterstützung der Politik – auch finanziell – spekuliert. Er wurde bitter enttäuscht. „Einen ganzen Haufen“ Projekte habe man an die nordrhein-westfälische Landesregierung herangetragen, mit der Bitte um Förderung. „Deutsch für Mama“ zum Beispiel, ein TV-Sprachkurs für türkische Mütter, in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut. Dann eine Sendung über Berufsbilder für junge Ausländer. Oder die deutsch-türkische Sorgenhotline, eine Art Migranten-Domian. „Alles abgelehnt“, klagt Sargur. „Und da ging es wirklich nicht um große Summen!“

Aus eigener Kraft kann der Sender kaum überleben, denn Kanal Avrupa konnte sich am Werbemarkt nicht wirklich durchsetzen. Das hat laut Sargur mehrere Gründe: Zum einen interessierten sich deutsche Firmen noch immer zu wenig für die türkische Klientel. Zweitens ist der Wirtschaft und den Agenturen der kleinteilige Ethno- und Satelliten-TV-Markt einfach zu unübersichtlich. „Die geben lieber 100 000 Euro mehr an RTL anstatt sich mit diesem Chaos abzugeben“, so Sargur. Und drittens drängten die etablierten Sender aus der Türkei die kleinen deutschtürkischen Konkurrenten aus dem Markt. „Die haben ja keine zusätzlichen Kosten, wenn sie ihr Programm einfach noch mal in Deutschland ausstrahlen. Außerdem treten dort eben all die großen Stars aus der Türkei auf.“

Das ist wohl das eigentliche Problem von Kanal Avrupa: Mit seinem kleinen Etat und semi-professionellen Shows kann er nicht ernsthaft mit dem Programm der großen deutschen und türkischen Sender konkurrieren. Kanal Avrupa und Co. können noch so hehre Integrationsanliegen haben, ohne eine attraktive Verpackung sieht keiner zu. Solange dafür niemand zahlt, werden die integrierteren unter den Deutschtürken weiter RTL und Co. einschalten, während sich die Älteren, die mit Sprach- und Integrationsproblemen, an ihren türkischen Heimatsendern festhalten werden.

Kanal Avrupa darbt derweil vor sich hin. Die Räume der ehemaligen Nachrichtenredaktion sind verstaubt, eine freie Mitarbeiterin schreibt die Texte mittlerweile zuhause. Hinter dem Sendergebäude erstreckt sich ein großer Hof. „Hier wäre sogar noch Platz für einen Anbau gewesen“, sagt Sargur. „Ja, wir hatten viel vor damals.“

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