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"Heute" in der Zuschauergunst hinter "RTL Aktuell": Matthias Fornoff, Moderator der ZDF-Hauptnachrichensendung, lächelt tapfer.

© ZDF

Info-TV: Zweites Deutsches Nachrichtenfernsehen

„Breaking News“: RTL ist mit „Aktuell“ erfolgreicher beim Publikum als das ZDF mit „heute“. Nur die „Tagesschau" ist und bleibt unantastbar.

Peter Frey, der Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens, redet nicht herum. „Ich bin ein Anhänger der Quote“, sagte er dem „Focus“, die Quote gebe darüber Auskunft, wie das ZDF mit seinen journalistischen Produkten beim Zuschauer ankomme. Schlecht wäre jetzt eine übertriebene Antwort, aber schlechter als früher, dies stimmt auf jeden Fall. „heute“, die Hauptnachrichten um 19 Uhr, sind hinter „RTL aktuell“ gerutscht. Die Durchschnittszahlen seit Jahresbeginn 2011 reflektieren das Überholmanöver: „Tagesschau“ 10,23 Millionen (Marktanteil 32 Prozent), „RTL aktuell“ 4,61 Millionen (18,5 Prozent), „heute“ 4,58 Millionen (17,4 Prozent). Würde außer Acht gelassen, dass für die „Tagesschau“ die Parallelausstrahlungen bei den Dritten, Phoenix, 3sat und für „heute“ die Zahlen für 3sat mitgerechnet werden, dann wäre „RTL aktuell“ näher an der „Tagesschau“ und von „heute“ weiter entfernt. In der Zehn-Jahres-Betrachtung wird deutlich, wie sehr sich die Reichweiten der Nachrichten des öffentlich-rechtlichen ZDF und des Privatsenders RTL angenähert haben.

„Wir wollen nicht Dritter sein“, hat ZDF-Chefredakteur Peter Frey gesagt. Aber vielleicht geht es gar nichts anders? Matthias Fornoff, der USA-Korrespondent, ist als Moderator gekommen, dafür Steffen Seibert als Sprecher der Regierung Merkel nach Berlin gegangen. Frey verweist zudem auf Erklärgrafiken, die seit kurzem im Einsatz sind. Der Auftritt der ZDF-Moderatoren Fornoff und Petra Gerster hat an Emotionalität zugenommen. Die Anstrengungen, die die „heute“-Redaktion unter dem Eindruck der Quoten unternimmt, die lassen den Eindruck entstehen, als wolle sich das Zweite in der Präsenz, beim Transport der Nachrichten mehr an der privaten Konkurrenz orientieren als am öffentlich-rechtlichen Mitbewerber. Die „Tagesschau“ will gar nicht anders sein als eine trockene, ja amtliche Chronologie des Tagesgeschehens mit unbewegten Sprechern. Und die älteste Nachrichtensendung des deutschen Fernsehens liegt um 20 Uhr am besten Platz, sie ist das Eingangstor zum Abendprogramm, was mit dem Ende des Wetterberichts um 20 Uhr 15 startet. Dieser Zeitpunkt ist der einzige in einem 24-Stunden-Fernsehtag, auf den sich alle Programme einigen konnten, verständigen mussten. Wer eine Sendung um 20 Uhr und damit gegen die „Tagesschau“ antreten lässt, der hat schon verloren.

„RTL Aktuell“ beginnt um 18 Uhr 45, eigentlich eine merkwürdige Zeit, „heute“ zur vollen Stunde um 19 Uhr. Dieser Zeitpunkt war schon gelernt, als 18 Uhr 45 noch gelernt werden musste. Der Erfolg von „RTL aktuell“ ist das Ergebnis dieses Lernprozesses, desjenigen, der den Privatsender binnen 25 Jahren zum Marktführer im deutschen Fernsehen gemacht hat. Es gibt ein Publikum, das RTL als das Fernsehen definiert und Aktuell-Anchorman Peter Kloeppel als die News-Autorität akzeptiert wie einst die Eltern Sprecher KarlHeinz Köpcke von der „Tagesschau“.

ZDF-Chefredakteur Frey rekurriert auf den „Generationenabriss“. „heute“ erreicht im Schnitt nur 540 000 Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren, „RTL aktuell“ kommt auf das Drei-, die „Tagesschau“ fast auf das Vierfache. Hier sticht durch, dass das zweite Programm mit das älteste Publikum aller Programme hat. Man sehe sich nur die Werbeblöcke vor und nach den „heute“-Nachrichten an. Fast nur Arzneimittel-Werbung, Beschwerden, Gebrechen und Malaisen in einer Massivität, dass jedes junge Publikum zurückprallen muss. Wer „heute“ sieht, sieht offenbar Fernseh-Nachrichten für Menschen mit schwachen Gelenken, schwacher Blase, schwachem Gedächtnis. Kein Wunder, dass sich Frey wie die gesamte ZDF-Programmspitze Gedanken über das programmliche Umfeld von „heute“ macht, machen muss. RTL bindet über das vorauslaufende Boulevardmagazin „Exclusiv“ ein Publikum für „RTL Aktuell“.

An der Ummäntelung und an der Form, daran kann „heute“ arbeiten und feilen, lässt sich aber am Kern viel ändern? Die ZDF-Nachrichten wollen öffentlich-rechtliche, seriöse Nachrichten sein, sie wollen das bieten, was der „InfoMonitor 2010“ über die Fernsehnachrichten bei ARD, ZDF, RTL und Sat 1 festgestellt hat: „In der ,Tagesschau’ betrug der Politikanteil im Jahr 2010 48 Prozent (2009: 48 Prozent), bei ,heute’ waren es 38 Prozent (2009: 38 Prozent), in ,RTL aktuell’ 21 Prozent (2009: 20 Prozent).“ Ähnlich das Bild beim Komplex gesellschaftlich relevanter Themen: „Tagesschau“ 61 Prozent, „heute“ 51 Prozent, „RTL aktuell“ 32 Prozent. Internationale Politik ist bei „Tagesschau“ und „heute“ fast doppelt so umfangreich wie bei „RTL aktuell“. Der Sport prägt das Nachrichtenprofil bei RTL erheblich mit, auch Human Interest/Alltag/Buntes/Kriminalität, sprich die Boulevard-Themen sind beim Privatsender am stärksten vertreten. Das ist nicht öffentlich-rechtlicher Auftrag, daraus lässt sich kein Nachrichtenkonzept für „heute“ schnitzen. „heute“ bildet die Themen des Tages, nicht die Interessen eines Publikums ab. Das will das ZDF, das wollen die Gremien, und doch hat der ehemalige Verwaltungsrat Roland Koch (CDU) dem ehemaligen Chefredakteur Nikolaus Brender jene Quotenschwäche bei „heute“ auf den erzwungenen Abschied mitgegeben.

Früher, in den Anfangsjahren des Privatfernsehens galt der Spruch: Erst mal die Nachrichten bei RTL sehen und dann bei ZDF und ARD nachsehen, ob sie stimmen. Das ist Vergangenheit, RTL hat mächtig dazugelernt, in den harten News ist „RTL aktuell“ so seriös und glaubwürdig wie „heute“ und „Tagesschau“. Gegenseitiger Zuschauerklau ist schwierig, selbst wenn das Publikum in Katastrophen-Zeiten wie diesen durchaus mehr Nachrichtensendungen einschaltet. Laufende Prozesse oder extreme Bilder lassen die Leute zwei, drei Mal hingucken.

RTL ist Marktführer im deutschen Fernsehen, kein Programm versammelt so viel Publikum. Das trifft ARD und ZDF gleichermaßen, doch hat „heute“ anders als die „Tagesschau“ Teile seiner Info-Hoheit an RTL abgeben müssen. Private Erfolge im öffentlich-rechtlichen Kernland, das ist bitter und Dritter heißt da Verlierer.

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