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In aller Kürze über die AFD. Unter refugees.ard.de gibt es auch die wichtigsten Nachrichten in arabischer Sprache. Diese „Tagesschau“ dauert eine Minute.

© Tsp

Integration mit Medien: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Videoclips und Apps, Programme und Portale: Wie Sender die Integration der Flüchtlinge voranbringen wollen

Der WDR streamt das DFB-Pokalfinale mit arabischem Kommentar, die Deutsche Welle (DW) organisiert den Fernseh-Empfang in Flüchtlingsunterkünften, der Privatsender n-tv gewinnt mit "Marhaba - Ankommen in Deutschland" den Grimme-Preis. Seit dem Spätsommer 2015 hat sich die Medienlandschaft verändert, auch ohne den einst von der CSU geforderten Integrationskanal.

Mittlerweile gibt es eine schwer überschaubare Vielzahl an speziellen Angeboten, die sich mehrsprachig an die Hunderttausende wenden, die in Deutschland Schutz suchen. Fragt sich nur, ob all die gut gemeinten, wenn auch nicht immer gut gemachten Videoclips, Programme und Portale diejenigen überhaupt erreichen, denen damit die Integration erleichtert werden soll. Eine Zwischenbilanz – mit Lücken.

Meist keine Inhalte speziell für Flüchtlinge

Das ZDF zum Beispiel hält die bisher verfügbaren Zahlen für "noch nicht aussagekräftig" und will erst im Herbst Bilanz ziehen. Die Idee der Mainzer wirkt vergleichsweise simpel: Ausgewählte Sendungen aus dem laufenden Programm werden für die zur mobilen Nutzung optimierten Webseiten arabic.zdf.de und english.zdf.de untertitelt, darunter "heute" um 17 Uhr sowie die Kindernachrichten von "Logo TV". Die Liste ist beachtlich lang, aber eigenständige Inhalte für Flüchtlinge bietet das ZDF im Grunde nicht an.

Auch das Portal refugees.ARD.de ist vor allem eine Auswahl existierender Programmangebote der verschiedenen ARD-Sender sowie der Deutschen Welle und wird von keiner eigenständigen Redaktion gepflegt. Der für die Online-Angebote bei ARD.de federführende SWR hat seit Oktober 2015 1,23 Millionen Seitenabrufe und 420 000 Besucher gezählt.

Allzu teuer dürfen die zusätzlichen Angebote nicht sein, das gilt auch für den WDR: Bei der Hörfunkwelle Funkhaus Europa, die der RBB mitbetreibt, wurde das arabischsprachige Angebot ausgebaut, zugleich wurden andere Muttersprachen-Sendungen gekürzt, vor allem Türkisch. Und ausgerechnet im Oktober 2015, auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs, hatte der WDR das multikulturelle Magazin "Cosmo TV" eingestellt.

Aushänge und Flugblätter informieren über das Angebot

Das ehemalige Redaktionsteam ist nun für das viersprachige Flüchtlingsportal WDRforyou zuständig. Es hat auch eine eigene Talkshow (gemeinsam mit DW) und eine Kochshow entwickelt, streamt Fußballspiele mit arabischem Kommentar und will sich in den Bereich Humor/Unterhaltung vorwagen, unter dem unmissverständlichen Titel "Quatschforyou".

Der RBB hat zwei "Abendschau"-Ausgaben auf Arabisch produziert, die online abrufbar sind, und verweist außerdem auf die "Stilbruch"-Reportagen von Jaafar Abdul-Karim. Aber eine "eigene Schublade" mit speziellen Programmen für Flüchtlinge gebe es nicht, sagte Sprecher Justus Demmer.

Um an ihre Zielgruppe heranzukommen, lassen die Sender in den Unterkünften Flugblätter und Aushänge verteilen. Die Deutsche Welle sorgt mit bereitgestellter Technik an ausgewählten Orten sogar selbst dafür, dass ihr TV–Programm empfangen werden kann. Zum Beispiel im Berliner ICC, wo die Malteser 600 Menschen betreuen. DW Arabisch werde regelmäßig drei Stunden am Tag eingeschaltet und stoße durchaus auf Interesse, bestätigt Malteser-Sprecher Matthias Nowak. "Die meisten sind sowieso am Smartphone. Unsere Gäste haben alle freies W-Lan. Ich weiß, dass sie informiert sind", sagt er.

Zwei Drittel informierten sich vor ihrer Flucht über TV-Sender

Über die tatsächliche Mediennutzung durch Flüchtlinge weiß man noch wenig. Das Forschungsprojekt "Flucht 2.0" an der Freien Universität Berlin arbeitet an der ersten repräsentativen Erhebung und hat gerade 400 Geflüchtete ab 14 Jahren in Berliner Unterkünften befragt. "Ganz zentral für die Information über das Zielland, die Flucht etc. sind Internet, Smartphone und persönliche Kontakte, die die Geflüchteten haben", sagt Professor Martin Emmer vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft.

Zwei Drittel informierten sich vor ihrer Flucht über internationale TV-Sender, 35 Prozent davon auch über DW TV. Und unter den 360 befragten Flüchtlingen, die direkt aus ihrem Heimatland oder einem benachbarten Flüchtlingslager nach Deutschland kamen, lag die Reichweite von DW TV bei 20 Prozent. Emmer nennt den Sender "durchaus eine relevante Quelle".

Die Deutsche Welle selbst verweist darauf, dass sich die Zugriffszahlen auf die arabischsprachigen Angebote verdreifacht hätten. Auch die Online-Deutschkurse werden stärker nachgefragt: 2015 gab es 300 000 "Visits" aus Deutschland, ein Jahr zuvor 200 000.

Soziale Medien und Apps sind hilfreich

Auch ohne Medienforschung gilt als sicher, dass Flüchtlinge vor allem über soziale Netzwerke auf Angebote aufmerksam werden. Der SWR jubelt, dass seine "News for Refugees" 70 000 Likes hat, WDRforyou gefällt knapp 130 000 Nutzern. Der Sender hat anfangs gezielt in Unterkünften darum geworben, dass Flüchtlinge die Facebook-Seiten teilen.

Und die "Marhaba"-Videos von Constantin Schreiber wurden laut n-tv über Facebook und Youtube rund 1,7 Millionen Mal aufgerufen. Doch auch bei der Plattform-Wahl gilt es, die unterschiedlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen. "Viele, die bei uns ankommen, haben noch keinen Facebook-Account, sondern nutzen andere Netzwerke über Anbieter, die hier nicht so bekannt sind", sagt Aische Westermann vom Kölner Flüchtlingsrat.

Sie hat mit Kölner Filmschaffenden, darunter Produzentin Hana Geißendörfer ("Lindenstraße"), einen sechsminütigen Kurzfilm speziell zur Anhörung im Asylverfahren entwickelt. Auch deshalb, weil die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Beteiligung des BR entwickelte und bisher 155 000 Mal heruntergeladene App "Ankommen" die Rechte der Flüchtlinge nicht ausreichend darstelle.

"Nicht über sie reden, sondern mit ihnen"

"Jemand, der erst zwei Monate hier ist, hat ganz andere Fragen als jemand, der nun eine Wohnung hat und kurz davor ist, den Integrationskurs abzuschließen", sagt WDRforyou-Chefin Isabel Schayani. Integration finde in Wirklichkeit auf sehr vielen verschiedenen Ebenen statt. Wichtig sei, "dass wir die Flüchtlinge oft persönlich treffen, damit wir nicht nur über sie reden, sondern immer mit ihnen".

Auf den WDRforyou-Seiten findet sich auch ein Text ("Diese Integration ist eine große Lüge") von Rami al Asheq. Solange man den Anderen nicht kennenlerne, finde keine wirkliche Integration statt, schreibt der in Köln lebende, einst in Syrien inhaftierte palästinensische Publizist. "Integration und Klischee passen nicht zusammen. Integration und Unkenntnis passen nicht zusammen."

Sein Text stammt aus "Abwab" (dt.: Türen), der ersten arabischen Zeitung in Deutschland, die zuletzt mit einer Auflage von 70 000 in Flüchtlingsunterkünften kostenlos verteilt wurde und von dem Londoner Verlag New German Media herausgegeben wird. Al Asheq ist deren Chefredakteur. Auch das geschieht bereits in Ansätzen: Al Asheq oder der syrische Youtuber Firas Alshanter mit seinen "Zukar"-Videos sind nicht nur Zielgruppe oder Objekte der Berichterstattung, sondern bereichern die Medienlandschaft aktiv.

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