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Internet: Mama Maischberger und die Ökowindel

Cool sein und gleichzeitig die Umwelt schonen - Utopia.de und Ivyworld.de zeigen, wie's geht. Schokolade, Jeans, Möbel - selbst Vibratoren gibt es in ökologisch korrekter Form.

Große, saftige Steaks isst die junge Frau besonders gerne. Blöderweise bekommt sie dabei immer ein schlechtes Gewissen. Nicht, weil die Steaks zu fettig sein könnten – Steaks essen passt einfach nicht in ihren Lebensentwurf: Sie will genießen, gleichzeitig aber die Umwelt schonen. Rinder stehen aber oft in hochtechnisierten Ställen, essen industriell produziertes Futter, viel Energie wird dafür verbraucht. Außerdem fliegen Flugzeuge mit Rinderhälften um die halbe Welt, weil das beste Fleisch angeblich aus Argentinien kommt. Doch die junge Frau hat sich einen persönlichen Ablasshandel zurechtgelegt: „Ich habe eine Waschmaschine, die mich immer dann warnt, wenn ich zu viel Pulver eingefüllt habe.“ Puh, Glück gehabt, vermeintliche Sünden gebüßt.

Ihre Sorgen äußert die junge Frau auf der Seite www.Utopia.de. Das Internetportal ist eine Art Verbraucherzentrale, die sich für strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil einsetzt. „Kauf Dir eine bessere Welt“, lautet das Motto. Gerade wurde Utopia.de als beste Web-Community ausgezeichnet, beim Lead Award, der als Oscar der Medienbranche gilt.

Obwohl es die Seite erst seit vier Monaten gibt, sind bereits knapp 12 000 Mitglieder angemeldet, „Utopisten“ nennen sie sich selber. Darunter sind Prominente wie der Schauspieler Axel Milberg und die Moderatorin Sandra Maischberger. Ein Video auf der Website zeigt Maischberger beim Wickeln einer Plastikpuppe, eine Hebamme erklärt ihr dabei, welche Windeln ökologisch korrekt sind und welche die Umwelt belasten. Leinentücher zum Auswaschen sind am umweltverträglichsten, fürs Kind ist die schadstoffarme Ökowindel gut. „Und das, was ich mache, ist ganz schlecht“, schließt Maischberger, die gewöhnliche Papierwindeln verwendet. Vor einem Jahr hat sie ihren Sohn bekommen. „Das erste Kind ist bei vielen der Moment, wenn es ,Klick‘ macht“, sagt Claudia Langer, 42, Gründerin von Utopia.de und dreifache Mutter. Plötzlich sei man nicht mehr nur für sich, sondern für eine Familie verantwortlich. Und damit auch die Kinder im Winter einen Schneemann bauen können, versuchen sie „ökorrekter“ zu handeln: bestellen also Gemüsekisten beim Biobauern und fahren mit dem Rad zur Arbeit.

Wie Mutter Maischberger, Vater Milberg und die junge Steak-Esserin machen sich angesichts der prophezeiten Klimakatastrophe immer mehr Menschen Gedanken, wie sie umweltbewusster leben können. „Lohas“ werden sie auch genannt, das steht für „Lifestyle of Health and Sustainability“, übersetzt Gesundheit und Nachhaltigkeit als Lebensstil. In den USA gilt es als cool, zu den „Lohas“ zu gehören. Kein Wunder, schließlich geht es darum, mit Shoppen die Welt zu verbessern – angenehmer kann Umweltschutz nicht sein.

Auch in Deutschland wächst die Zahl der Anhänger. 21 Millionen Menschen sollen es laut Burda-Verlag sein. Für diese Zielgruppe betreibt er das Online-Magazin Ivyworld.de, Chefredakteure sind Alexander Böker und Michalis Pantelouris. Auch eine Printausgabe von „Ivy“ gab es als Probenummer bereits an einigen Kiosken zu kaufen, eine zweite Ausgabe soll bald folgen. Allerdings werden weder im Magazin noch auf der Homepage die schlechten Arbeitsbedingungen von chinesischen Fabrikangestellten oder die Ölverpestung der Meere diskutiert. „Denn das, was man dagegen tun kann, ist letztlich immer eine Lifestyle-Entscheidung. Entweder kauft man ein fair hergestelltes T-Shirt oder nicht. Das ist die Macht, die Konsumenten haben“, sagt Böker.

Deshalb stellen Ivyworld und Utopia auf ihren Seiten Produkte vor, die ökologisch korrekt sind: Schokolade, Jeans, Champagner, recycelbare Möbel – sogar Vibratoren, biologisch abbaubar. Längst haben die Unternehmen die Zielgruppe erkannt und bieten umweltverträgliche Produkte an. „Nachhaltig zu leben ist keine Nische mehr für Fundamentalisten, sondern eine große wachsende Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Ich bin überzeugt, dass es bald ein grünes Wirtschaftswunder geben wird“, sagt „Utopistin“ Langer. Viel von ihrem Geld, das sie früher mit ihrer Werbeagentur Start verdiente, steckt jetzt in Utopia. Langer hatte sich von ihrem stressigen Job ein Jahr Auszeit genommen, danach wollte sie zusammen mit ihrem Mann etwas Sinnvolles tun. Schnell fanden sie Unterstützer für Utopia, darunter Pixelpark-Gründer Paulus Neef sowie das renommierte Wuppertal Institut. Bald soll sich die Seite über Werbung finanzieren, „ökorrekt“ müssen die Kunden natürlich sein.

Während Ivyworld vor allem Service-Tipps gibt, können sich die „Utopisten“ untereinander über ihre Schwäche für Südfrüchte austauschen und diskutieren, wo es die besten „klimafreundlichen“ Bananen gibt. Die Utopia-Redaktion zeigt ihnen, wie sie das Büro möglichst müllfrei halten oder einen Frühjahrsputz machen, ohne giftige Putzmittel zu verwenden. „Wir maßen uns aber nicht an, den Leuten zu sagen, was sie tun müssen. Schließlich sind wir selber alle keine Umweltengel. Wir machen aber Angebote, wie man seinen Lebensstil verbessern kann“, sagt Langer. Sie selbst hat vor allem eine Schwäche für Fernreisen, in Südafrika verbringt sie gerne Weihnachten. Dafür achtet Langer aber auf ihren Steak-Konsum. Ihr Utopia-Team hat ausgerechnet: Isst jeder Deutsche pro Monat ein Steak weniger, könnten 575 000 Tonnen CO2 eingespart werden. Für alle Nichtvegetarier gibt’s zum Glück ja noch die warnenden Waschmaschinen.

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