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Nur Nummer zwei: Google kommt in China erst hinter Baidu. Die chinesische Suchmaschine legt deutlich mehr Gewicht auf Unterhaltung als auf Politik. Foto: pa/dpa

© picture alliance / dpa

Zwischen Zensur und Social Media: Internetboom beim „Feind des Internets“

Chinas Online-Wirtschaft wächst rasant. Doch ausländische Unternehmen finden kaum Zugang.

Chinas Machthaber können sich nicht richtig mit dem Internet anfreunden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen verlieh China vor kurzem gar den Titel „Feind des Internets“, da staatliche Kontrolleure alle Inhalte im Internet systematisch überwachen, Unerwünschtes löschen und zensieren. Webseiten mit heiklen Inhalten, wie über das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens oder den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, sind in China nicht zu erreichen. Regierungskritische Blogger werden verfolgt und nicht selten weggesperrt. Um die Kontrolle über das Internet noch auszuweiten, hat China gerade erst ein neues zentrales Aufsichtsgremium mit weitgehenden Rechten geschaffen. Das State Internet Information Office überwacht das Internet und entscheidet über die Zulassung jeglicher Onlineanwendungen. Chinas Machthaber stehen besonders den sozialen Netzwerken skeptisch gegenüber. Nicht erst, seit mit der Hilfe von Facebook, Twitter und Co. die Massenproteste in der arabischen Welt organisiert wurden, wächst die Angst der Führung vor den schwer zu kontrollierenden Kommunikationsplattformen. Facebook, Twitter oder auch Youtube sind schon deshalb nicht über das chinesische Internet erreichbar.

Die Bevölkerung lässt sich davon jedoch nicht beirren. 457 Millionen Internetnutzer hat China bereits Ende 2010 gezählt. Geschätzte 75 Millionen Menschen bloggen. Da internationale Unternehmen auf den weitgehend abgeschotteten Markt kaum Zugang finden, profitieren vor allem chinesische Internetfirmen von dem Boom. In den letzten Jahren ist so eine Parallelwelt entstanden, in der es für jeden ausländischen Internetdienst eine chinesische Entsprechung gibt. Anstatt Twitter verwenden Chinas Internetnutzer den Mikroblog-Dienst Weibo des Unternehmens Sina, der sich deutlich an dem Konkurrenten orientiert. Facebook heißt in China RenRen und auch Youtube hat sein Pendant in Youku.

Den naheliegenden Vorwurf, man kupfere Ideen von ausländischen Anbietern ab, weisen Chinas Internetunternehmen allerdings zurück. „Wir kopieren nicht. Die Entwicklung unserer sozialer Netzwerke unterscheidet sich deutlich von der bei Twitter oder Facebook“, erklärte Charles Chao, Chef von Sina, kürzlich. Auch wenn sie sich an der westlichen Konkurrenz orientieren. Die Eigenarten des chinesischen Marktes beflügeln nach Meinung verschiedener Experten den Innovationsgeist von Chinas Entwicklern. Diese agieren äußerst erfolgreich. So sind alle genannten Internetfirmen mittlerweile an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet. Youku erwirtschaftete im ersten Quartal 2011 immerhin Umsätze von etwa 20 Millionen Dollar. Laut Unternehmensangaben besuchen das Videoportal rund 281 Millionen Nutzer im Monat.

Für ihren Erfolg müssen sich Chinas Unternehmen allerdings mit der Regierung in Peking und deren Zensoren arrangieren. Jegliche Form des Massenaustausches wird unterbunden, kritische Einträge werden gefiltert und gelöscht. So sind chinesische soziale Netzwerke häufig nicht viel mehr als harmlose Chatrooms oder Treffs für Onlinespiele. Doch da Chinas Internetfirmen den Markt unter sich aufteilen können, fällt dieser Makel kaum ins Gewicht. Dass westliche Anbieter in China hinten anstehen, ist laut Christian Schmidkonz, Professor für Wirtschaft in Asien an der Munich Business School, selbst verschuldet. „Sie haben es in der Frühphase des Internets in China verpasst, ihre Dienste an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen, sind deshalb erfolglos geblieben“, sagt Schmidkonz. Dabei sei das Internet in der Vergangenheit offener für ausländische Anbieter gewesen als jetzt. „Inzwischen verstehen es Regierung und chinesische Firmen sehr wohl, protektionistische Hürden aufzubauen“, so Schmidkonz.

Fehlendes Verständnis für den chinesischen Markt attestiert der Experte auch der Suchmaschine Google. Schon vor dem Teilrückzug Googles, das sich nicht mehr selbst zensieren wollte, war der chinesische Konkurrent Baidu die populärste Suchmaschine im Land. Sie hat derzeit einen Marktanteil von etwa 76 Prozent. Wohl weil man schon früh auch auf Musik und Unterhaltung gesetzt hat, was Google laut Schmidkonz zuerst versäumt hatte. Chinas Internetnutzer hätten auch heute noch ein wesentliches Interesse an Unterhaltung, weniger an politischen Nachrichten.

Völlig unpolitisch ist Chinas Internetgemeinde allerdings nicht. Als die Regierung 2009 versuchte, alle neuen Computer mit der vorinstallierten Filtersoftware „Grüner Damm“ auszustatten, formierte sich ein breiter öffentlicher Widerstand. Die Pläne mussten begraben werden. Außerdem wächst die Zahl der Blogger, die das Internet nutzen, um Korruptionsfälle anzuprangern oder Lebensmittelskandale aufzudecken. Daneben gibt es auch einen kleinen Kreis von Internetaktivisten, die regierungskritische Texte bloggen. Doch wer in China so direkt in Opposition zum Machtapparat geht, dem droht die Verfolgung durch die Behörden. Nirgendwo auf der Welt sitzen laut Reporter ohne Grenzen mehr Aktivisten in Haft, die wegen Internetbeiträgen verurteilten wurden, als in China.

Das Wachsen der Onlinegemeinde wird Chinas Führung auch nicht durch noch so strikte Maßnahmen verhindern können. Vermutlich wird sie es auch gar nicht wollen, weiß man doch auch in Peking, dass mit der jungen Branche viel Geld zu verdienen ist. Doch die verstärkten Zensurmaßnahmen und das harte Vorgehen gegen Internetaktivisten zeigen, dass Peking sich dennoch vor der Dynamik fürchtet, die gerade soziale Netzwerke entfachen können. Und nichts fürchten Chinas Machthaber mehr als den Kontrollverlust.

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