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Der Generalsekretär der Fernmeldeunion, Hamadoun Touré, spricht während des Gipfels in Dubai. Auf der Konferenz versuchten einige Länder, mehr staatliche Kontrolle über das Internet zu installieren.

© AFP

Internetregulierung: Die Netzfreiheit wurde verteidigt - vorerst

In Dubai haben 193 Länder elf Tage lang darum gefeilscht, ob Staaten mehr Einfluss auf die Verwaltung des Internets bekommen sollten. Im Ergebnis ist das Netz gerettet – vorerst zumindest.

Formal war es lediglich eine Konferenz, auf der ein internationaler Vertrag über den Telefonverkehr erneuert werden sollte. Hinter den Kulissen aber wurde um die künftige Regulierung des Internets gefeilscht. In Dubai hat der Westen klargemacht, dass er Staaten wie Russland und China dabei nicht über den Weg traut.

Die Internationale Fernmeldeunion, die die Konferenz ausgerichtet hat, ist eine Unterorganisation der Vereinten Nationen. Elf Tage lang haben Delegationen der 193 Mitgliedstaaten in Dubai getagt, am Freitagnachmittag ging die Konferenz zu Ende. Ziel war es, die Internationale Telekommunikationsregulierung (ITR) von 1988 zu modernisieren. Dieser völkerrechtlich verbindliche Vertrag regelt den internationalen Telefon- und Funkverkehr. Doch schon im Vorfeld der Konferenz wurde deutlich, dass einige Staaten den Vertrag auch auf das Internet ausweiten und die Internetregulierung damit zumindest teilweise auf die zwischenstaatliche Ebene holen wollten. Die USA und die Europäische Union fürchteten, dass sich Länder wie Russland, China und der Iran die völkerrechtliche Legitimation für die in diesen Ländern längst praktizierte Internetüberwachung holen wollten.

Nun ist die „World Conference on International Telecommunications in Dubai“ (WCIT-12) gescheitert. Den westlichen ITU-Mitgliedstaaten ist es nicht gelungen, das Thema Internetregulierung aus dem Vertrag von Dubai herauszuhalten. 55 Staaten haben ihn deshalb zunächst nicht unterschrieben, darunter auch Deutschland. Die Bundesregierung erkennt „Unschärfen“ im Text und will zunächst eine breite Diskussion anregen, bevor sie sich endgültig für oder gegen eine Unterschrift entscheidet.

Anstoß nehmen die Europäer und die USA an mehreren Stellen, an denen das Internet im Vertragstext auftaucht, zum Beispiel am „Spam-Artikel“: Die ITU-Mitglieder „sollten sich bemühen“, heißt es darin, „die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Verbreitung unerwünschter elektronischer Massennachrichten zu verhindern“. Kritiker sehen darin die Gefahr, dass manche Staaten diesen Abschnitt zur Filterung von E-Mails und damit zur Zensur missbrauchen könnten. Zudem gibt es eine – allerdings unverbindliche – Resolution im Anhang des Vertrags, in der die Mitglieder der Fernmeldeunion sowie der Generalsekretär instruiert werden, die Rolle der Fernmeldeunion bei der Internetregulierung zu stärken.

Die problematischen Formulierungen hatten in Dubai bis zuletzt für offenen Streit gesorgt. Üblicherweise werden die Abkommen im Rahmen der Fernmeldeunion im Konsens beschlossen. Doch Konferenzleiter Mohamed Al Ghani bat am Donnerstagabend plötzlich um Handzeichen zur Zustimmung oder Ablehnung zu seinem letzten Entwurf – nach eigener Aussage, um die Stimmung im Plenum auszuloten. Das Ergebnis: 77 Staaten stimmten dafür, 33 dagegen, einige enthielten sich.

Diese nicht vorgesehene Abstimmung war zu viel für die Amerikaner. „Schweren Herzens muss ich ankündigen, dass die USA nicht in der Lage sein werden, den Vertrag in seiner derzeitigen Form zu unterzeichnen“, sagte US-Delegationschef Terry Kramer unmittelbar im Anschluss. „Wir können keinen Vertrag unterstützen, der nicht das Multistakeholder-Modell zur Internetregulierung stärkt.“ Großbritannien und viele andere europäische Länder schlossen sich sofort an.

Bundesregierung tritt auf die Bremse

Der Generalsekretär der Fernmeldeunion, Hamadoun Touré, spricht während des Gipfels in Dubai. Auf der Konferenz versuchten einige Länder, mehr staatliche Kontrolle über das Internet zu installieren.
Der Generalsekretär der Fernmeldeunion, Hamadoun Touré, spricht während des Gipfels in Dubai. Auf der Konferenz versuchten einige Länder, mehr staatliche Kontrolle über das Internet zu installieren.

© AFP

Als „Multistakeholder-Modell“ wird die historisch gewachsene Internetregulierung durch nicht-staatliche Institutionen wie die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und die Internet Society (ISOC) bezeichnet. Hier arbeiten Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam an der Verwaltung und Entwicklung des Netzes. Unumstritten ist allerdings auch dieses Modell nicht, einige arabische Länder sehen etwa die ICANN als Werkzeug der USA an.

Die Amerikaner gaben in Dubai jedoch die Verteidiger des freien Internets, auch wenn die riesige US-Delegation in großen Teilen aus Vertretern von US-Unternehmen wie Google bestand, die an einem möglichst unregulierten Internet vor allem aus wirtschaftlichen Gründen interessiert sein dürften.

Der große Verlierer von Dubai ist die Fernmeldeunion selbst. Hamadoun Touré, Generalsekretär der UN-Sonderorganisation, wollte das Scheitern der Konferenz zwar nicht eingestehen und betonte am Freitag die Vorteile für die unterzeichnenden Staaten. Doch die Verweigerungshaltung der USA und anderer Staaten schwächt Touré und die ITU deutlich.

Einen großen Gewinner gibt es nicht. Ein internationaler Vertrag auf UN-Ebene, den viele der wichtigsten Staaten im Bereich der Telekommunikation und des Internets nicht anerkennen, ist wenig wert. Und erst einmal bleibt sowieso alles beim Alten. Die neuen Regelungen sollen erst ab Januar 2015 gelten und das auch nur für diejenigen, die sie unterzeichnet haben. Für alle anderen gelten die alten ITRs von 1988 – und schon die werden von vielen schlicht nicht oder nur in Teilen beachtet.

Die Bundesregierung will den neuen Vertrag nun zunächst „in einem breiten gesellschaftlichen Dialog erörtern und diskutieren. Hierzu sind in der nächsten Zeit Gespräche mit Unternehmen, Vertretern der Zivilgesellschaft und anderen beteiligten Akteuren in Deutschland geplant“, heißt es. Erst dann will sie entscheiden, ob sie unterschreibt, ob sie das nur unter Vorbehalten tut – oder gar nicht.

Im Vorfeld der Konferenz hatte die Bundesregierung noch klar die rote Linie benannt, die mit den neuen ITRs nicht überschritten werden dürfte: Man werde „keinesfalls Vorschläge unterstützen“, die eine Gefahr für die Rede-, Meinungs- oder Versammlungsfreiheit im Internet sein könnten. Nun will die Regierung erst einmal herausfinden, ob die Formulierungen in dem neuen Telekommunikationsvertrag solche Gefahren tatsächlich ausschließen.

Aber egal, wie sich die Deutschen entscheiden, das Thema ist damit längst nicht vom Tisch. Schon im Mai wird es bei der nächsten Konferenz, dem „World Telecommunication/Information and Communication Technology Policy Forum“ in Genf, erneut auf internationaler Ebene um die Frage gehen, wer das Internet regiert.

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