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Interview: „Bessere Schuhe würden mir reichen“

Was der neue Chefredakteur Nikolaus Albrecht mit der „Vanity Fair“ bei den Lesern erreichen will. Er war vorher bei den Lifestyle-Magazinen "Glamour" und "Vogue" tätig.

Herr Albrecht, sind Sie von der „Glamour“ gekommen, um die „Vanity Fair“ glamouröser zu machen?

Ich würde sagen opulenter. Mit der Marke „Vanity Fair“ wird eine optische Opulenz verbunden, und das ist auch eine unserer großen Stärken. Wir müssen Bilder schaffen, die Sie in keiner anderen Zeitschrift finden. Gut gemacht, aber mit einem gewissen Witz. Und insofern ist meine Zeit bei „Glamour“ und vorher bei „Vogue“ eine gute Vorbereitung für diesen neuen Job gewesen.

Was machen Sie jetzt anders als Ihr Vorgänger Ulf Poschardt?

Es ist ja nicht so, dass hier ein Jahr lang ein schlechtes Heft gemacht wurde. Deshalb ist es nicht notwendig, alles zu ändern. Aber jeder Chefredakteur macht immer auch sein eigenes Blatt. Beispielsweise haben wir sehr schnell die Heftstruktur geändert. Die neue Struktur lässt mehr Opulenz zu. Wir wollen damit ein Signal setzen und zeigen, dass wir große Geschichten im Heft haben. Die gab es zwar vorher auch schon, aber weil sie jetzt im Blatt gebündelt sind, sind sie für den Leser sichtbarer.

Die „Vanity Fair“ wirkt immer noch nicht greifbar. Soll sie eher der „Bunten“ oder eher dem „Stern“ entsprechen?

Ich glaube, es ist falsch, „Vanity Fair“ so einordnen oder vergleichen zu wollen. Man muss die Idee zulassen, dass „Vanity Fair“ anders ist – weder ein People-Magazin noch ein politisches Blatt. Wir sehen „Stern“ und „Bunte“ auch nicht als Konkurrenten.

„Vanity Fair“ steht also für …

… Leser interessieren sich dafür, was aktuell in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft passiert, genauso wie für People und für Stil. Alle Themen zusammen in einem Magazin – das hat es noch nicht gegeben. Wer wissen will, was indische Firmen aufkaufen, der kann genauso gut Interesse an Liebesgeschichten von Kate Moss haben.

Eine echte Debatte hat die „Vanity Fair“ noch nicht angestoßen. Dabei sollte sie „das neue Magazin für Deutschland“ sein.

Ich weiß nicht, ob das die Aufgabe jeder Zeitschrift ist, eine Debatte anzustoßen. Wenn man ein Thema hat, das eine Debatte wert ist, ist das wunderbar. Ansonsten muss eine Zeitschrift Menschen die Welt verständlicher machen.

Die italienische „Vanity Fair“ setzt auf eine weibliche Leserschaft. Wollen Sie die deutsche „Vanity Fair“ weiblicher machen?

Natürlich kaufen Frauen mehr Zeitschriften, aber wir wollen für Männer und Frauen funktionieren. Es gibt bisher in Deutschland ein Defizit an solchen Magazinen. Wir werden künftig in unserem Stilteil noch selbstverständlicher Themen für Männer haben.

Männer werden also bald manikürte Hände und babyweiche Füße haben, wenn sie „Vanity Fair“ lesen?

Mir würde es schon reichen, wenn sie bessere Schuhe anhaben.

Ist Ihr Anspruch an die eigene Arbeit nicht zu niedrig? Kürzlich haben Sie ein Heidi-Klum-Porträt im Blatt gehabt – ohne dafür mit ihr gesprochen zu haben.

Es gibt in der Redaktion viele Mitarbeiter, die schon oft mit Heidi Klum gesprochen oder gearbeitet haben. Die Grundlage dieser Recherche war also nicht Google, denn das wäre in der Tat zu wenig. Aber wir wollten das schreiben, was wir wollten – und dafür war es nicht möglich, mit Heidi Klum zusammenzuarbeiten.

Sie müssen vom Rand her recherchieren, während Ihre Kollegen von der „Gala“ und der „Bunten“ mittendrin zu sein scheinen?

Ich bin Heidi Klum sicher öfter begegnet als andere Kollegen. Wir waren auch die Einzigen, die mit Bill Kaulitz nach der Operation gesprochen haben, und jetzt haben wir Verona Pooth im Blatt, zu einem Zeitpunkt, zu dem viele mit ihr reden wollten. Wir sind also sehr gut vernetzt.

Und Sie zahlen mehr als andere?

Nein, wir bezahlen sicher nicht für ein Interview mit Verona Pooth.

Pooth schafft es bei Ihnen aufs Cover. Aber gibt es genügend deutsche Stars für 52 „Vanity Fair“-Titel im Jahr?

Die muss es aber auch nicht geben. Es muss ein guter Mix sein. Es gibt genügend interessante Menschen in Deutschland, die man zwar nicht unbedingt aufs Cover nehmen, aber über die man Geschichten erzählen kann. Und ein Bill Kaulitz hat beispielsweise auch eine internationale Relevanz.

2007 ist neben „Vanity Fair“ auch „OK“ auf den Markt gekommen. Warum gibt es plötzlich so viele Magazine, die sich mit Prominenten beschäftigen?

Das Interesse an anderen, berühmten Menschen ist sehr groß. Es ist spannend zu erleben, ob diese Menschen genauso sind wie man selbst – oder eben anders. Das hat was mit Orientierung zu tun, man will sein Leben abgleichen.

Wie wichtig ist es für Sie, aus Berlin zu produzieren?

Es war eine gute Entscheidung, „Vanity Fair“ in Berlin zu machen. Hier sind wir nah dran an vielen Dingen, die für „Vanity Fair“ sehr wichtig sind: Die Kunstszene, die Politik. Wir finden hier in der Stadt sehr viele Geschichten, weil man hier viel erlebt und man hier mit vielen Menschen ins Gespräch kommen kann.

Müssen Sie mit Schnitzeltempel-Storys das Berlingefühl so promoten, dass ein kritischer Blick auf den Politikbetrieb unmöglich ist?

Nein, denn beispielsweise sind „Borchardts“ und „Grill Royal“ Orte, an denen man viele interessante Personen auch aus Politik und Wirtschaft trifft, die eine gewisse Bedeutung haben, und nicht nur Schickimicki-Menschen. Wenn wir über diese Restaurants berichten, dann biedern wir uns nicht etwa einem Szeneort an. Sondern wir berichten über Orte, die ein Phänomen sind.

Bedeutung hat etwas mit Image zu tun, die „Vanity Fair“ kostet zwischen einem und zwei Euro. Hochglanz zum Billigpreis. Wie geht das zusammen?

Der Preis ist ein gängiges Marketinginstrument. Als junger Titel wollen wir so möglichst vielen Menschen die Gelegenheit bieten, uns kennenzulernen.

Irgendwann ist die Etablierungsphase abgeschlossen. Wenn der Preis steigt, sinkt die Auflage, richtig?

Das glaube ich nicht. Ich trinke ja auch nicht weniger Mineralwasser, nur weil es über die Jahre teurer wird.

Das Interview führte Sonja Pohlmann.

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