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Zischler

© Pro7

Interview: "Das halte ich für fatal"

Hanns Zischler spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Niveau im Fernsehen, Comedy, Freud und Christian Ulmen.

Herr Zischler, man kennt Sie als Darsteller distinguierter Personen. Jetzt spielen Sie in einer Comedy-Serie einen ziemlich kaputten Vater, der in der Küche seines Sohnes sitzt und telefonisch Nutten bestellt.

Es ist hoffentlich eine andere Seite von mir, da will ich Ihnen gar nicht widersprechen. Eine unfreiwillig komische Rolle, wenn es so was überhaupt gibt. Das interessiert mich. Man kann Komödie spielen, wo die Gags geradezu ausgearbeitet werden und Pointen platzen. Oder man ist in einer Rollenkonstellation, die konstruiert komisch ist.

Wie das seltsame Paar in „Dr. Psycho“.

Das sind verkehrte Verhältnisse: Der Vater zieht beim Sohn ein und benimmt sich wie ein ungezogener Sohn. Und der Sohn kann gar nicht anders, als diesen Vater zu akzeptieren, weil er Psychologe ist. Er versteht ja alles, auch diese Perversionen. Das hat mir sehr gefallen.

Waren Sie selber mal beim Psychologen?

Beim Psychologen? Nein.

Einer Ihrer Lieblingsschriftsteller, Vladimir Nabokov, stand auf Kriegsfuß mit Freud.

Das stimmt. Aber mehr wegen der mechanistischen Form der Psychoanalyse. Ich habe einen großen Vorbehalt gegenüber der Deutungsinflation. Wenn sich jemand heutzutage verspricht, ist es üblich geworden, ihm mit dem Schlagwort „Fehlleistung“ eins auszuwischen. Diese scheinbar schlaue Haltung, dieses Nachweisen, wie jemand vermeintlich tickt – das widerstrebt mir zutiefst.

Das macht der „Dr. Psycho“ Max Munzl alias Christian Ulmen die ganze Zeit.

Das ist gut von Ralf Husmann geschrieben und von Ulmen wunderbar schnoddrig gespielt. Und dann diese Konstellation: ein Psychologe unter bierernsten Fahndern. Leuten mit schweren Macken. Die größte Macke hat der Psychologe.

Ihnen scheint das Ganze sichtbar Freude gemacht zu haben. Mögen Sie Ulmens Art, die liebenswerte Nervensäge? Haben Sie seine Karriere verfolgt?

Ulmens „Herr Lehmann“ hatte ich gesehen. Wir kannten uns vorher nicht, haben uns am Set aber sehr gut verstanden. Das sind zwei Sekunden, da weiß man, ob’s geht oder nicht.

Wird Hanns Zischler mit „Dr.Psycho“ und Ulmen jetzt zum Vollblutkomiker?

Wohl kaum. Ich hatte ja darauf gewartet, auch mal komische Rollen angeboten zu bekommen. Nicht immer diese zwielichtigen Gentlemen, mit Revolver in der Tasche. Andererseits, bei „Kir Royal“ konnte ich diese Seiten ja schon mal zeigen. Eine der gelungensten Fernseharbeiten übrigens nach wie vor. Kompakt, sehr frech und verrückt für damalige Verhältnisse. „Dr. Psycho“ ist sicher eine andere Welt, hat aber ein bisschen was von dieser Frechheit, an Dinge nah ran zu gehen. Konflikte zuzuspitzen und komisch aufzulösen. Für eine zeitgenössische Fernsehserie ziemlich ungewöhnlich.

Und das in einem Privatsender.

Ich habe da keine Berührungsängste. Es wäre völlig absurd, zu sagen: Ich dreh’ nur im ZDF. Ich bin froh darüber, dass Privatsender solche Serien machen. ARD und ZDF hätten da so viel mehr Mittel. Vielleicht denken die nur an die Generation 60plus. Es gibt offensichtlich so eine Art von eingeschliffener Unterforderung. Man bedient immer nur das niedrigere Niveau, weil es scheinbar die sichere Nummer ist. Das halte ich für fatal. Sie bekommen ihre Einschaltquoten ohnehin, wenn sie Sport übertragen oder die inflationären Talkshows.

Oder TV-Comedy. Da gibt es Mario Barth, Hans-Werner Olm, Paul Panzer …

Ich kenne die fast nicht. Ich gucke so wenig Fernsehen, wahllos höchstens mal nachts im Hotel.

Was schalten Sie gezielt ein?

Filme auf Arte. Ausländische Produktionen wie „Extras“ auf Super RTL. Eine großartige, bitterböse englische Comedy-Serie im Statistenmilieu.

Aber so schlecht kann deutsche Fernsehunterhaltung nicht sein. Harald Schmidt?

Habe ich neulich mal gesehen. Mit Herrn Pocher? Das war auf eine unangenehme Weise uninteressant. Klugheit ist ja kein Wert für sich, sondern auch eine Frage der Sittlichkeit. Was man tut oder besser nicht tut.

Die „Lindenstraße“ …

… muss ich mir in „Dr. Psycho“ anschauen. Privat habe ich die noch nie gesehen.

Und wenn Ihnen Geißendörfer dort eine Gastrolle anbieten würde?

Nur, wenn Harry Rowohlt mitspielt.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.

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