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Interview: „Donald ist mein heiliger Gral“

Jan Gulbransson ist Deutschlands einziger Duck-Zeichner. Ein Gespräch darüber, wie Enten fett werden, über Micky Maus und den wahrhaftigen Mark Twain.

Herr Gulbransson, was macht eine Ente zu einer „guten Ente“, sprich zu einem Duck?

Genau genommen hängt alles davon ab, ob man mit Carl Barks (der geistige Vater von Donald und Co.; d. Red.) sozialisiert worden ist oder nicht. Fast alle Enten, die Barks je gezeichnet hat, sind toll.

Und wie werden Ihre Enten fett?

Comicfiguren unterliegen gemeinhin einer Grundkonstruktion mit einer Kugel als Kopf. Stellen Sie sich einen Äquator vor und einen Längsgrad, der in der Mitte zwischen den Augen durch läuft, und einen weiteren für die Ohren, der im 90-Gradwinkel verläuft. Mit den Schnittpunkten der drei Linien haben Sie eigentlich einen guten Bauplan für die Figuren...

... klingt recht simpel...

Wäre es auch, wenn es auch bei den Enten so funktionieren würde. Tut es aber nicht. Bei den Enten liegen die Schnittpunkte der Linien nicht wirklich dort, wo man sie gerne hätte. Das ist das eine Problem. Das zweite ist der Schnabel, der eine geschwungene, fast jugendstilähnliche Form hat. Bei Micky ist die Nase ein Ei und bei Goofy sind es drei Eier ineinandergestapelt. Bei Donalds Schnabel geht das aber nicht. Und das ist das Problem, mit dem Anfänger oft nicht zurechtkommen. Es gibt schlichtweg keine vernünftige Grundkonstruktion.

Inspiration ist also mindestens so wichtig wie Technik?

Absolut. Es geht darum, den Charme und die Persönlichkeit einer Figur zu vermitteln, Mimik und Körpersprache müssen stimmen. Erst hier zeigt sich das besondere Können des Zeichners. Um aber überhaupt so weit zu kommen, muss man erst einmal das Handwerk beherrschen.

Ihnen wurde dieses Handwerk in gewisser Weise in die Wiege gelegt, Ihr Großvater Olaf Gulbransson galt als einer der ganz großen Karikaturisten seiner Zeit.

Das stimmt nur bedingt, weil mein Großvater zwar ein großartiger Zeichner war, Comics aber gar nicht kannte. In den 50er Jahren, in denen ich aufwuchs, galten Comics als Unkultur. Den Begriff „Comic“ selbst gab es noch gar nicht, vielmehr sprach man von „Schundliteratur“ oder „Schundheften“.

Wie sind Sie dann mit Comics in Berührung gekommen, unter der Bettdecke, wie viele andere Kinder zu dieser Zeit?

Meine Eltern waren für die damalige Zeit ziemlich tolerant. Sie haben Comics zwar nicht gerne gesehen, aber ich habe wegen der Comics keinen Kleinkrieg mit meinen Eltern führen müssen. Erst, wenn ich mich komplett bescheuert aufführte, wurden als Strafmaßnahme die Comics weggeschmissen.

Welche Comics waren das, die sanktioniert wurden?

Mein heiliger Gral waren die „Micky-Maus-Hefte“ und darin vor allem die Donald-Geschichten. Auch „Lucky Luke“ und viel später, 1969, Robert Crumb waren für mich Initiationserlebnisse.

Comics als Initiationserlebnis: Das trifft auf viele Kinder zu, aber nur die wenigsten werden selbst Comickünstler.

Zum einen habe ich schon als Kind ständig Comics gezeichnet. Comiczeichner war immer mein Traumberuf. Von dem glaubte ich aber, dass er nur ein Traum bleiben würde. Doch dann habe ich 1968 – ich war damals noch an der Schule – für verschiedene Kindersendungen im Fernsehen Handpuppen mit Knautschgesichtern entworfen, ähnlich den späteren „Muppets“. Dass ich nach dem Abitur an die Kunstakademie gewechselt bin, war eher, um mich irgendwo zu parken. Während der Studienzeit habe ich dann alle möglichen Jobs angenommen, möglichst solche, die in meinem Bereich lagen. So landete ich für acht Jahre in einem Zeichentrickstudio. Damals habe ich mit der Arbeit an einem eigenen Comic, beziehungsweise an einer Mischung aus Kinderbuch und Comic, begonnen, ähnlich den bekannten „Pixi“-Büchern.

Wie gut können Sie damit leben, dass Donald zwar der große Held Ihrer Kindheit ist, aber eben nicht ihre eigene Figur?

Eigentlich zeichne ich Donald sogar am liebsten, gerade weil es keine eigene Figur ist. Wenn ich eigene Figuren zeichne, bestimme ich die Regeln selbst. Bei Donald dagegen gibt es eine Messlatte. Das ist wie bei einem Schreiner. Wenn dessen Tisch abends steht und nicht wackelt, geht er zufrieden ins Bett. Ähnlich ist das beim Donald-Zeichnen. Man weiß, was man gemacht hat, und geht zufrieden ins Bett. Im Übrigen halte ich Donald für die vielschichtigste Figur, die es in der ganzen bunten Comicwelt gibt. Kurz gesagt: Donald zu zeichnen macht glücklich.

Stichwort „vielschichtig“: Die Ducks sind also alles andere als Kinderkram?!

Absolut! Weil ich meine Geschichten meist auch selbst schreibe, sind es Geschichten, die mich auch als Erwachsener interessieren. Ich lese nach wie vor gerne alte Barks-Geschichten. Weil er ein toller Zeichner war, vor allem aber, weil er der beste Autor war, den ich im Comicbereich jemals gelesen habe. Schon als Kind habe ich nur zwei Autoren Wahrhaftigkeit zugestanden, Carl Barks und Mark Twain. Nur bei diesen beiden hatte ich das Gefühl, dass da jemand wirklich über das Leben schreibt und dabei vor allem nicht lügt.

Nicht so bescheiden, immerhin sind Sie als einziger Deutscher in der „Hall of Fame“ der besten Entenzeichner vertreten.

Okay, aber das ist ein Wettrennen, in dem keiner mitläuft. Ich bin der einzige in diesem Land, der Donald-Geschichten schreibt und zeichnet. Es gibt noch einen anderen deutschen Zeichner, einen guten Freund von mir, der auch für Disney tätig ist. Der war zehn Jahre Artdirector bei Disney in Paris und ist inzwischen selbstständig. Der Unterschied: Er ist Disney-Zeichner, ich bin Donald-Zeichner.

Ihre letzten Entengeschichten sind schon einige Jahre alt, wie geht es mit Ihnen und Donald weiter?

Tatsächlich hatte ich eine fast zehnjährige Disney-Pause, jetzt muss ich bis zum Sommer aber hundert Donald-Seiten abliefern. Seit Dezember habe ich sechzehnstündige Arbeitstage. Donald beschäftigt mich wieder rund um die Uhr.

Das Interview führte Andreas Koetter.

Jan Gulbransson, geboren 1949 in München, arbeitet als Puppenerfinder („Das feuerrote Spielmobil“) und Illustrator (BertiHefte). Seit Mitte der 80er Jahre zeichnet er Duck-Geschichten.

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