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Michael Mittermeier

© ddp

Interview: "Er muss schwitzen"

Michael Mittermeier weiß nach 20 Bühnenjahren, wann ein Comedian gut ist.

Herr Mittermeier, Sie stehen seit 20 Jahren als Comedian auf der Bühne. Hat Sie der Applaus süchtig gemacht?

Es war gar nicht der Applaus. Es war eher das Gefühl, oben auf der Bühne zu stehen. Da habe ich gemerkt, dass ich ganz nah bei mir war. Wie ein Maler malt, ist Humor meine Form der Kunst. Ich drücke mich aus, indem ich schreie, Geschichten erzähle und herumhüpfe. Aber natürlich ist es geil, wenn da unten Leute sitzen, die klatschen und lachen. Da spüre ich eine tolle, positive Energie.

Dürfen Sie als Stand-up-Comedian nur spontane Witze machen oder ist ein vorgefertigtes Programm erlaubt?

Die Show so aussehen zu lassen, als ob mir alles gerade spontan einfällt, ist die große Kunst. Wenn ich in einer Halle mit 3000 Leuten auftrete, dann kann ich nicht einfach sagen: Mal schau’n, was passiert. Wie eine Band ein Repertoire an Songs hat, habe ich als Comedian ein festes Programm – und zwar eins, bei dem die Leute auch ohne spontane Einlagen anschließend sagen: Boah, war das geil. Aber ich habe immer Stellen, wo ich aus dem Programm aussteige, etwas Aktuelles mache und auf das Publikum eingehe.

Haben Sie manchmal Angst, dass Ihnen kein spontaner Witz einfällt?

Nein. Ich bin ja keine Maschine. Die Leute beurteilen, ob das ganze Paket geil war oder nicht. Es ist wurscht, wenn manche Witze nicht funktionieren. Außerdem ist es auch gut, wenn Dinge auf der Bühne schiefgehen. Sonst hätte ich keine Fallhöhe mehr.

Guter Humor lebt vom Nichtperfekten.

Nein, das kann man so nicht sagen. Ich bin da schizophren, ein anarchischer Perfektionist. Ich habe viele Nummern im Programm, an denen ich bis aufs Komma feile und die ich bis aufs Komma spiele. Trotzdem klinke ich mich nach einer solchen Nummer aus und mache das, was mir gerade einfällt. Die fertige Nummer und die spontane Nummer stehen bei mir nebeneinander.

Gab es mal eine Situation, in der Sie die Leute nicht gut unterhalten haben und ins Schwitzen gekommen sind?

Ganz früher hatte ich das einmal. Das war noch vor 1987, als ich richtig gestartet bin. Es war die falsche Location, und es war das falsche Publikum. Ich habe zu denen dann gesagt, „ihr mögt mich nicht, und ich mag euch nicht“. Da bin ich gegangen, es gab einen Riesenapplaus. Ich bin mit Respekt von der Bühne gegangen, das ist wichtig. Trotzdem war es ein prägendes Erlebnis. Danach habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder die Bühne verlasse, ohne dass ich die Leute zum Lachen bringe.

Eine Initialzündung?

Nein, dafür hatte ich damals schon zu viel gemacht. Ich bin mit meiner Gitarre durch die Fußgängerzonen getingelt. Wer in der Fußgängerzone gespielt hat, weiß: Härter geht es nicht mehr. Menschen anzusprechen, die vier Plastiktüten schleppen. Hey, darf ich euch mal unterhalten. Wenn man diese harte Ochsentour gemacht hat, da kann dir als Comedian nix mehr passieren.

Warum muss man diese Ochsentour gemacht haben, um ein guter Comedian zu sein?

Ein guter Comedian muss sich richtig abspielen, der muss vor seinem Publikum schwitzen. Erst dadurch entwickelt er seine Persönlichkeit, seinen Stil. Niemand wird auf lange Sicht Erfolg haben, wenn er eine Show im Fernsehen bekommt, nur weil er zweimal etwas Lustiges gesagt hat. Das kann nur ein Flop werden. Ein halbes Jahr später kennt keiner mehr seinen Namen.

Überrascht es Sie manchmal selbst, wie blöd Sie aussehen können, wenn Sie sich ihre aufgezeichneten Shows ansehen?

Ja, da lache ich oft sehr über mich selbst. Als ich das erste Mal gesehen haben, wie ich die Pornodarstellerin Dolly Buster nachmache, dachte ich: Mann, siehst du scheiße aus.

Ihr Kollege Mario Barth ist sehr erfolgreich, kürzlich hat er das Berliner Olympiastadion ausverkauft. Sind Sie neidisch auf ihn?

Nein, wieso sollte ich? Ich mache meinen Job seit 20 Jahren und bin heute noch so erfolgreich wie vor zehn Jahren. Im Gegenteil freut es mich sogar, dass viele junge Comedians nachkommen. Da gibt es viele schräge Typen, die auf die Bühne gehen, weil sie sonst zum Psychiater müssten. Comedy hat es immer gegeben und wird es immer geben. Und vor allem die Livekultur in Deutschland mit Comedy, Kleinkunst und Kabarett ist eine sehr, sehr gute!

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

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