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Sendertreue. Die neue ARD-Vorsitzende Monika Piel ist ein WDR-Gewächs. Seit über 30 Jahren arbeitet sie in Köln. Foto: WDR

© WDR/Herby Sachs

Interview: „Gebühren senken wäre auch mal toll“

Die neue ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel über Günther Jauch, Talk-Ärger, teure Fußball-Rechte und gewisse Ähnlichkeiten mit Emma Peel

WDR-Intendantin Monika Piel, geboren 1951 in Bensberg, ist seit dem 1. Januar die neue Vorsitzende der ARD und Nachfolgerin von Peter Boudgoust (SWR). Damit übernahm erstmals eine Frau den Posten, der turnusmäßig alle zwei Jahre mit einem anderen Senderchef besetzt wird.

Piel arbeitete bereits während des Studiums der Betriebswirtschaft für den WDR, beispielsweise als Assistenz beim „Internationalen Frühschoppen“. 1997 wurde sie Chefredakteurin, Ende 1997 Hörfunkdirektorin des WDR. Sie übernahm am 1. April 2007 als WDR-Intendantin die Nachfolge von Fritz Pleitgen.

Frau Piel, im Oktober haben WDR-Mitarbeiter anonym ein Plagiat der WDR-Hauszeitung herausgebracht. Eine Fotomontage zeigt Sie als Emma Peel, die schlagkräftige Dame aus der 60er-Jahre-Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“.

Vor 30 Jahren war das sozusagen mein zweiter Name. Alle haben Emma zu mir gesagt.

Was kann man von Emma Peel lernen, wenn man Vorsitzende der ARD wird?

Charme kann nie schaden. Es ist eben eine ganz große Kommunikationsaufgabe. Man muss viele föderale Interessen unter eine Melone bringen.

Zum Beispiel bei der jüngsten Reform des Ersten Programms: Stört eigentlich dokumentarisches Fernsehen in der Primetime?

Die Primetime ist nicht immer die beste Zeit für Dokumentationen, weil die Konkurrenz auf anderen Kanälen zu stark ist. Aber da Dokus eines unserer wichtigsten Angebote überhaupt sind, können die überhaupt nicht stören.

Einer von zwei Plätzen wurde gestrichen.

Man muss sich an die Fakten halten und nicht daran, was die Dokumentarfilmer jetzt unter die Menschheit bringen. Fakt ist: Es wird nicht eine einzige Doku im Mengengerüst weniger geben.

Aber zu ungünstigeren Zeiten.

Die Zeiten sind möglicherweise gar nicht ungünstiger. Außerdem wird der Naturdoku-Platz am Montag, 20 Uhr 15, für aktuelle politische Stücke geöffnet. Wenn etwas genau dorthin gehört, wird es nie daran scheitern, dass es keinen Sendeplatz bekommt.

An fünf Abenden Talkshows: Schaffen Sie im Ersten damit nicht eine Art Monokultur im Bereich Information?

Nein. Wir stellen bei allen vier zurzeit laufenden Talkshows eine steigende Akzeptanz beim Publikum fest. Es gibt da eine große Bandbreite an Themen, und wir können dadurch viele Leute erreichen, die sich mit diesen Themen in Dokus und anderen Informationssendungen nicht auseinandersetzen. Im Talk tun sie es.

Für den populären Zugang aus dem Privatfernsehen, Günther Jauch, gab es einen festen Platz, den Sonntagabend. Andere Talkmaster wurden dann hin und her geschoben. Anne Will kritisierte die „monatelange Hängepartie“ und sagte: „Das konnte man besser machen“.

Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Das Ganze wird erst im Oktober umgesetzt. Ich kenne auch Stimmen, die sagen: Warum habt ihr euch nicht noch etwas Zeit gelassen

Dagegen wird Harald Schmidt die ARD verlassen und zu Sat 1 wechseln. Wie groß ist Ihr Bedauern?

Sehr groß. Ich war immer ein Harald-Schmidt-Fan, aber er hat von Sat1 ein großartiges Angebot bekommen.

Hatten Sie nicht den Eindruck, dass seine Zeit vorüber ist?

Dieses Format hätte es nicht in alle Ewigkeit sein müssen. Aber Harald Schmidt hat sich für mich im Ersten absolut nicht überlebt. Ich würde mir wünschen, dass er irgendwann wieder zurückkommt.

Ab 2013 soll es mit dem geräteunabhängigen Beitrag, einer Abgabe je Haushalt, ein neues Gebührenmodell geben. Was heißt das für die nächste Gebührenrunde?

Wir gehen davon aus, dass der Beitrag 2013 und 2014 der jetzigen Gebührenhöhe entsprechen wird. Ab 2015 werden wir wissen, wie sich das neue Beitragsmodell auswirkt. Auf gar keinen Fall wird das Geld auf uns herabregnen, und wir kassieren das einfach ein. Das ist völliger Blödsinn. Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, d.Red.) stellt einen Bedarf fest, und nur dieser Bedarf wird auch finanziert. Wenn die Beitragseinnahmen höher wären als dieser Bedarf, würde der Beitrag gesenkt. Das wäre ja auch mal toll.

Das würden Sie befürworten?

Aber natürlich. Nur: Nach den Berechnungen der GEZ werden die Zusatzeinnahmen nicht so hoch sein. Wir hoffen, dass wir die Gebühren-Einnahmen auf dem Niveau von 2009, also bei etwa 5,4 Milliarden Euro für die gesamte ARD, stabilisieren können.

Teure Sportrechte sind eine gute Möglichkeit zu sparen. Ist die Bundesliga-„Sportschau“ für die ARD unverzichtbar?

Ja. Spitzenfußball ist genau das, womit wir junges Publikum erreichen. Da könnten wir bekanntlich noch etwas besser dastehen.

Sie haben sich kürzlich mit Springer-Chef Mathias Döpfner getroffen. Welche Erkenntnisse haben Sie mitgenommen?

Ich stimme mit ihm darüber ein, dass die Verlage nicht umhinkommen werden, Geld für Inhalte im Internet zu nehmen. Man will weiter guten und damit teuren Journalismus liefern und gibt den im Internet kostenlos ab. Ich glaube nicht, dass diese Rechnung aufgehen kann.

Die „Tagesschau“-App ist kostenfrei.

Ja, aber ich habe zugesagt: Wenn die Verlage ihre Apps kostenpflichtig anbieten, dann werde ich meine ganze Kraft daransetzen, das in der ARD durchzusetzen.

Die Verleger sind der Ansicht, dass es solche kommerziellen Angebote eines gebührenfinanzierten Marktteilnehmers nicht geben sollte. Gibt es Einigungsmöglichkeiten?

Momentan nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass wir unsere Zuschauer auf allen Wegen erreichen dürfen. Nach den Dreistufentests haben wir beim WDR 80 Prozent unserer Online-Inhalte gelöscht. Dieses Verfahren ist den Verlegern unendlich entgegengekommen, wir tun nichts im Internet, was den Markt verzerren könnte. Große amerikanische Konzerne wie Google greifen dagegen mit sehr geschickten Mitteln ab, was wir alle hier in Deutschland, auch die Verlage, mit hohen Kosten ins Netz stellen, bringen es auf ihre Plattformen und verdienen damit Geld. Das kann doch nicht wahr sein. Da müssen wir als Inhalte-Anbieter zu einer Allianz kommen, anstatt uns kleinlich zu streiten.

Klingt nach einer Initiative, die Sie als neue ARD-Vorsitzende ergreifen möchten.

Das ist mir ein großes Anliegen. Und mir ist auch ein sehr ernsthaftes Anliegen, dass die Verlage stark bleiben sollen. Das hört sich vielleicht etwas pathetisch an, aber am Ende geht es dabei um das Überleben der Demokratie. Ich bin mir nicht sicher, was mit der repräsentativen Demokratie in Zukunft passieren wird, auch ausgelöst durch das Internet. Werden es die Leute überhaupt noch akzeptieren, dass die von ihnen gewählten Vertreter für sie entscheiden? Wir haben da als Journalisten ziemlich große Aufgaben.

Das Gespräch führte

Thomas Gehringer.

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