zum Hauptinhalt
Ansiedlung ermöglichen, Abwanderung verhindern. Elmar Giglinger hat klare Vorstellungen für den Medienstandort.

© MTV

Interview: "Kämpfen wie die Löwen"

Der "Song Contest" in Düsseldorf? Das kann nicht sein. Der neue Medienboard-Chef Elmar Giglinger im Gespräch.

Herr Giglinger, wenn Sie jemand fragt, was Sie als Chef des Medienboards Berlin-Brandenburg den lieben, langen Tag so machen, was würden Sie antworten?

Berlin-Brandenburg ist einer der interessantesten Medien- und Kreativwirtschaftsstandorte Europas. Unser Job ist es, diese Position zu stärken und auszubauen: durch Förderung, Beratung, Kommunikation, Branchenvernetzung. Ein Umfeld zu schaffen, in dem Unternehmen sich wohlfühlen und gut zu tun haben. Damit niemand auf dumme Gedanken kommt.

Dumme Gedanken?

Im schlimmsten Fall der Abbau von Arbeitsplätzen oder sogar ein Wegzug. Aber wir denken offensiv. Es geht um den Ausbau des Medienstandortes, nicht nur um das Halten des Status quo.

Wie schafft man ein Wohlfühlklima? Mit viel Geld, mit guten Worten?

Ein derart kreatives Umfeld finden Sie sonst nirgends in Europa. Eine sehr gute Voraussetzung. Aber natürlich spielen auch attraktive Förderungs- und Finanzierungsinstrumente eine Rolle, wie Berlin-Brandenburg sie bietet.

Wenn alles schon so toll ist, wozu braucht es dann noch Ihr Medienboard?

Wir verstehen uns als zentrale Anlaufstelle für Medienunternehmer, also auch als Serviceagentur. Neben Förderung und Marketing geht es um konkrete praktische Beratung oder ganz schlicht darum, einen Unternehmer mit dem richtigen Partner zusammenzuführen.

Sind Sie eine Art lieber Onkel oder spielt das Medienboard auch ökonomisch eine Rolle?

Wenn das nicht so wäre, gäbe es uns wohl kaum! Nehmen Sie zum Beispiel die Förderung digitaler Inhalte: Wenn wir die Entwicklung von innovativen marktfähigen Projekten für Games, Mobile und Web fördern, sind das Investitionen in Zukunftsbranchen, die natürlich ökonomisch eine Rolle spielen. Darüber hinaus kommen für jeden investierten Fördereuro fünf Euro in die Region zurück.

Seit vier Monaten sind Sie im Amt. Wo brennt es besonders?

Ich sehe keine Branche, die sich zurücklehnen könnte. Nicht einmal der Filmstandort Berlin-Brandenburg, obwohl wir die unbestrittene Nummer eins in Deutschland sind, auch Dank der hervorragenden Arbeit meiner Kollegin Kirsten Niehuus und meiner Vorgängerin Petra Müller.

Und wie sieht es im digitalen Sektor aus? Da boomt es doch wie verrückt.

Das stimmt, Berlin gilt international zurzeit als eine Art Silicon Valley Europas. Für den digitalen Bereich ist vor allem das kreative und sehr IT-affine urbane Umfeld ausschlaggebend. Da sehe ich eine der großen Chancen für die Zukunft: den Ausbau der Hauptstadtregion zum digitalen Zentrum Deutschlands.

Hört sich an, als gäbe es nicht einen wirklichen Problemfall.

Doch, leider. Der TV-Standort Berlin-Brandenburg ist unter Druck. Nicht zuletzt durch den Wegzug von Sat 1 im Jahr 2009. In absehbarer Zeit ist ein Umzug eines großen Senders in die Region unrealistisch. Da heißt es jetzt vor allem, die Produktionswirtschaft zu stärken – und wir müssen Augen und Ohren offen halten. Wenn sich irgendwo eine Tür öffnet, werden wir da sein.

Sie haben fünf Millionen Euro pro Jahr für das Standortmarketing zu vergeben. Nicht viel, aber immerhin. Was wäre, wenn Sie kein Geld zu vergeben hätten? Stünde Ihr Telefon dann still?

Viele Projekte kommen auch ohne den Lockstoff Fördergeld. Denn wir vernetzen die Branchen, untereinander und mit der Politik, unterstützen die Ansiedlung, sind bei den wichtigen internationalen Medienmessen – wie MIPTV und MIPCOM in Cannes und der Gamescom in Köln. Veranstaltungen wie die re:publica, die medienwoche@IFA oder die Deutschen Gamestage diskutieren die relevanten Branchenthemen in der Hauptstadtregion – alles Aspekte unserer Arbeit neben der Förderung.

Wer wendet sich an wen? Gehen Sie auf die Unternehmen zu oder kommen die zu Ihnen?

Es ist ein Dialog und keine Einbahnstraße. Wir arbeiten aber auch eng mit den anderen Institutionen am Standort zusammen. Die einzelnen Fäden zu einem ganzen zu verbinden, das ist eine der Aufgaben des Medienboards.

Sie fördern diverse Projekte und Firmen, Tausende von Anfragen erreichen Sie, Ihre Presse- und andere Mitteilungen werden 30 Milliarden Mal im Jahr angeklickt, wenn wir Ihrem Jahresbericht 2009 glauben dürfen. So viel Bewegung, man sollte meinen, wir stehen vor einem goldenen Medienzeitalter.

Das könnte durchaus so sein, zumindest, was die Dynamik und Entwicklungsgeschwindigkeit der Medien betrifft. Eine unglaublich spannende Zeit für alle Medienschaffenden. Der ganze Bereich ist in ständiger Bewegung, die Mediennutzung hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Prognosen sind deshalb schwierig, ob das, was heute richtig erscheint, auch in drei Jahren noch gelten kann.

Blicken Sie durch oder stochern Sie auch im Nebel?

Wir sind im ständigen Austausch mit Medienunternehmern, national und international. Das ergibt ein ziemlich gutes Bild. Außerdem werden wir verstärkt Studien durchführen, um belastbare aktuelle Daten zum Standort Berlin-Brandenburg zu ermitteln, etwa zur digitalen Kreativwirtschaft. Die Ergebnisse werden an der einen oder anderen Stelle sicherlich auch Einfluss auf die nächsten Schritte in der Standortarbeit haben. Weniger Bauch und mehr Kopf, wenn Sie so wollen.

Google Deutschland ist: nicht in Berlin. Facebook Deutschland ist: nicht in Berlin. Was tun?

Dafür sind hier StudiVZ, Ebay, Gameduell … Nirgends in Deutschland wurden in den letzten Jahren mehr Socialmedia-Start-ups gegründet. Und übrigens hat Google seit Mai 2008 ein Büro in Mitte. Aber ich verspreche Ihnen: Wir werden in diesem Bereich weiter hart arbeiten.

Als ehemaligen MTV-Mann muss es Sie doch mehr als wurmen, dass der „European Song Contest“ nach Düsseldorf gegangen ist und nicht in die selbsternannte Musikhauptstadt.

Den hätten wir schon sehr gerne in Berlin gehabt. Aber die Entscheidung ist gefallen, als ich noch nicht im Amt war.

Und wenn Sie im Amt gewesen wären, dann ...?

Natürlich gehört eine solche Veranstaltung nach Berlin, und ich hätte gerne mitgeholfen, dies zu realisieren. Aber das ist, von außen betrachtet und ohne die Details zu kennen, auch einfach zu sagen.

Sie hätten jedenfalls gekämpft wie ein Löwe?

Absolut. Aber das ist erst mal Schnee von gestern. Lassen Sie uns nach vorn schauen: Morgen startet die Berlinale, im März ist „Echo“, im April der Deutsche Filmpreis …

Verraten Sie uns Ihr Ziel für die nächsten Jahre?

Das Profil der digitalen Hauptstadtregion weiter zu schärfen, national und international. Hier haben wir gerade eine unheimliche Dynamik am Standort. Die Hauptstadtregion als digitales Zentrum der Republik, das ist eine Zielsetzung. Darüber hinaus gilt es, den TV-Standort zu stabilisieren und den Filmstandort als Nummer eins im Bundesgebiet weiter fest zu etablieren. Ganz konkret werden wir außerdem Service, Beratung und Dienstleistung für Medienunternehmer deutlich ausbauen.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Elmar Giglinger, geboren 1965 in Kempten/Allgäu, absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft. Nach einer weiteren Ausbildung zum Hörfunkjournalisten und verschiedenen Stationen im Radiobereich wurde er 1991 CvD bei Radio NRW. Ab 1993 arbeitete er als Studioleiter in Düsseldorf für die Deutsche Fernsehnachrichten Agentur. Ende des Jahres wechselte er als Redakteur/Producer zu Viva TV.

Ab 1998 fungierte er als Programmdirektor bei Viva Zwei. Zwei Jahre später wurde Giglinger Programmdirektor von MTV Networks Central Europe. Nach der Akquisition der Viva Medien AG leitete er die Musiksender MTV und Viva TV in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit Ende 2007 war er zudem Programmchef von Comedy Central.

Anfang 2009 verließ Giglinger MTV und gründete die EG Media & Music Consulting, die Markenartikler und Medienunternehmer berät.

Seit 1. Oktober 2010 ist Elmar Giglinger Geschäftsführer für den Bereich Standortmarketing Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false