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Gastgeberin Anke Engelke.

© WDR/Melanie Grande

Interview mit Anke Engelke: „Ich will Querdenker“

Anke Engelke hat Zeit für ein Gespräch über gelungenes Fernsehen, Arschgelecke und Glückssuche. Am Samstag läuft wieder ihre neue Kulturshow "Anke hat Zeit".

„Anke hat Zeit“ – was ist das für ein Show-Konzept, für ein Flair: eine Geburtstagsparty, die Entdeckung der Gemächlichkeit? Viele sagen doch, bloß keine weitere Talkshow mehr.
Das ist viel weniger Konzept, viel weniger starr, als man denken würde. Viele Faktoren spielen eine Rolle: der Raum, der Kölner Stadtgarten, das Licht, die Tageszeit, die Zuschauer im Saal, die Gäste. Fast kommen die Gäste an letzter Stelle. Wir bereiten allen ein Bett. Wir bereiten alles vor, können dann aber doch komplett loslassen.

Inwiefern?
Ich kann es gar nicht genau erklären. Die zweite Sendung ist zum Beispiel noch spröder, mühsamer geworden, vielleicht, ohne das zu wollen. Man kann da jedenfalls nicht einfach so als Zuschauer wegdämmern. Klar, es muss auch Fernsehen geben, was nebenbei läuft. Ich mag aber Fernsehen gern, das den Zuschauer fordert. Ich binde den Zuschauer mit ein in diesen Prozess.

Vielen ist das zu mühsam.
Sicher nicht dem durchschnittlichen WDR-Zuschauer. Von dem Wort „Abschaltimpulse“ habe ich mich total gelöst. Wenn ich eine Menge Menschen kenne, denen gefällt, was wir da machen, dann muss mir das reichen. Ich möchte ja meinen Geburtstag auch nicht mit 500 Leuten feiern. Und dann ist das ja auch ein harter Sendeplatz, am späten Samstagabend. Ich weiß gar nicht, wie viel Zuschauer die erste Sendung gesehen haben. Den Quoten misstraue ich sowieso.

Aber nicht der WDR. Viele befürchten, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht mitkriegt, was für ein Potenzial er hat.
Natürlich bin ich nicht so naiv zu sagen, es ist mir egal, wenn nur zehn Leute zugucken. Dafür finde ich Fernsehmachen zu interessant, dafür mag ich die Sendung zu sehr.

Wie kann man als Moderatorin, vielleicht mit Lampenfieber, so entspannt sein, wenn man das Studio zur Premieren-Show betritt, die Ansage verzögert, langsam ein Lied singt, „Anke hat Zeit, Anke hat Zeit…“? Sind Beruhigungsmittel im Spiel?
Nein, ich nehme gar nichts. Die Idee war, mit diesem Intro ein anderes Tempo vorzugeben. Das ist fast ja schon eine Provokation. Die wirkt. Viele Zuschauer haben danach sinngemäß gesagt: Ich habe noch nie ans Fernsehen geschrieben. Jetzt muss ich das tun. Die Sendung hat mich ausgebremst, das habe ich genossen.

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Ihre Idee vom gelungenen Fernsehen?
Die Chance zu nutzen, die dieses Medium hat: Menschen mal kurz rauszureißen. Das möchte ich vom Fernsehen. Für mich ist „Anke hat Zeit“ ja immer noch ein Projekt, wegen der losen Reihung, die auch eine gewisse Unverbindlichkeit hat. Gerade weil Helge Schneider den Staffelstab bereits nach zwei Sendungen übergeben hat. Ich hätte ja den Titel gut gefunden: „Helge hat keine Zeit, aber Anke“. Wenn ich aufhöre, hätte es heißen können: ,Helge hat keine Zeit, Anke auch nicht, aber…’“ Bei all den schönen, geglückten Momenten der ersten Ausgabe - wir achten sehr darauf , nicht in Routine zu verfallen. Das ist wie mit dem zweiten Album für eine Band.

Was oder welches Gespräch fanden Sie in der ersten Ausgabe gut, was hat denn nicht so funktioniert? „Anke ist viel weniger schlagfertig als man denkt", hat Ihr Gast Sophie Hunger, die Sängerin, beispielsweise gesagt.
Das war doch ein großartiger Moment. Eine Sternstunde, kein Arschgelecke, nicht diese ganzen Bremsen, die man im Fernsehen sonst im Kopf hat.

Sie haben da auf jeden Fall Gäste, die man nie oder selten im Fernsehen sieht. Sind das wirklich nur Künstler, die Sie selber spannend finden, wie Carolin Peters, Sol Gabetta oder Tanita Tikaram?
Ja, und ich habe bei der ersten Sendung bei den Leuten im Raum diesen Gedanken gespürt: „Häh, die Sängerin Lianne La Havas kenne ich nicht, aber die ist ja mal toll.“ Jetzt haben wir zum Beispiel Fabian Hinrichs und Moritz von Uslar eingeladen. Das sind Querdenker vor dem Herrn. Die Gespräche waren so anstrengend. Ich will genau solche Typen haben, wo ich zwei Minuten mit offenem Mund da hänge und vielleicht nichts verstehe.

Sie schwärmen von Ihren Gästen.
Völlig, völlig. Ich stand da vor Lianne La Havas und dachte, das kann doch nicht wahr sein. So schön, so lässig und wie gut die singt und wie die die Gitarre hält. Hammer.

Wen würden Sie gerne noch in der Show haben wollen?
Maria Lassnig. Aber die geht bestimmt nicht mehr gern auf Reisen. Oder Christoph Waltz. Aber seine Agentur schrieb, er hat keine Lust auf deutsches Fernsehen. Spitzenabsage, Respekt.

Sie beweisen mit diesem Format ihre Wandelbarkeit. Was ist Ihnen am liebsten: Moderationen wie bei der Berlinale oder beim Fernsehpreis, Schauspielerei wie in „Ladykracher“, „Blind Date“ oder auch „Kommissarin Lucas“?
Das kann ich gar nicht sagen. Jetzt drehe ich erst mal einen Kinderfilm fürs Kino. Und wir sind gerade fertig mit einer Reportage zur ARD-Themen-Wochen-Reihe „Zum Glück“. Ich bin anderthalb Jahre herumgereist. Dieses Projekt liegt mir sehr am Herzen. Aber wenn da plötzlich Anke Engelke im Wohnzimmer steht oder auf der Straße, erlebe ich eine Erwartungshaltung bei den Interviewten und den Zuschauern.

Welche Erwartungshaltung?
„Na toll, das ist doch die Ulknudel, die Ex-Comedyqueen.“ Ich komme mir überhaupt nicht vor wie eine Journalistin. Im Zweifel bin ich da Privatmensch mit einem Schauspielhintergrund. Und dann ist das ein ganz unwegsamer Film geworden, wo ich auf der Kinderkrebsstation in Essen hängen geblieben bin. Dort habe ich ein dreitägiges Praktikum gemacht.

Haben Sie denn dabei das Glück gefunden?
Ich habe auf dieser Station von der Mutter eines leukämiekranken Kindes etwas gelernt: Glück erkennt man erst, wenn’s einem genommen wird. Die Arbeit an dieser Reportage hat bei mir wie noch nie nachgewirkt, Einzug gehalten in meinem Job, in meiner Familie. Seltsam, dabei bin ich total unspirituell.

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