zum Hauptinhalt
Christian Rach ist künftig auch auf ZDFneo zu sehen.

© Steven Haberland

Interview mit Christian Rach: "Den Stempel ,Oberlehrer' haben Sie schnell"

Am Samstag startet Sternekoch Christian Rachs neue Sendung auf ZDFneo. Ein Gespräch über das Fernsehen und die "Marke Rach", warum Kochsendungen mehr Realismus benötigen, aber aus dem Medium nicht mehr wegzudenken sind.

"Rach tischt auf", das erste Projekt beim ZDF, floppte. Als nächstes probiert es Sternekoch Christian Rach (57) nach seinem Wechsel von RTL mit dem Dreiteiler "Die Geschichte des Essens" (ab 28. März, ZDFneo, ab 5. April, ZDF). Teils als erzählender Moderator, teils als kochender Zeitreisender in historischen Kostümen führt er durch die Dokumentarreihe aus der populären "Terra X"-Schmiede. Projekt Nummer drei ist in Vorbereitung.

Vor zehn Jahren hat Ihre Fernseh-Karriere begonnen. Was hat das Fernsehen mit Ihnen gemacht?
Christian Rach: Meine Freunde sagen: Gar nichts. Das ist, glaube ich, das größte Kompliment. Ich bin sehr geerdet geblieben, empfinde mich nicht als Star und laufe nicht mit erhobenem Haupt durch die Gegend.

Was haben Sie gelernt?
Ich dachte, man geht raus und darf das reale Leben abbilden. Aber leider ist es oft im Fernsehen, aber auch in der schreibenden Presse so, dass die Macher mit einer Zielsetzung rausgehen und versuchen, die eigene Zielsetzung zu beweisen. Und wenn es acht Mal eine andere Antwort gibt: Es wird nur die eine Antwort, die die Zielsetzung bestätigt, weitergegeben. Dieser Technik habe ich mich in den zehn Jahren erfolgreich widersetzt. Die große Leistung von RTL war, dass man akzeptierte, dass ich beim "Restauranttester" nie nach Drehbuch gearbeitet habe. Das war am Anfang ein schwieriger Kampf, aber dann gab es eine große Unterstützung für diese Haltung. Die Zuschauer haben gespürt, dass die Dinge einfach nur erzählt wurden, wie sie waren.

Sie haben früher mal gesagt, sie vermissen bei den Öffentlich-Rechtlichen die Risikobereitschaft. Wie groß ist sie nun beim ZDF?
Es ist unglaublich schwer. Die Risikobereitschaft ist in der Privatwirtschaft viel weiter verbreitet und fester verankert.

Warum sind Sie dann überhaupt zum ZDF gewechselt?
Wenn Sie zehn Jahre erfolgreich zusammen arbeiten, schleichen sich Blockaden ein. Das ist wie in einer Beziehung zu Hause, man muss es irgendwann aufbrechen.

Aber wieso zum ZDF?
Das ZDF ist ein großer, erfolgreicher Sender. Wir haben uns getroffen und haben die Möglichkeiten ausgelotet.

Nun hat das erste gemeinsame Projekt, "Rach tischt auf", nicht so gut funktioniert. Was ist schief gelaufen?
Erst einmal eine ganz simple Sache: Auf der Bühne mit sieben Kameras zu agieren, muss man einüben. Ich bin da angstfrei, aber vielleicht ist das etwas hölzern geworden. Und dann redeten bei der Gestaltung unglaublich viele Leute mit. Da fand eine große Verwässerung statt. Außerdem fehlte es an Mut, Dinge auszusprechen. Jeden Satz ließ man vorher juristisch durch zehn Anwälte klären.

Mit dem "Restauranttester" hatten Sie so etwas wie eine unverwechselbare Marke. Haben Sie unterschätzt, was es bedeutet, zu wechseln und sich neu zu erfinden?
Es ist natürlich eine große Gefahr, wenn man immer nur mit einer bestimmten Sendung identifiziert wird. Das geht mir heute noch so auf der Straße. Mein Markenkern ist, dass ich Probleme anspreche und damit auch anecke. Aber ich bin keiner, der vernichtet, sondern einer, der aufbaut. Mich wundert vor allem, dass ich als "Fernsehkoch" bezeichnet werde. Ich habe noch nie im Fernsehen in einer Kochsendung gestanden, habe noch nie gesagt: Jetzt muss das Fleisch in die Pfanne.

Wie geht es nun im ZDF weiter?
Ich möchte nur etwas machen, zu dem ich zu hundert Prozent stehen kann. Wir produzieren gerade eine Sendung, bei der wir Existenzgründer vom ersten Tag des Betriebs bis zur Eröffnung begleiten. Es gibt nichts zu gewinnen. Es gibt kein Pappmache, keine doppelten Wände. Acht Millionen Deutsche träumen davon, sich selbstständig zu machen. Wir beleuchten: Was steckt hinter den verklärenden Vorstellungen? Wie groß sind die Schwierigkeiten wirklich? Ist es ein Erfolg, oder wird es ein Alptraum?

Was halten Sie von der These: Früher gab es die "Halbgötter in Weiß" in den Arztserien, aber irgendwann wurden die Köche so etwas wie die neuen Fernseh-Halbgötter, denen man bedingungslos vertraut.
Was die Leute fasziniert, sind Geschichten aus dem Leben. Und Essen und Trinken ist im Lebensmittelpunkt der Menschen angekommen. Es hat einen Stellenwert als kulturelles Gut, in den Medien auch als voyeuristisches Erlebnis, als Schlüssellochgucken: Was kochen die Anderen? Oder als Wettbewerb: Wer ist der Beste? Wir leben alle in Rankings, und so wollen wir es auch beim Essen und Trinken haben. Ein bisschen Dekadenz schwingt da mit, aber von Halbgöttern würde ich nicht sprechen. Essen und Trinken wird in den Medien bestehen. Es werden sich die Gesichter und die Geschichten ändern, aber es wird als mediales Ereignis, sei es in Print oder im Bewegtbild, nicht mehr wegzudenken sein.

Was sollte sich ändern?
Wir brauchen mehr Seriosität. Heute geben Jugendliche als Berufswunsch Fernsehkoch an. Da läuft etwas schief. Kochen oder Servicemitarbeiter ist ein knallharter Beruf, der hohe Ausbildungsregeln hat. Leider haben es viele Unternehmer noch nicht kapiert, dass sie für die Ausbildungsmisere selbst verantwortlich sind. Wenn Auszubildende morgens um acht schon anfangen und abends um 24 Uhr noch schrubben müssen, dann läuft was falsch.

Was kann das Fernsehen bewirken?
Wir vermitteln im Fernsehen das Gefühl, dass du innerhalb von sechs Wochen alles erreichen kannst, auch Superstar oder Superkoch zu werden. Dass jahrelange harte Arbeit dazugehört, wird verschwiegen. Da ist ein bisschen mehr Realismus, mehr Aufklärung notwendig, so wie beim "Restauranttester" oder beim neuen Existenzgründer-Format.

Es ist also nicht das Ziel, dass mehr Zuschauer kochen, oder dass sich die Zuschauer gesünder ernähren? Verfolgen Sie ein idealistisches Ziel bei Ihrer Arbeit?
Im Fernsehen gute Ratschläge zu erteilen, ist eher kontraproduktiv. Den Stempel "Oberlehrer" haben Sie schnell. Man muss einfach die Realität abbilden und zeigen, dass auch in unserer heutigen, unsteten und wahnsinnig kommunikativen Welt ein Moment der Ruhe dem Körper gut tut. Unseren Autos geben wir das Beste, aber wir sind bereit, allen möglichen Dreck in uns hinein zu schaufeln. Ich bin jedoch weit davon entfernt zu sagen: Du musst, du musst, du musst.

Um die Themen Ernährung und Gesundheit tobt eine Art Glaubenskrieg. Ist es ein Problem, dass es einen Überfluss an Informationen gibt, nicht zuletzt dank des Internets?
Ich bin froh, dass wir einen Überfluss an Informationen haben. Ich bemängele bei Journalisten, dass sie nur noch eine Quelle benutzen und gegenseitig abschreiben. Ich bin eher ein Anhänger des Überflusses als der Einförmigkeit und Uniformität.

Spielen in "Die Geschichte des Essens" auch die Medien eine Rolle?
Es geht eher darum herauszufinden, warum wir Menschen so wurden, was wir heute sind. Und was die Ernährung damit zu tun hat.

Sie sind diesmal auch Schauspieler?
Ja, kann man sagen. Es waren andere Grenzen, die da bei mir gefordert wurden. Und die Akribie, mit der man an ein solches Projekt herangegangen ist, war erstaunlich. Man hatte immer ein offenes Ohr für meine Anregungen. Das war eine positive Erfahrung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false