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Demnächst Doppelpack. Cordula Stratmann spielt „Die Kuhflüsterin“ im Ersten, im ZDF wirkt sie bei „Ellerbeck“ mit.

© Boris Breuer

Interview: „Spontaneität wird überschätzt“

Cordula Stratmann über Inspirationen für ihre Arbeit, Berliner Taxifahrer, neue Serien und Top-Väter.

Frau Stratmann, Sie sehen durstig aus, was wollen Sie trinken?

Frischer Minztee wäre nicht schlecht. Kriegt man das hier? Ich fürchte allerdings, die werden mir einen Beutel bringen. Aber mal abwarten, wir sind doch hier schließlich in der Hauptstadt! Bis ich gleich wieder nach Hause muss, werden die das entschieden haben.

Wo ist das, zu Hause?

Im schönen Nordrhein-Westfalen, im Rheinland, in Köln.

Ist es da schöner als in Berlin?

Schöner definitiv nicht, aber äußerst lebenswert. Weil der Rheinländer gerne freundlich ist. Das findet man in Berlin, glaub ich, spießig. Hier empfinde ich viele Menschen oft angestrengt cool. In Berlin kann man Sachen erleben, von denen ich glaube, dass die einem so im Rheinland nicht passieren. Ich habe dabei aber eher die Zugezogenen im Verdacht, die im Nachspielen der Berliner Schnoddrigkeit in meinen rheinischen Augen deutlich ablösen. Der Rheinländer macht es sich lieber nett mit anderen.

Jetzt aber endlich zum Thema, liebe Frau Stratmann.

Genau, wir sind ja nicht zum Spaß hier. Lassen Sie uns tapfer sein und das hier mit Anstand zu Ende bringen.

Erzählen Sie doch mal was Witziges!

Nee, ne!? Das meinen Sie doch jetzt nicht wirklich, oder?

Witzig und spontan sind Sie also schon mal nicht. Schade.

Natürlich nicht. Im mache mir jeden Tag einen Plan, auch für das, was ich zu sprechen gedenke. Spontaneität wird gnadenlos überschätzt, glauben Sie mir! Manchmal bringt mir auch ein Autor am Abend noch ein paar Pointen für den nächsten Tag vorbei. Die lerne ich dann auswendig. Das ist ganz großartig.

Was kostet eigentlich so ein Gag? Könnten wir uns das auch einmal leisten?

Nein, vergessen Sie’s. Sie können sich das nicht leisten. Schon gar nicht die Besten, die arbeiten alle für mich.

Aus welchen Quellen schöpfen Sie, wenn es um Ihre Arbeit geht?

Coco Chanel inspiriert

Thomas Bernhard natürlich. Ganz, ganz viel Baudelaire. Coco Chanel, is klar, Fielmann, und noch jede Menge mehr.

Das Übliche also.

Ich würde es das Grundgerüst nennen, das es braucht, um auf der Bühne bestehen zu können.

Die „taz“ hat versucht, Ihrem Humor auf die Spur zu kommen. Wir müssen zugeben, wir haben’s nicht ganz begriffen. Haben Sie überhaupt Humor und wenn ja, welchen?

Diese Frage ist vollkommen bescheuert.

Dann formulieren Sie sie doch bitte so um, dass eine vernünftige Frage draus wird.

Selbstverständlich. Oder ich erzähle Ihnen einfach eine Geschichte, die mir gestern passiert ist. Ich komme in Tegel an, und die Hölle ist los. Ich sofort in ein Taxi, das aber nur ein paar Meter weit kommt, dann stecken wir fest. Plötzlich rauscht einer von links ran und fährt fast in uns rein. Mein Fahrer schreit durchs offene Fenster: „Ey, Idiot, bist du bescheuert?!“ Antwort des anderen Fahrers: „Halt’s Maul, was willst du?!“ bis hin zu „Du stinkst!“ Antwort meines Fahrers: „Du stinkst auch!“ Da hat’s mich gerissen! Auch! Er zieht also in Betracht, dass sein Gegner recht haben könnte, will dieses Schicksal aber wenigstens mit ihm teilen! Du stinkst AUCH! Über so was fall ich noch tagelang um.

Eine Improvisation, wie Sie sie lieben?

Herrlich, ganz, ganz großartig.

Und was haben Sie gemacht?

Von hinten gebrüllt, dass sie sofort mit dieser „Kinderkacke“ aufhören sollen.

Und dann?

Erinnerte sich mein Fahrer daran, dass auf seiner Rückbank beruflich noch was los ist, straffte die Schultern und fuhr sein Fenster hoch. Man braucht gar keine Gag-Schreiber. Seinen Mitmenschen beim Rumleben gut zugucken, das reicht.

Sammeln Sie solche Momente? Für ein neues Programm?

Ich bin keine Sammlerin, so was passiert immer wieder, wenn man das sammeln will, erzählt man so was immer routinierter, und es verliert sein Leben. Vielleicht fällt mir diese Geschichte während einer Lesung plötzlich wieder ein. Und dann erzähle ich sie einfach den Leuten, die vor mir sitzen. Und werde wahrscheinlich wieder selbst darüber umfallen.

Passiert Ihnen das öfter?

Ich hatte mir einmal vor einer Lesereise die Fingernägel rot lackieren lassen. Der Kosmetikerin hatte ich extra gesagt: „Die Nägel müssen mindestens zehn Tage halten!“ Und was passiert? Am zweiten Tag, ich will gerade das Publikum begrüßen, da fliegt mir ein Nagel mitten unter die Leute. Damit hatten wir dann mindestens zwanzig Minuten zu tun.

Wo waren Sie eigentlich die letzten Jahre? Im Fernsehen jedenfalls nicht.

Ach, es waren doch nur sieben Jahre! Ich habe in dieser Zeit einen Sohn bekommen, diesen Sohn erzogen, zwei Romane geschrieben, also genau das Leben geführt, das ich führen wollte. Dann kamen ARD und ZDF auf mich zu und boten mir jeweils eine Serie an. Ich habe mir meinen Sohn angeschaut und beschlossen, dass ich ihn für Wochen ruhig allein seinem Top-Vater überlassen könnte.

Wie dankbar waren Sie, als das Fernsehen zum ersten Mal in Ihr Leben trat?

Als das Fernsehen kam, war ich ratlos

Ich war erstaunt, neugierig, ratlos, die Reihenfolge dürfen Sie sich aussuchen. Als damals von tm3 das Angebot für „Manngold“ kam, hab’ ich mir gedacht, das guckst du dir jetzt mal an. Ich habe nie davon geträumt, berühmt zu werden. Das Einzige, was ich bis dahin wirklich gewollt habe war, als Familientherapeutin zu arbeiten. Für mich ist Familie das spannendste Thema der ganzen Welt. Daran hat das Fernsehen nichts geändert. Aber nach dem ersten Jahr im Künstlerleben war klar, dass ich nicht in meine alte Stelle zurückkehren würde.

Und als nach den Jahren der selbst auferlegten Fernsehruhe jetzt das Angebot zu diesen beiden Serien kam, da konnten Sie nicht anders: Sie mussten zusagen.

Ich muss gar nichts. Es hat von Anfang an riesig Spaß gemacht, wie alle Beteiligten zusammen gearbeitet haben. Ich glaube, die Leute werden merken, dass wir ernsthaft, mit viel Liebe versucht haben, was Sehenswertes auf die Beine zu stellen.

Raus aus der komischen Ecke? Sind Sie auf dem Weg zur Volksschauspielerin?

Ich träume nicht davon, das ganze Land zu unterhalten.

Warum mussten es eigentlich gleich zwei Serien sein, die fast zeitgleich laufen? „Die Kuhflüsterin“ im Ersten ab 3 Juli, „Ellerbeck“ im ZDF ab dem 24. Juli.

Eine Zeitlang habe ich gedacht: Oha, dumm gelaufen. Dann hat sich alles so gut entwickelt, dass ich am Ende mehr als froh war, beide Angebote angenommen zu haben. Ich bin glücklich, so wie’s ist.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Cordula Stratmann, geboren 1963 in Düsseldorf, arbeitete zunächst als Familientherapeutin. 1990 entdeckte sie die Comedy für sich, dann wurde sie vom Fernsehen entdeckt. Als „Annemie Hülchrath“ wirkte sie in „Zimmer frei!“ mit, 2004 wurde sie Hauptfigur in der Improshow „Schillerstraße“. Zuletzt arbeitete sie mit Olli Dittrich im „Talkgespräch“ zusammen. Cordula Stratmann ist auch Autorin, 2008 schrieb sie mit Marion Grillparzer„Ist dieses Buch ansteckend?“. Stratmann lebt mit ihrer Familie in Köln.

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