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Die Schauspieler Ulrich Tukur (l-r) und Aglaia Szyszkowitz, Tukurs Frau Katharina John und der Produzent Nico Hofmann bei der Premiere des Films "Rommel".

© dpa

Interview zu "Rommel": „Mein Vater hat getötet“

Geschichte ist Nico Hofmanns großes Thema. Hier spricht der Fernsehproduzent über die Kämpfe seiner eigenen Vergangenheit – und welche Filme er nie machen würde.

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Nico Hofmann, 52, ist einer der wichtigsten deutschen TV-Produzenten, Filme seiner Firma Teamworx wie das Kriegsdrama „Laconia“ hatten auch im Ausland Erfolg. In Deutschland sahen zuletzt mehr als sieben Millionen Zuschauer „Der Turm“ nach dem Buch von Uwe Tellkamp. Nächsten Donnerstag zeigt die ARD seine neueste Produktion „Rommel“.

Herr Hofmann, werden Sie am Donnerstag vor dem Fernseher sitzen und sich Ihren neuesten Film über den Weltkriegsgeneral Erwin Rommel anschauen?

Nein, ich bin dann im Flugzeug nach Singapur. Ich produziere dort gerade einen Zweiteiler für das ZDF. Wir hatten erhebliche Drehprobleme, weil das ganze Team an einem Magen-Darm-Virus erkrankt ist. Ich muss hin, Trost spenden und auf das Budget achten. Dann geht’s noch 50 Flugminuten weiter nach Kuala Lumpur, wir fangen dort gerade mit einem Fernsehspiel an.

Sie werden die Quoten für „Rommel“ verpassen.
Ich habe Zugriff auf die Medienforschung der RTL-Gruppe, morgens ab 8 Uhr bekommt man Klarheit, ob das geglückt ist oder nicht. Das ist bei mir in Singapur 15 Uhr, wegen der Zeitverschiebung. Aber ich habe die klare Erwartung, dass die Quote stimmt. Bei „Der Turm“ neulich wusste ich vorher nicht, wie es laufen würde. Das Warten hat mich am nervösesten überhaupt gemacht.

Haben Sie keine Sorge, man könnte Ihnen vorwerfen, Hitlers Lieblingsgeneral zu sympathisch darzustellen?
Ich hätte Probleme damit gehabt und auch welche bekommen, wenn wir ein tolles Biopic über Rommel entwickelt hätten, vom Afrika-Wüstenfuchs bis zu seinem von Hitler erzwungenen Selbstmord. Wenn das die Agenda des Films gewesen wäre, gemacht für acht Millionen Zuschauer, mit möglichst großen Kulissen und vielen Soldaten, das hätte mir innerlich Schwierigkeiten bereitet.

Stattdessen zeigen Sie Rommels letzte sieben Monate, im Jahr 1944 – und haben Ärger mit seiner Familie, die befürchtet, er werde zu stark als NS-Günstling dargestellt.
Die Familie kennt den Film gar nicht. Der SWR-Intendant hatte sie eingeladen, sich den vorab anzusehen, sie wollte das Angebot nicht annehmen.

Die Familie war zunächst in die Planung miteinbezogen. Mit den ersten Drehbuchfassungen, die von Filmemacher Maurice Philip Remy stammten, schien sie noch einverstanden.
Ich schätze Remy sehr. Doch diverse Drehbuchfassungen haben Rommel in den engeren Kreis des Widerstandes gerückt. Das ergab ein Bild von Rommel als Kämpfer, auf den man sich immer verlassen kann. Der in der Stunde der Not dann auch bereit ist, Widerstand zu leisten. Wir haben uns lange mit Peter Steinbach beraten …

… von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand …
… und uns danach entschlossen, das ganze Projekt noch einmal neu zu beginnen. Und es dauerte Monate, bis wir uns sicher waren, dass der gewählte Ausschnitt von sieben Monaten trägt. Ich glaube, diese Pause hat die Familie verletzt.

Nico Hofmann will Rommels Mythos entzaubern

Was treibt Sie eigentlich, sich mit jemandem wie Rommel zu beschäftigen?
Mich interessiert der Mythos des sauberen Generals in einem schmutzigen Krieg und seine Entzauberung, die Ambivalenz dieser Figur. In seinen letzten sieben Monaten erlebt Rommel das Zusammenbrechen des Naziregimes an allen Fronten. Es geht um die Auseinandersetzung darüber, wie ein Soldat in der damaligen Zeit seine eigene Moral definiert. Diese Komplexität berührt mich.

Wie das? Sie wurden lange nach dem Krieg geboren.
Das hat ganz klar mit meinem Vater zu tun. Ich habe ihm den Film auch gezeigt. In der Figur von Rommel hat mein Vater einen ihm vorgesetzten Offizier entdeckt, der ihn damals im Russlandfeldzug in die Schlacht getrieben hat.

Wann fing Ihr Interesse an der Geschichte Ihres Vaters an?
Meine Eltern haben sich sehr früh, sehr lange getrennt, das zog sich Jahre hin. Und ich versuchte, das mit filmischen Mitteln zu verarbeiten. Ich habe es sogar fertiggebracht, die Scheidung meiner Eltern mit 18 Jahren auf Super 8 nachzudrehen, mit Schauspielern vom Mannheimer Nationaltheater. Die Trennung erlebte ich zwischen zwölf und 15, ein heikles Alter. Der Verlust meines Vaters, der zu seiner Freundin zog, hat bei mir dazu geführt, ihn verstehen zu wollen.

Haben Sie ihm seine Biografie vorgeworfen?
Das ging erst mit 18 los, weil ich dann sehr renitent war und ihn gefragt habe, warum er gegangen ist. Mein Vater führte das ganz stark auf seine Vergangenheit zurück, auch auf sein eigenes Kriegserlebnis. Und dass er seine verlorene Jugend nachholen wolle. Ich habe dann systematisch Familienbiografie betrieben. Das ist sicher rübergeschwappt auf meine spätere Filmarbeit, es waren in der Tat schon viele Themen aus der Zeit des Nationalsozialismus in den letzten 14 Jahren als Produzent.

Haben Sie Ihren Vater gefragt, ob er getötet hat?
Ja. Mein Vater hat getötet. Und beinahe wäre er selbst gestorben. Er wurde schwer verwundet.

Hat es Sie berührt zu erfahren, dass Ihr Vater getötet hat?
Enorm. Deshalb bin ich auch nicht zur Bundeswehr. Das war ein Hauptkonflikt zwischen uns.

Hat Ihr Vater den Film gelobt?
Meinem Vater war wichtig, ob man versteht, wie moralischer Kontext damals funktionierte. Wir haben für den Film die letzten sieben Lebensmonate Rommels gewählt, weil der als Soldat zigfach vor möglichen Entscheidungen steht. Die Alliierten sind gelandet, der Krieg geht verloren. Soll er den Kampf einstellen, Hitler entgegentreten, soll er den Widerstand unterstützen? Am Ende tut er nichts – oder jedenfalls entscheidet er nicht so, wie es oft verklärt dargestellt worden ist.

Rommel wird auch in Verbindung gebracht mit Kriegsverbrechen wie Partisanenerschießungen, womöglich hat er sogar von der Gründung von KZs in Nordafrika gewusst. Sie haben sich bewusst entschieden, diese dunklen Flecken auszuklammern.
Ja, es gibt diese Vorwürfe. Aber wenn man denen nachgegangen wäre, hätte man den Lebensbogen weiter fassen müssen.

Wenn Sie mit Ihrem Vater über die Nazizeit reden, kommt es vor, dass Sie darüber in Streit geraten?
Nein. Wenn wir in Streit gerieten, dann in dieser Bundeswehrentscheidungszeit. Er hat damals mit seinen Bildern von Männlichkeit argumentiert, von der Ertüchtigung zum Leben gesprochen.

Er war schon in der Schule geschichtsbesessen

Sie haben den Wehrdienst verweigert.
Um ehrlich zu sein, ich bin ausgemustert worden. Mir ging es nicht gut, ich habe eine brutale, vehemente Familienauseinandersetzung geführt. Im Film „Der Turm“ gibt es eine Szene mit Christian Hoffmann, wo der bei einer Hochzeitsfeier sitzt, sich erst die Ohren zuhält, dann das Tischtuch runterreißt. Genau solch eine Sequenz hat sich beim 80. Geburtstag meiner Oma abgespielt, weil ich die Unehrlichkeiten innerhalb der Familie nicht mehr ertragen habe. Ich habe das Tischtuch runtergerissen, bin brüllend raus, denn nichts im Raum stimmte. Mir ging es körperlich schlecht.

War das noch die Folge der Scheidung Ihrer Eltern?
Ich hatte starke psychosomatische Beschwerden, lag sogar im Krankenhaus wegen meiner Magengeschichten, die waren natürlich seelisch. In dieser Zeit bin ich ausgemustert worden. Aber ich hätte mich sowieso gegen den Wehrdienst entschieden. Ich habe auch keinen Führerschein gemacht, selbst der wurde von mir unter männlichen Tugenden einsortiert.

Waren Sie schon als Schüler wild auf Geschichte?
Ja, sogar regelrecht besessen.

Geschichte ist unter Schülern selten mehrheitsfähig. Waren Sie nicht einsam mit Ihrer Leidenschaft?
Überhaupt nicht. Ich hatte einen sehr guten Geschichtslehrer, und Sie dürfen nicht vergessen, das war eine vollkommen andere Zeit. Ich habe 1977 Abitur gemacht. Es war die Zeit von Stammheim, es war die Zeit, in der ich einen Biologielehrer hatte, der bekennender NPD-Mann war, der hat 1972 noch die Rassenlehre des Dritten Reiches vertreten und Anschauungsmaterial aus der Nazizeit verwendet. Ich war Schulsprecher.

Sie haben opponiert.
Massiv. Wir haben die Turnhalle beschmiert, mit riesigen Buchstaben: „Keine Nazis!“. Der Lehrer wurde unter dem Druck erst der Schüler und dann der Eltern entlassen. Als die Urteile in Stammheim gefällt wurden, habe ich erzwungen, dass der Unterricht abgebrochen wird, um über dieses Thema zu sprechen. Wir waren extrem politisiert. Mein Schulleiter hat mich vor der Abiturverleihung einbestellt, auf die riesige Wiese vor unserer Schule gedeutet und gesagt: So viel Fläche haben Sie in meinem Leben mit Ihren Diskussionen verbrannt.

Wären die 70er Jahre dann nicht Ihr Filmthema?
Was wollen Sie da noch erzählen? Wir haben Dutschke erzählt, Bernd Eichinger die RAF.

Im Rommel-Film haben Sie die Figur einer französischen Komtess mit Verbindungen zum Widerstand konstruiert. Zu einer echten Liebesgeschichte reicht es diesmal nicht, anders als sonst bei Ihnen.
Das ist auch so eine lustige journalistische Weisheit. Wir hatten in der Tat 2006 drei Filme, „Die Luftbrücke“, „Sturmflut“ und „Dresden“, wo eine Dreiecksliebesbeziehung eine Rolle spielte. Es gibt mittlerweile hundert Teamworx-Produktionen ganz ohne Liebesbeziehung.

Rommel ist für die ARD, fällt die Liebe deshalb aus?
Für einen privaten Sender hätte es deutlich mehr Action gebraucht, ja. Aber nehmen Sie „Der Turm“, der konnte gegen ein Spiel der Champions League bestehen. Sie sehen, wir bekommen auch bei komplizierten Stoffen Publikum. Früher habe ich mehr auf melodramatische Strukturen gesetzt, davon bin ich im Moment völlig weg. Und wenn ich „Dresden“ noch mal machen würde, würde ich sicher auf die Liebesbeziehung zwischen dem britischen Bomberpiloten und der Deutschen verzichten, auf die Authentizität des brennenden Dresdens im zweiten Teil allerdings nicht.

Wir wollen uns die Chance nicht entgehen lassen, einen erfolgreichen TV-Produzenten nach den Aussichten potenzieller Stoffe zu befragen. Der Untergang der Costa Concordia, wäre das etwas für Sie?
Der ist komplett uninteressant. Wenn etwas interessiert, dann der Kapitän. Doch jetzt kommt die zentrale Frage: Ein Film muss immer einen Mehrwert bieten, eine Eins-zu-eins-Abbildung ist erfolglos. Sie müssen also etwas haben, was über das, was die Zuschauer schon wissen, hinausgeht. Und über diesen Kapitän weiß mittlerweile jeder alles.

Die Love-Parade-Katastrophe in Duisburg?
Auch hierzu ist alles erzählt. Der Oberbürgermeister wäre eine Figur. Und die Frage, wie gehe ich mit Schuld um.

Rostock-Lichtenhagen?
Da arbeiten wir dran.

Die Frauen bei Schlecker?
Die sind ein Thema. Was ich toll fand, war, dass es da Selbsthilfegruppen gab, die ihren eigenen Markt weiterführen. Das muss man kontrastieren mit dem Original-Lifestyle der Familie Schlecker in ihrer seltsamen Villa.

Wer könnte eine Schlecker-Frau spielen?
Annette Frier, weil sie schlagfertig ist, weil sie glaubhaft jemanden aus dem Volk spielt. Ich würde die Schlecker-Frauen nicht als Tragödie sehen, ich würde eine Bergab-bergauf-Dramaturgie verwenden: drei Schlecker-Frauen, die mit ihrem Supermarkt erfolgreich sind, während die Familie ihre Villa verkaufen muss.

Die NSU-Morde?
Das wird überhaupt nicht laufen, das ist überpubliziert. Sie könnten die Nazi-Killer auch gar nicht darstellen, niemand würde sich das anschauen.

Warum Heiner Lauterbach für die Rolle nicht in Frage kam.

Sie waren früher Regisseur. Jetzt können Sie als Produzent mehrere Projekte gleichzeitig anschieben, dafür sind Sie bei Detailentscheidungen nicht mehr so dicht dran. Fällt Ihnen das manchmal schwer?
Sie können bei jeder Produktion – und wir machen im Schnitt 25 bis 30 Filme im Jahr – nach drei Tagen sagen, ob der Film gelingt oder nicht. Wenn die ersten drei Tage nicht stimmen, dann müssen Sie reagieren. Sie müssen entweder den Kameramann entlassen oder sehr deutlich mit dem Regisseur reden oder Schauspieler umbesetzen.

Weil sie unmotiviert in der Gegend rumstehen?
Nein, weil die Chemie der Besetzung nicht stimmt. Dann müssen Sie aktiv werden, retten, was zu retten ist. Meistens gelingt das nicht mehr wirklich. Wenn das Grundsetting Kamera, Regie, Besetzung und Buch am Set nicht als Einheit funktioniert, sind Sie verratzt.

Gibt es Filme, auf die Sie lieber verzichtet hätten?
Zahlreiche. Ich habe ganz schreckliche Filme gemacht, ich erinnere mich an einen mit Hannelore Elsner, wo sie ihre Tochter in Chile als Waisenkind wiederfinden muss, mit viel Musik und viel Landschaft, grauenvollen Dialogen. Das würde ich nie mehr machen. Was natürlich nichts mit Hannelore Elsner zu tun hat, die ich sehr verehre. Sie hat das Projekt mir zuliebe gespielt.

Wann wussten Sie bei Rommel: Das wird was?
Nach drei Tagen. Du hast die Muster gehabt mit Ulrich Tukur, du hast die Kameraarbeit gesehen, den Rhythmus, den der Film kriegen muss. Ich hatte viele Besetzungsideen, ich wollte Thomas Kretschmann fragen, Heiner Lauterbach, Heino Ferch – Tukur war die richtige Idee, als das Drehbuch fertig war.

Warum nicht Kretschmann?
Weil der Film kühler geworden wäre, auch männlicher, das wollte ich nicht. Kretschmann spielt mit amerikanischem Understatement. Er geht völlig anders mit seinem Gefühlshaushalt um. Der hätte das sehr soldatisch, sehr durchtrainiert gemacht, der hat nicht dieses leicht spielerische, schwäbische, wie Tukur.

Und Heiner Lauterbach?
Lauterbach hätte durch sein Alter die Figur näher zum Selbstmord positioniert. Da hätte die Vorstellung vom Tod schon von Anfang an mitgespielt.

Und jetzt fliegen Sie nach Singapur, um dort eine Produktion zu retten. Sie haben keine Familie, gelten als Workaholic, kommt irgendwann mal der Moment, wo Sie denken, Sie könnten zwischen zwei Flughäfen etwas verpassen?
Jeder hinterfragt sein Lebensmodell. Ich bin im Moment viel mehr mit Mitarbeitern und Firmenstrukturen als mit Inhalten beschäftigt. Und das ist immer die Frage, wie sehr man sich verbraucht, ganz klar, das habe ich bei Bernd Eichinger gesehen, dem ich sehr eng verbunden war. Im Grunde ist der Tod von Bernd ein schöner Tod. Ich glaube, dass er sich das so gewünscht hat: bei der Arbeit in Los Angeles einfach so umzufallen.

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