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iPad: Kratzer auf der Zaubertafel

Apples iPad gilt als universelle Medienplattform. Die US-Verlage bleiben zum Start jedoch auf Distanz.

Schon Monate bevor Apple-Chef Steve Jobs Ende Januar sein iPad vorstellte, überschlugen sich die Medien- und die Kulturkommentare mit Spekulationen darüber, was die neue Wunderhardware bringen würde. Wird es der Computer aller Computer, der sämtliche Medienbranchen und unser aller Leben unwiderruflich verändert? Oder ist es eine unausgereifte Zwischentechnologie, die wir in ein paar Jahren wieder vergessen haben?

Die Frage steht noch immer im Raum. Die Präsentation in San Francisco konnte keinen Aufschluss darüber geben. Erst die Praxis wird zeigen, ob die Zaubertafel auch nur annähernd eine so große Wirkung entfaltet, wie Jobs es sich erhofft. Und auch der Marktstart des iPad am 3. April wird wohl keine raschen Erkenntnisse bringen. Wie die Verbraucher den iPad annehmen und nutzen, kann niemand vorhersehen.

Eines steht allerdings jetzt schon fest: Falls das iPad tatsächlich Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, das Fernsehen, den Laptop und vielleicht sogar das Kino verdrängt, will niemand den Zug verpasst haben. So hat sich in den vergangenen Wochen in den USA eine gigantische Pokerpartie um das iPad entsponnen. Printmedien, Fernsehstationen, Buchverlage und die werbende Wirtschaft wollen für den Erfolgsfall ihre Claims in der schönen neuen iPad-Welt abstecken. Andererseits will bislang niemand den Hof auf das iPad setzen und sein Stammgeschäft im traditionellen Medienbusiness gefährden.

Die wichtigsten amerikanischen Zeitschriftenverlage haben sich etwa nach anfänglichem Zaudern nun doch mehrheitlich dazu entschlossen, am 3. April mit iPad-Ausgaben an den Start zu gehen. Trotz großer Bedenken, dass Apple zu großen Einfluss auf Marketing und Vertrieb und somit möglicherweise in Zukunft auch auf Inhalte nehmen könnte, bieten die Häuser Time, Condé Nast und Hearst ihre Produkte über Steve Jobs’ Internetkiosk iTunes an. Dort werden die iPad-Nutzer ab kommender Woche Titel wie „Sports Illustrated“, „Time“, den „New Yorker“, „Esquire“, „Vanity Fair“, „GQ“, „Glamour“ oder das Computermagazin „Wired“ herunterladen können.

Doch das iPad-Abenteuer bleibt für die angeschlagenen Zeitschriften vorerst nicht mehr als ein Experiment. Zeitschriftenabos gibt es für das iPad einstweilen nicht. Stattdessen kauft der Verbraucher einzelne Ausgaben, die sich weder im Preis noch in der Anmutung wesentlich vom gedruckten Produkt unterscheiden. Lediglich im Dienst der Anzeigenkunden loten die Magazine die Möglichkeiten des neuen Mediums aus. So findet sich in der iPad-Ausgabe von „Sports Illustrated“ eine Videowerbung für Ford, in der man nicht nur eine dreidimensionale Testfahrt machen, sondern auch noch mit der Fingerspitze das Gefährt in verschiedenen Farben lackieren kann.

Die Branche setzt noch immer darauf, dass es die überlegene Darstellung von Zeitschriften auf dem iPad gegenüber dem Computer erlauben wird, sowohl vom Verbraucher als auch von den Werbekunden mehr Geld als für die bisherige Internetdarstellung zu verlangen. Doch jetzt, da die Bewährungsprobe ansteht, ist man zurückhaltend geworden. „Wir müssen uns alle Türen offen halten und gleichzeitig alles über das iPad lernen, was wir lernen können“, sagte Sarah Chubb, die Präsidentin des digitalen Zweigs von Condé Nast, der „New York Times“.

Dieselbe vorsichtige Herangehensweise wie die Verlage wählt auch die werbende Wirtschaft. Firmen wie Unilever, Toyota oder die Investmentbank Fidelity haben beispielsweise für die ersten acht iPad-Ausgaben von „Time“ Anzeigen zu je 200 000 Dollar gekauft. Längerfristig wollen sie sich jedoch bislang nicht festlegen. Man will zunächst einmal herausbekommen, ob diese Preise gerechtfertigt sind. Das gesamte Geschäft kann innerhalb weniger Wochen auch wieder kollabieren und dann will niemand mit Verlusten dastehen, die er nicht verkraftet. Das Dilemma dabei: Das neue Medium braucht den Mut der Investoren zum Erfolg. Die Furcht vor dem Scheitern des iPad könnte zur sich selbst erfüllenden Prophezeihung werden

Am deutlichsten spiegelt sich die Verunsicherung darüber, was das iPad bringen wird, in der unterschiedlichen Herangehensweise der Zeitungen wieder. Die „New York Times“, die zu Beginn aggressiv auf das iPad gesetzt hatte, erhebt nach neuesten Informationen zunächst keine Gebühr für ihre iPad-Ausgabe. Ursprünglich waren zwar Preise von bis zu 30 Dollar pro Monat für das Abo im Gespräch. Jetzt droht die Zeitung den gleichen Fehler zu begehen, den man im Internet gemacht hatte – die Leser an kostenlosen Content zu gewöhnen. Das „Wall Street Journal“ hingegen verlangt 18 Dollar pro Monat für ein iPad-Abo, doppelt so viel wie eine Print-Subskription. Hinter dem hohen Preis steht die Weiterführung der Politik des Verlegers Rupert Murdoch, seine Papierausgabe zu schützen. Murdoch verlangt bereits Onlinegebühren für einen Großteil der Inhalte.

Ähnlich unentschlossen wie die Zeitungen sind die Fernsehsender. Auch sie wägen noch zwischen den Risiken und Chancen des iPad ab und kommen zu keinem schlüssigen Ergebnis. So musste Steve Jobs bereits seine Pläne aufgeben, Fernsehabonnements für das iPad zu verkaufen, die das Kabelabo zu Hause langfristig ersetzen können. Und auch über die Preisgestaltung für das Herunterladen einzelner Sendungen ist sich Jobs mit den Sendern bislang noch nicht einig geworden. Am entschlossensten marschieren noch die Buchverlage in das iPad-Zeitalter. Das liegt vor allem daran, dass Steve Jobs ihnen deutlich attraktivere Konditionen anbietet als der Internetgrossist Amazon mit seinem Lesegerät Kindle. Bei Apple behalten die Verlage die Hoheit über die Preisgestaltung, der i-Buchladen bekommt lediglich eine Kommission. So können sich iPad-Käufer am 3. April die Titel aller wichtigen US-Verlage auf ihr Gerät laden.

Trotzdem ist das, was der Käufer kommende Woche in der einfachsten Version für 500 Dollar im Apple-Store in die Hand bekommt, weit von dem entfernt, was Steve Jobs sich ausgemalt hat, als er sich den iPad ausdachte: eine universelle Medienhardware. So ist das iPad noch immer das, was der Medienblog der „New York Times“ schon beim Launch im Januar beschrieb: „ein anderthalb Pfund schwerer Sack voller Möglichkeiten“ nämlich, „der alles werden kann oder auch nichts“.

Sebastian Moll

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