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„Sternstunde ihres Lebens“. Iris Berben (rechts) spielt im ARD-Fernsehfilm die SPD-Abgeordnete Elisabeth Selbert, die 1949 im Parlamentarischen Rat erfolgreich für das Grundrecht auf Gleichberechtigung von Frau und Mann stritt. Foto: ARD

© WDR/ARD DEGETO/Martin Rottenkolb

Iris Berben über Gleichberechtigung: „Trotzdem bewegt sich nichts“

Anwältin der Frauen: Iris Berben hat im ARD-Film "Sternstunde ihres Lebens" die SPD-Politikerin Elisabeth Selbert dargestellt. Im Interview spricht die Schauspielerin über Väter und Mütter des Grundgesetzes, Emanzipation und Quote.

Frau Berben: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Hat dieser Satz auch Ihre persönliche Welt verändert?

In dem Umfeld, in dem ich groß geworden bin, war Gleichberechtigung schon eine gelebte Form. Ich musste mir das nicht erst mühsam erarbeiten. Meine Mutter war in einer Zeit, in der das eher ungewöhnlich war, eine selbstbestimmte, emanzipierte Frau – wie Elisabeth Selbert.

Frau Selbert kennt bis heute trotz ihrer Arbeit im Parlamentarischen Rat kaum jemand.

Ich kannte sie auch nicht. Die „Väter des Grundgesetzes“ – das ist uns ein Begriff, aber nur wenige wissen, dass es auch vier Frauen im Rat gab. Elisabeth Selbert hatte allerdings auch bei den anderen Frauen ziemlich hart um die Formulierung zu kämpfen. Eine Formulierung, die sie aus ihrer Tätigkeit als Familienanwältin entwickelte.

Der Erfolg im Parlamentarischen Rat hat ihr in der SPD keine Lorbeeren eingebracht.

Ja, merkwürdig. Ich habe ihre Enkelin getroffen, die mir bestätigte, dass sie damit bis zum Schluss sehr gehadert hat. Mittlerweile gibt es einen Eisabeth-SelbertPreis, Schulen sind nach ihr benannt worden, aber in der breiten Öffentlichkeit ist sie weitgehend unbekannt. Vielleicht können wir das ein bisschen ändern.

Standen ihr die Männer-Seilschaften in der SPD im Weg?

Vielleicht war auch bei der SPD die Zeit noch nicht reif. Was ich interessant finde: Elisabeth Selbert hatte einen Mann, der ihr die Möglichkeit gegeben hat, zu arbeiten, indem er sich um die Kinder kümmerte. Und es ist offenbar nicht das Gefühl aufgekommen, dass er ein Verlierer ist. Das waren zwei emanzipierte Menschen, ein Mann und eine Frau.

Der Film endet versöhnlich, mit dem Gefühl: Es ist geschafft.

In der Realität hat es lange gedauert, bis sich etwas im Sinne der Gleichberechtigung bewegt hat. Und, seien wir ehrlich, es dauert immer noch, zum Beispiel beim Thema Lohngleichheit. Aber es ist doch merkwürdig: Wie klar ist das alles vorgegeben im Grundgesetz, und wie wenig davon wird wirklich gelebt. Allein wenn wir an Artikel 1 denken, an die „Menschenwürde“.

Sie spielen Frau Selbert nicht nur sympathisch. Sie ist auch mal eine überarbeitete, barsche Chefin, die ihre Sekretärin herunterputzt. Gehörte das zur historischen Genauigkeit?

Es gibt nicht allzu viele Quellen über sie. Ihre Enkelin hat mir gesagt, dass sie nicht Auto fahren konnte. Das sei das Einzige, was im Film nicht stimme. Wir wollten jedenfalls kein Podest bauen. Das ist auch eine Gefahr, da versteinert man. Ich glaube, dass es wichtig ist, sie auch als Menschen zu zeigen, der überfordert ist, wenn er die Felle wegschwimmen sieht. Das geht uns doch allen so.

Viele Dialoge, gerade in den politischen Diskussionen, sind eher eine Aneinanderreihung von Statements.

Das Problem ist natürlich: Wie machst du einen Film aus einem trockenen Thema? Deshalb die Idee, die von Anna Maria Mühe gespielte, erfundene Figur der Sekretärin einzufügen, die für die Frauen in dieser Zeit steht. Spannend finde ich auch deren Freundin, die schon emanzipierter und einen Schritt weiter ist, aber sich wieder zurücknimmt, als ihr Mann aus dem Krieg heimkehrt. Aber man will die wichtigen Statements natürlich loswerden. Da mag manches nach ein bisschen nach Staatsbürgerkunde klingen.

Gab es auch in Ihrer Karriere eine „Sternstunde“ im Bemühen, als Schauspielerin anerkannt zu werden?

Ich fürchte, auf die Erfüllung meines Wunschs, über die Rolle wahrgenommen zu werden, muss ich weiter warten. Es hört nicht auf, dass man zu sehr über Äußerlichkeiten redet. Ob es das Alter ist oder was auch immer.

Nach Bertha Krupp und Cosima Wagner nun Elisabeth Selbert: Das Fernsehen mag Historisches, und Sie spielen gerne mit, richtig?

Ja, aber ich würde jetzt auch gerne mal wieder eine historische Pause einlegen.

Man darf annehmen, dass Sie Ihre Rollen selbst auswählen können?

Ich bin in dieser luxuriösen Situation, zu sagen: Das möchte ich, das nicht. Zugleich wird das Lampenfieber größer, weil man mehr in der Verantwortung steht, weil man sich nicht hinter Unwissenheit oder Geldnöten verstecken kann. Ich kann nicht sagen: Ich musste jetzt einen Film drehen, weil ich die Miete nicht bezahlen konnte. Leider bringt das nicht mit sich, dass man keine Möglichkeiten mehr hätte, Fehler zu machen.

Schon mal sehr enttäuscht worden, wenn Sie am Ende den fertigen Film gesehen haben?

Natürlich, auch wenn man sein eigenes Spiel sieht. Man guckt ja nicht gnädig. Nur auf Filme, die vor 20 Jahren gedreht wurden. Dann denke ich: Ach, komm.

Erhalten Schauspielerinnen eigentlich die gleiche Bezahlung wie Schauspieler?

Immer noch nicht. Es gibt noch ein anderes Beispiel: Wir haben die gleiche Anzahl bei den Regieabsolventen an den Filmhochschulen. Aber in der Fernsehlandschaft sind maximal 30 Prozent weibliche Regisseure. Auf dem Kinomarkt gibt es da eine andere Offenheit als bei den Sendern.

Der Verein „Pro Quote“ fordert, dass bis 2017 30 Prozent der Medien-Chefsessel mit Frauen besetzt sein sollen. Wie finden Sie das?

Schrecklich, aber anscheinend notwendig. Ich war eine Gegnerin der Quote, weil ich dachte, das ist gesellschaftlich anders zu erreichen, auch über die Fähigkeit, die Kraft und das Selbstbewusstsein der Frauen. Und der Großteil der Männer, die ich kenne, sind Männer, mit denen man dieses Thema nicht kontrovers diskutieren muss. Trotzdem bewegt sich nichts. Es ist erbärmlich, dass man wieder dahin kommt, die Quote einfordern zu müssen.

Was können Sie als Präsidentin der Deutschen Filmakademie tun?

Die Ungleichgewichte etwa bei der Regie sind auch bei uns ein Thema. Wir reden mit den Hochschulen, und wir müssen mit den Sendern reden. Wir sind sowieso im Gespräch, weil wir fordern, dass mehr deutsche Kinofilme in der Primetime gezeigt werden sollten. Nicht nur die, die im Kino sowieso gut liefen, sondern die, die es schwerer haben. Da gibt es eine Vielfalt, die man wunderbar abbilden könnte.

Das Interview führte Thomas Gehringer.

„Sternstunde ihres Lebens“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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