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Israelische Produktion: US-Serie "Homeland": Arte zeigt den Vorläufer "Hatufim"

Nach der US-Serie "Homeland" kommt nun „Hatufim“: Eine Gesellschaftsstudie, die die Psyche der Israelis ausleuchtet.

Zwei Flughäfen, eine Szene: In der US-Serie „Homeland“ wartet die Familie auf den im Irak befreiten Marine Nicholas Brody, in der israelischen Serie „Hatufim – In der Hand des Feindes“ warten die Angehörigen auf die Rückkehr der Soldaten Nimrod Klein, Uri Zach und Amiel Ben-Horin aus dem Libanon. Sie sind, nach 17 Jahren, durch einen Gefangenenaustausch aus der Gewalt der Hisbollah freigekommen. Die Begegnungen sind in beiden Produktionen dramaturgisch nahezu identisch. „Homeland“ wird in den Augen des kundigen Zuschauers zu „Hatufim“, „Hatufim“ zu „Homeland“. Die hochgelobte israelische Produktion lieferte die Vorlage für die preisgekrönte US-Serie. Gideon Raff war Produzent, Regisseur und Drehbuchautor von „Hatufim“, bei „Homeland“ war er maßgeblich an der Adaption des Stoffes für den Sender Fox beteiligt.

„Homeland“ zu kennen und „Hatufim“ kennenzulernen, ist auch ein Lehrstück darüber, mit welcher Raffinesse und Klugheit ein Thema gleichzeitig verdoppelt und entkoppelt werden kann. „Homeland“ ist im Schwerpunkt als Thriller aufgezogen, der die Frage vor sich herjagt, ob der während seiner Gefangenschaft im Irak umgedrehte Brody gegen sein Heimatland losschlagen wird, das einen Nationalhelden empfangen und gefeiert hat. Die drei Soldaten in „Hatufim“, von denen nur zwei lebend zurückkommen, haben eine andere Funktion. „In ,Hatufim’ wollte ich gebrochene Soldaten und gebrochene Männlichkeit zeigen, während Brody in ,Homeland’ als Poster Boy zurückkehrt“, sagt Raff.

Die US-Produktion stellt den Schatten-Zweikampf zwischen dem Marine und der CIA-Agentin in den Vordergrund, die privaten Verwerfungen und Verwicklungen des Heimkehrers haben ihr Eigengewicht, doch sind sie nicht Motor der actionreichen Bewegung. In „Hatufim“ wird die Figur des Heimkehrers quasi dreifach aufgefächert. Darüber entsteht eine brillante Beobachtung der Charaktere, ihrer tiefgehenden emotionalen Entwicklungen und Verwicklungen. „Für manche Soldaten“, sagt Raff, „ist die Heimkehr schlimmer als die Gefangenschaft, weil sie außerstande sind, sich zu Hause zu fühlen und wieder die Person zu werden, die sie einmal waren.“ Sie würden es nicht schaffen, die Kluft zu überwinden, die sich zwischen ihnen und ihren Angehörigen aufgetan habe. Grundsatzfrage also: Kann ein Kriegsgefangener wirklich jemals aus der Gefangenschaft heimkehren?

Bei „Hatufim“ sind es eben drei. Für Yael Ben Chorin (Adi Ezroni), die Schwester von Amiel, ist die Nachricht vom Tod des Bruders ein Shock. Sie rettet sich mit Tagträumen und Erinnerungen an den Beschützer gegen alles Böse in der Welt aus ihrer Trauer. Nimrod Klein (Yoram Toledano) war 26, als er in Gefangenschaft geriet: mutig, intelligent, erfolgsorientiert. Die Welt stand ihm offen. Mit seinem Verschwinden trat seine Frau Talia (Yael Abecassis) an seine Stelle, in der Familie und in der Öffentlichkeit. Sie kämpfte an allen Fronten für Nimrods Rückkehr. Jetzt wartet wieder die Schattenexistenz auf sie. Jedermanns Leben gerät durcheinander. So auch das von Uri Zach (Ishai Golan). Er will nicht, aber er steht im medialen Mittelpunkt. Und dann die Herausforderung, dass Nurit (Mili Avital), die Liebe seines Lebens, nicht auf ihn gewartet, sondern inzwischen seinen Bruder geheiratet hat.

In diesem Radius wird „Hatufim“ zur Gesellschaftsstudie, die Psyche der Israelis wird ausgeleuchtet, die alle zur Armee müssen und denen dadurch das Thema von potenzieller Gefangennahme und „kostspieliger“ Befreiung durch Gefangenentausch auf der Haut brennt. Aber „Hatufim“ gerät nicht akademisch, zum Stück aus These und Gegenthese. Raffiniert wird die Frage des individuellen Zurechtkommens mit einer weitreichenden „Gesellschaftsfrage“ hinterfangen.

Das Ensemble von „Hatufim“ wirkt sehr überzeugend, als sei es jeder Schauspielerin und jedem Schauspieler ein inneres Anliegen, dieses Drama so überzeugend wie möglich vorzuzeigen. Aus dieser Haltung, aus den ruhigen wie beunruhigenden Bildern, entsteht ein gewaltiger Sog, eine innere Spannung, eine Anspannung. „Homeland“ wird „Hatufim“. Welch ein Gewinn. Joachim Huber

„Hatufim“, Donnerstag, 21 Uhr, Arte

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