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Medien: Je älter, desto ZDF

Fernsehnachrichten: Das junge Publikum schaltet lieber „RTL Aktuell“ als „Heute“ und „Tagesschau“ ein

Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das sich RTL und ZDF da liefern. Es geht um die Vorherrschaft bei den frühen Abendnachrichten. Das ZDF liegt mit der „Heute“Sendung um 19 Uhr noch einen Hauch vor „RTL Aktuell“, das um 18 Uhr 45 startet. An manchen Tagen hat der Privatsender den öffentlich-rechtlichen Konkurrenten bereits überholt. Die „Tagesschau“ der ARD um 20 Uhr bleibt vorne. Bei den Spät-Magazinen zeigt sich eine andere Reihenfolge. Das „Heute-Journal“ mit Startpunkt um 21 Uhr 45 lässt die „Tagesthemen“ der ARD um 22 Uhr 15 und das „RTL Nachtjournal“ um Mitternacht hinter sich.

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine für ARD und ZDF gefährliche Tendenz. RTL führt klar bei den Nachrichten wie auch bei den Journalen, wenn es um das Alter des Publikums geht. Bei den Zuschauern zwischen 14 und 49 – und das ist weit mehr als nur eine Generation im Fernsehpublikum – schneidet der Privatsender besser ab als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz. ARD und ZDF erfüllen ihren Informationsauftrag, das ist nicht die Frage, sie erfüllen aber in vermindertem Maß ihren gebührengestützten Auftrag, ein Medium für alle Altersgruppen zu sein.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben vor langen Jahren ihr Publikum segmentiert und Teile davon „outgesourct“. Die Kinder waren als Erste dran. So ehrenvoll und pädagogisch wertvoll die Gründung des gemeinsamen Kinderkanals gewesen sein mag, so eindeutig war damit der Abbau des Kinderprogramms im ersten und im zweiten Kanal verbunden. Die Kanäle sollten Kampfprogramme für das erwachsene Publikum werden, auf dass RTL & Co. in Schach gehalten werden konnten. Das ist gelungen, nur hat sich hinterrücks eine enorme Lücke aufgetan.

Kinderfernsehen bei ARD und ZDF gibt es in Spurenelementen nur noch an den Vormittagen von Sonnabend und Sonntag. Heißt: ARD und ZDF können die Fernsehanfänger nicht an ihre Programme binden. Und dann, wenn die Kinder älter als zehn sind? Da reicht der Kika längst nicht hin, selbst in den öffentlich-rechtlich orientierten Familienhaushalten kann es keine befriedigende Antwort auf die Nachwuchsfrage geben, was für Menschen ab zwölf in ARD und ZDF denn so liefe. Nichts. Die Privaten holen da Millionen ab, nicht weil sie so grandioses Fernsehen machen, sondern weil sich die Jugendlichen in den Programmen von MTV, Viva, Pro Sieben und RTL wiederfinden können. Öffentlich-Rechtlich kann am besten Kika und Senioren-TV.

Die Entscheidung gegen die älteren Kinder und die Jugendlichen war fatal, da über die vergangenen 20 Jahre duales Rundfunksystem Abermillionen mit dem Privatfernsehen sozialisiert wurden. Die Verteilung der Zuschauer bei den Nachrichten sind nur ein Ergebnis.

Jetzt suchen die Öffentlich-Rechtlichen die Schubumkehr. Bei der Aktion „Jugend verzweifelt gesucht“ geht es hilflos bis einfallslos zu. Das ZDF schickt Thomas Gottschalk in ein Casting-Format um Musical-Nachwuchs. Ehrlich, mit seinen 57 Jahren kann Gottschalk nur einen casten – seinen eigenen Nachfolger bei „Wetten, dass ..?“. Die ARD macht Beute bei Pro Sieben. Der 29-jährige Oliver Pocher tritt dem 50-jährigen Harald Schmidt zur Seite, damit der nicht in seiner LateNight-Show einnickt. Jetzt wird Bruce Darnell, bei Pro Sieben mit „Germany’s Next Topmodel“ erfolgreich, für das Werberahmenprogramm geholt. Genug Gebührengeld für die Transfers ist da.

Zu guter Letzt sind die Strategen von ARD und ZDF auf den Internet-Zug aufgesprungen. Sendung um Sendung wird online gestellt, denn die Jugend ist ja online. Der Gedanke dahinter: Ist „heute“ im Netz, klickt die Jugend eine Sendung an, die im Fernsehen meidet, und wird sich in Folge zu den öffentlich-rechtlichen Nachrichten hin orientieren. Höchste Zweifel sind angebracht, ob das Publikum, das willentlich vor die Fernsehtüre geschickt wurde, durch die Online-Portale zurückkehren und vor dem öffentlich-rechtlichen Bildschirm Platz nehmen wird. ARD und ZDF versuchen online gutzumachen, was sie offline angerichtet haben.

Schleichend werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein noch viel größeres Problem bekommen. Wer schon bei den Nachrichten mühsam den Vorsprung vor RTL hält, der hat in einem entscheidenden Punkt längst verloren – bei der Akzeptanz einer Rundfunkgebühr, die alle ohne Ausnahme bezahlen müssen.

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