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Medien: Journalistischer Scoop oder Voyeurismus? Der „Stern“ nimmt Stellung zu Vorwürfen der Gewaltdarstellung

Am Montag äußerte sich der „Stern“ erstmals zu den Vorwürfen der Gewaltdarstellung in der Titelgeschichte „Der Kannibale“ (Heft 31/03 vom 24. Juli).

Am Montag äußerte sich der „Stern“ erstmals zu den Vorwürfen der Gewaltdarstellung in der Titelgeschichte „Der Kannibale“ (Heft 31/03 vom 24. Juli). Detailreich zeichneten zwei „Stern“-Autoren darin das Psychogramm jenes Verbrechers, der nach eigener Aussage einen anderen Menschen mit dessen Zustimmung getötet und gegessen haben soll. Wie am Wochenende bekannt wurde, ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen die Autoren der „Stern“-Geschichte. Den Strafantrag hatte ein Leser gestellt. Es geht um Paragraf 131 des Strafgesetzbuchs, wonach Gewalttätigkeiten nicht verherrlicht oder verharmlost werden dürfen. Der „Stern“ habe weder verherrlicht noch verharmlost, sagt Helmut Jipp, der Anwalt eines der Autoren. Er glaubt, die Ermittlungen würden daher schnell eingestellt. Jipp hatte den Artikel bereits als unbedenklich gewertet, bevor er gedruckt wurde.

Eine andere Frage könnte sein, ob die detaillierte Beschreibung der gruseligen Tat jugendgefährdend ist – und, ob sie unter ethischen Gesichtspunkten zu verantworten ist. Der „Stern“ wird jede Woche von 7,22 Millionen Menschen gelesen, darunter auch von weniger Abgeklärten, von Jugendlichen und Kindern. Nach zwei eingegangenen Beschwerden prüft nun auch der Deutsche Presserat die Veröffentlichung des „Stern“.

In dem 15 Seiten langen Artikel wird in allen Einzelheiten beschrieben, wie der Mann, der zum „Kannibalen“ wurde, aufgewachsen ist, sein Opfer im Internet kennen gelernt, getötet, das Fleisch zubereitet und gegessen habe. Wozu? Aus Voyeurismus? Aus Sensationsgier? Oder aus journalistischer Notwendigkeit heraus, „weil der ,Stern’ polarisieren muss“, wie „Stern“- Sprecher Frank Plümer sagt? Anlass für die Geschichte sei gewesen, dass es sich bei der Straftat um einen „zivilisatorischen Bruch handle“, um einen Fall, der „in dieser Dimension neu- und einzigartig“ sei. Die Details seien notwendig, um die Unglaublichkeit dieses „neuzeitlichen Verbrechens“ darzustellen. Die Geschichte bezeichnet Plümer gar als „journalistischen Scoop“, die Sachkenntnis der Autoren als „ausgezeichnet“. Der Verantwortung gegenüber dem Leser sei sich der „Stern“ bewusst gewesen. Im Übrigen stünde es „jedem Leser frei, aus der Lektüre auszusteigen und nicht weiterzulesen“, sagt Plümer. Den Vorwurf des Voyeurismus lässt er nicht gelten, zumal er für jede Schilderung von Gewalttaten gemacht werden könnte. „Die Grenzen sind jedes Mal neu individuell zu bewerten“, und in diesem Fall seien sie „aus Sicht der Chefredaktion nicht überschritten“ worden. Schließlich, so Plümer, sei nur ein Bruchteil dessen gezeigt worden, was der „Stern“ an Material zur Verfügung hatte.

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