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Jubiläum: Pimp my MTV

Schnelle Videos, absurde Datingshows: Seit 20 Jahren ist der Musikkanal in Deutschland auf Sendung.

Draußen sitzt die Zielgruppe und hofft, dass heute doch noch etwas Spannendes passiert. Zum Beispiel, dass die Jungs von Tokio Hotel überraschend vorbeikommen. Oder wenigstens die Killerpilze. Man weiß ja nie, wer hier in der deutschen Zentrale des Musiksenders MTV am Berliner Osthafen für Shows oder Interviews erwartet wird. Deshalb haben sich Vanessa, Katja, Pascal und Anna, alle 14, für den Ernstfall ausgerüstet. Mit Digitalkameras und Stiften für Autogramme in der Tasche sitzen sie auf den hohen, breiten Stufen vor dem großen Backsteingebäude und warten. Das machen die vier Jugendlichen fast jeden Tag – denn die Chance, dass sie einen Blick auf ihre Stars erhaschen können, ist hier größer, als wenn sie zu Hause das Programm von MTV einschalten. Zumal der Sender zwischen zwölf Uhr und Mitternacht an manchen Tagen weniger als vier Stunden Musikvideos zeigt. Dabei waren es gerade die Clips in Endlosschleifen, mit denen der Sender 1981 die Fernsehlandschaft revolutionierte. „Video Killed The Radio Star“ von den Buggles spielte er damals programmatisch und selbstbewusst als ersten Clip. Zunächst nur in den USA zu sehen, eröffnete MTV am 1. August 1987 seine europäische Dependance in London. Damit kamen die schnellen, bunten und coolen Videos auch ins deutsche Kabelnetz. 20 Jahre ist das jetzt her – dennoch wird in der deutschen Zentrale, die sich seit 2004 in Berlin befindet, auf eine Feier verzichtet.

Zwar stapeln sich neben den Schreibtischen große Pakete, aber darin befinden sich keine Geschenke, sondern Ordner, Kassetten und Büromaterial. Einige Redaktionen ziehen um. Denn vergangene Woche wurde das neue Bürogebäude für Verwaltung, Marketing und Presseabteilung neben dem Studiogebäude bezogen. Jetzt haben die 350 Mitarbeiter, die hier nicht nur für MTV, sondern auch für den Musiksender Viva, den Kinderkanal Nick und den Sender Comedy Central arbeiten, mehr Platz.

Auch der Schreibtisch von Markus Kavka wirkt nur halbwegs eingerichtet. Keine Poster, keine gemeinsamen Fotos von Stars, sondern nur ein schwarzer Tisch im Großraumbüro. Kavka ist eines der wichtigsten Aushängeschilder des Senders – obwohl er mit seinen 40 Jahren längst „Vater“ der Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 29 sein könnte. In seinem blauen Fred-Perry-Poloshirt, der blauen Jogginghose und den Nike-Turnschuhen wirkt er allerdings nicht zwanghaft auf jugendlich getrimmt, sondern eher zeitlos. Vor allem: authentisch. Bei MTV moderiert er die „Rockzone“ und präsentiert die „News“, in denen er mit ironischem Unterton über die Eskapaden von Paris Hilton, Lindsay Lohan und anderen Stars und Sternchen berichtet.

Es gehört zum neuen Konzept des Senders, auf Unterhaltung statt auf Musik zu setzen. Denn in den vergangenen Jahren musste MTV zusehen, wie das Internet seinen programmatischen Slogan aus der ersten Stunde aushebelte: Videos sind heute auf Youtube zu sehen, Bands suchen sich ihren Weg in die Öffentlichkeit über Myspace.

„Musikfernsehen in seiner klassischen Form hat ausgedient“, sagt Kavka ohne großes Bedauern. Zwar liege der Musikanteil von MTV immer noch bei 70 Prozent, heißt es. Doch während der Hauptsendezeit laufen absurde Datingshows wie „Date my Mom“, verrückte Stunt-Einlagen wie „Jackass“, Celebrity-Soaps oder Comicsendungen wie „South Park“. Das rechnet sich auch betriebswirtschaftlich, denn einmal produziert, können die Sendungen beliebig oft in den 168 anderen MTV-Ländern ausgestrahlt werden, ohne dass dies extra kostet.

Mit der Konkurrenz aus dem Internet hat MTV auch seine Rolle als Trendsetter eingebüßt. Kavka sieht die Zukunft des Senders deshalb eher als Multimediaplattform, die nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch im Internet ihr Publikum anspricht. „MTV filtert dann aus dem ganzen Wust an Informationen die wichtigsten Strömungen und macht sie für die Zuschauer leichter verständlich“, sagt der Moderator. Das sei dem Sender zuletzt beim Boom um die deutschen Bands gelungen, als er das Potenzial der Band „Wir sind Helden“ erkannte und unterstützte. Solche Trends muss der Sender allerdings auch erkennen – denn nur so bleibt er für die junge Generation glaubwürdig und relevant.

Der Umzug von München nach Berlin 2004 war deshalb unumgänglich. „Hier ist die Szene am lebendigsten“, sagt Kavka, „Stadt und Sender befruchten sich gegenseitig.“ Auch logistisch sei der Standort sinnvoll. Die Stars seien wegen der vielen Filmpremieren ohnehin oft hier – und fänden Berlin spannender als die bayerische Landeshauptstadt. Praktischerweise können sie auf dem großen Areal am Osthafen oft mehrere Termine gleichzeitig erledigen. Denn hier ist nicht nur MTV, sondern auch der frühere Konkurrenzsender Viva untergebracht, der seit 2005 ebenfalls zum MTV-Mutterkonzern Viacom gehört. Die Sender teilen sich sogar die Studios – aber weil die Kulissen unterschiedlich sind, merken die Zuschauer davon nichts. Kavkas „News“-Studio liegt gleich gegenüber vom Fundus des Kinderkanals. Eine Weile will er von hier aus noch moderieren. „Aber ich hätte mittelfristig nichts dagegen, bei ARD oder ZDF den Altersdurchschnitt der Zuschauer zu drücken“, sagt er. Eine politische Talkshow würde ihm gefallen. Damit ihm dort Vanessa, Katja, Pascal und Anna zuschauen, müsste Kavka allerdings Tokio Hotel als Hausband engagieren.

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