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Kabarett: „Poldi – ein großer Philosoph“

Jürgen Becker über gutes Kabarett, die Schmidts und Kardinal Meisner

Herr Becker, vom 1. Juli an darf auch in Gaststätten in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geraucht werden. Was machen dann „Loki und Smoky“?

Rauchen ist ja der letzte Zugang des Menschen zum offenen Feuer. Die Germanen haben das Feuer immer in Höhlen angezündet – als Schutz vor wilden Tieren. Deswegen qualmen wir auch heute noch gerne unsere Kneipen ein, weil wir Angst haben, dass ein Löwe reinkommt, der uns fressen will. Der Helmut Schmidt ist so alt, der hat das mit den Höhlen noch dermaßen drin, dass er sich nicht mehr umstellen kann.

Haben Sie schon mal eine Rückmeldung von Helmut Schmidt bekommen?

Nein, wahrscheinlich kennt er „Loki und Smoky“ gar nicht. Giovanni di Lorenzo, Herausgeber der „Zeit“, hat den Herbert Knebel mal angerufen, ob er nicht mit der Nummer überraschend auf Helmut Schmidts Geburtstag auftreten will. Das ging aber terminlich nicht.

Mario Barth tritt vor 70 000 Fans im Berliner Olympiastadion auf. Wendet sich da der Kabarettist mit Grausen ab?

Mario Barth ist das, was man in der Medizin als Lach-Yoga bezeichnet: Lachen ohne Grund. Aber Lachen ist ja sehr gesund, man braucht 80 Muskeln und es stärkt das Immunsystem.

Kann man eine klare Grenze ziehen zwischen Kabarett und Comedy?

Kabarettisten versuchen schon, eine gewisse Grundhaltung herauszuarbeiten und sich vorher, ähnlich wie bei einem Kommentar, eine Meinung zu bilden. Das sehe ich bei Comedians selten. Deswegen muss Comedy nicht schlecht sein. Ich bin als Jugendlicher mit Otto aufgewachsen, das hatte eine hohe Qualität. Und als ich älter wurde, habe ich Hüsch und Hildebrandt entdeckt. Also: Alles zu seiner Zeit.

Kabarett galt im Fernsehen eine Weile als von gestern.

Das habe ich bei der „Lach- und Schießgesellschaft“ auch so empfunden. Einer sitzt am Klavier und vier stehen vorne, das war überholt. Der kulturelle Bruch begann Ende der siebziger Jahre mit dem Anarcho-Kabarett der „3 Tornados“. Das war wahnsinnig frech und im Grunde eine Mischung aus Kabarett und Comedy. Das versuchen wir heute noch zu pflegen: kein politisch korrektes Kabarett, sondern eine Mischung aus den Dingen, die das Leben ausmachen. Der Alltag ist auch politisch. Es muss nicht immer Angela Merkel vorkommen, es kann auch der Nachbar von nebenan sein.

Können Sie am Samstag in den „Mitternachtsspitzen“ auf Fußball verzichten?

Nein, wir haben Jogi Löw als Interviewpartner eingeladen – und auch Lukas Podolski. Der wird vom Publikum sehr geliebt. Das ist ja das Schöne: Fußball ist ein bisschen wie Paralympics für alle. Man ist freiwillig behindert, denn man darf seine Hände nicht benutzen. Und das setzt sich fort bei der After-Show-Party, wenn Menschen, die eigentlich gar nicht richtig sprechen können, lange Interviews geben müssen. Das finde ich unheimlich witzig. Podolski ist ein großer Philosoph, ich höre dem sehr gerne zu.

Braucht man als Kabarettsendung nicht hin und wieder einen zünftigen Ärger, damit man sagen kann: Seht her, wir sind immer noch scharf und bissig?

Das schadet nicht. Aber das kann man schlecht planen. Ich finde Provokation aus Kalkül nicht gut. Wenn sich mal einer beschwert wie zuletzt Kardinal Meisner bei dem Begriff „Hassprediger“, dann ist das ein Glücksfall. Die Einstweilige Verfügung unterschreibe ich gerne. Das ist dann wie Fußball. Man muss spielen, ohne das Wort zu benutzen. Also sagt Volker Pispers auf der Bühne zu mir: „Herr Becker, ich habe gehört, Sie dürfen unter Androhung von 250 000 Euro Strafe zu Kardinal Meisner nicht mehr ,Hassprediger’ sagen.“ „Ja, das stimmt.“ „Ich finde, wir sollten zusammenlegen.“ Schon gibt es ein Riesengelächter im Saal. Insofern ist das gut, wenn sich einer auch mit juristischen Mitteln wehrt.

Das Interview führte

Thomas Gehringer

Jürgen Becker , 48, war Präsident der Kölner Stunksitzung im alternativen Karneval. Seit 1991 tritt er mit Soloprogrammen auf, seit 1992 moderiert er die „Mitternachtsspitzen“ im WDR.

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