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Steffen Möller

© Möller

Kabarettist Steffen Möller: "Möllerowski? Dann bekomme ich keine Wohnung“

Kabarettist und Fernsehstar: Steffen Möller ist in Polen so bekannt wie der Papst. Ein Gespräch über ein nahes, fernes Land.

Herr Möller, gibt es eine Frage, die Sie nicht mehr hören können?

Ja, gibt es: Herr Möller, von Wuppertal nach Warschau, wie konnte das passieren?

Wie konnte es denn?

Ich habe während des Studiums aus reiner Neugier einen Polnischkurs in Krakau gemacht. Schon an meinem ersten Tag in Polen habe ich gemerkt, dass ich ein tolles Land und eine genauso tolle Sprache entdeckt habe. Von da an war ich verloren.

Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass es Ihnen die hübschen Polinnen angetan hatten.

Tatsächlich, die meisten denken, ich hätte eine polnische Freundin gehabt, bevor ich nach Polen ging. Das kam aber erst später.

Wie haben Sie es geschafft, diese unglaublich schwere Sprache zu lernen? Sprechen Sie Polnisch wie ein Pole?

Nein. Ich bin leider an der Aussprache immer noch nach wenigen Sätzen als Ausländer zu erkennen. Grammatikalisch läuft es etwas besser. Geholfen hat mir dabei Latein. Das hatte ich in der Schule, und da gibt’s auch viele Fälle.

Was sind Sie denn nun, ein Deutscher in Polen, ein polnischer Deutscher, Deutschpole, Polendeutscher?

Meistens Deutscher. Ich habe immer noch viele deutsche Eigenschaften. Eine davon ist: Ich melde Schäden. In einem Lokal in Warschau habe ich den Wirt auf eine kaputte Glühbirne in der Toilette hingewiesen. Der hat mich dann nur mitleidig angeguckt und gesagt, ich weiß, ist schon seit einem halben Jahr kaputt. Kein Pole würde einen solchen Bagatellschaden melden.

Dieses deutsch-polnische Hin und Her muss Sie doch ganz verrückt machen.

Ja, schon. Wenn ich zum Beispiel den Eurocity nach Warschau nehme und da die Deutschen und da die Polen sitzen sehe, weiß ich nicht immer, wohin ich mich nun eigentlich setzen soll. Ich ziehe es dann meist vor, für mich allein zu sitzen.

Sind Sie in Polen noch ein Fremder?

Fremd fühle ich mich heute eher in Deutschland. In Polen fühle ich mich immer noch als Gast. Das ist eine angenehme Lebenslage – zumindest wenn man sich als gern gesehener Gast fühlen darf. Und doch bleibt der Gast natürlich immer auf Distanz. Und das ist auch okay für mich. Ich war immer schon Randgänger, Peripheriker.

Warum werden Sie nicht Pole?

Da würde ich wohl mein Kabarett zumachen können, das ja gerade davon lebt, dass ich die Polen aus der Distanz des Ausländers beobachte.

Sie könnten sich ja Möllerowski nennen.

Lassen wir es beim Möller – klingt in Polen exotischer als Möllerowski. Außerdem: Wenn ich mich umbenennen würde, hätte das den großen Nachteil, dass die Polen mir nicht mehr so vertrauen würden, wie sie es jetzt tun, solange ich Deutscher bin. Sie misstrauen sich ja untereinander wahnsinnig, das glauben Sie nicht. Ich war gerade in England, wo zwei Millionen Emigranten-Polen leben. In deren Zeitungen steht jeden Tag ein Artikel à la „Pole bestahl Polen“ oder „Pole trickste Landsmann aus“ und so weiter. Deshalb haben es die Deutschen in Polen ja auch so gut. Wenn sich ein Deutscher und drei Polen um eine Mietwohnung bemühen, dann bekommt garantiert der Deutsche die Wohnung.

Scheint eine tolle Sache zu sein, Deutscher in Polen.

Im Alltag ja. Auf Partys nein. Eine Polin würde nie einen Deutschen zum Tanzen auffordern, weil sie denkt, der tanzt sowieso nicht mit mir. Der kann es gar nicht.

Der Deutsche tanzt nicht? Das ist doch ein Klischee!

Ja? Sollte sich da was in meiner Abwesenheit geändert haben? Nee, nee, Klischees können auch manchmal stimmen. Gelegentlich allerdings auch nicht, logisch. Mit zwei Klischees über Polen möchte ich bei dieser Gelegenheit gleich mal aufräumen. Der Pole trägt immer Schnurrbart? Das ist falsch. Wenn doch, dann sind das ältere Männer aus der Provinz. Und zweitens: „Die Polen sind faul.“ Total falsch. In Warschau herrscht ein Gehtempo, irre.

Von Berlin bis zur polnischen Grenze sind es knapp siebzig Kilometer. Wie viele sind es wirklich?

Von Berlin nach Sibirien sind es auf der Landkarte, glaube ich, rund zweitausend Kilometer. Und nach Warschau sind es für einen Deutschen gefühlte eintausendneunhundertneunundneunzig Kilometer. Dabei braucht der Zug von Berlin nach Warschau nur sechs Stunden, eine knappe Stunde mehr als von Berlin nach Köln. In Wirklichkeit sind es nämlich gerade mal 550 Kilometer.

Ist Polen der Nachbar, den wir von allen am wenigsten kennen?

Ich glaube schon. Es ist doch bezeichnend, dass in Warschau gerade mal 2000 Deutsche leben und arbeiten. Meistens Manager und Büroleute, die mit dem ganz normalen Leben kaum Kontakt haben.

Und die deutsch-polnische Vergangenheit: kein Thema mehr?

Weniger als man denkt. Man sollte in einem Bus vielleicht nicht gerade „Fischers Fritze“ brüllen. Aber eher aus ästhetischen Gründen. Richtige Aggression gegen Deutsche habe ich nie gespürt.

In Polen sind Sie ein Fernsehstar. Warum nicht auch bei uns?

Nun warten Sie doch mal ab! Vielleicht kauft das ZDF ja noch die Lizenz zu meiner Serie „L wie Liebe“. Die Russen haben es schon getan. Seit zwei Jahren läuft „L wie Liebe“ im russischen Fernsehen. Von der ersten Folge an ist ein Deutscher mit Namen Stefan Müller dabei. Der allerdings von einem Russen gespielt wird.

Wissen Sie, was Sie und Adolf Hitler gemeinsam haben?

Den Drang nach Osten?

Nicht ganz. Sie sind neben Adolf Hitler der einzige Deutsche, der es geschafft hat, Polen ganz für sich einzunehmen.

Jetzt, wo Sie es sagen! Aber gegen den Papst verliere ich haushoch. An dem Tag, an dem Benedikt gewählt wurde, kam mir auf der Straße ein unbekannter Pole entgegen, der mich wohl aus dem Fernsehen kannte, streckte mir die Hand hin und sagte: Herzlichen Glückwunsch!

Wir haben offensichtlich viel mehr mit den Polen gemein, als wir ahnen.

Ja, nicht nur den Papst. Die Polen haben auch diese Gemütlichkeit, diese Bier- und Fußball- und Schrebergarten-Kultur. Und außerdem gibt es nur zwei Nationen in Europa, die im Norden das Meer und im Süden die Berge haben, Polen und Deutschland. Die Hauptstadt Polens liegt im Osten des Landes, die deutsche auch.

Was müssen wir unbedingt von den Polen wissen?

Zum Beispiel, dass die Polen keine reinen Slawen sind, sondern eine Mischung aus Slawen und Engländern.

Engländern?

Das englische Element an den Polen ist ihr Sinn für das Absurde. Sie haben eine absolute Leichtigkeit. Ein Beispiel: Eine Klowärterin in einer öffentlichen Toilette in Warschau, die gerade Kreuzworträtsel löst und von mir einen Zloty Gebühr forderte. Ich sagte zu ihr, um sie ein bisschen hochzunehmen: Tschuldigung, unter der Decke hängt ’ne Kuh. Antwortet sie ohne aufzublicken: Dann melken Sie sie doch.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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