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Medien: Kahn und die Sensenmänner

Eine

von Helmut Schümann

Ein Torwart macht Fehler, das ist unvermeidlich. Nur einer, der macht keine Fehler. Und wenn er einen macht, dann war es ein Foul oder man hat gerade nicht hingesehen. Béla Réthy zum Beispiel, der ZDF-Kommentator des Länderspiels der Deutschen gegen die USA. Eigentlich zählt er ja zu den besseren Beobachtern im Lande. Aber wo schaute er bloß hin, als die Amis ihren Gegentreffer erzielt hatten? Noch als die Deutschen wieder angestoßen hatten im Mittelkreis, bestand er darauf, dass Oliver Kahn, das ist jener Mann ohne Fehl und Tadel, gefoult worden sei und das Tor nicht zähle. Oder nehmen wir die „Bild“, die hatte in ihrer Berichterstattung am Donnerstag auch gesehen, dass ein Mr. Johnson „den herauslaufenden Kahn umgesenst“ hatte – „ein klares Foul“. Das erinnert ein wenig an Altpräsident Heinrich Lübke, der hat seinerzeit 1966 in Wembley beim berühmtesten Untor aller Zeiten „den Ball ganz klar im Netz zappeln“ gesehen. Was nämlich in Dortmund am Mittwoch klar ersichtlich war, sogar für Kahn selbst, sogar für Co-Kommentator Beckenbauer: Kahn wurde gar nicht gefoult. Kahn hatte die Flugbahn des Balles unterschätzt, wollte ihn wegköpfen – aber da war er schon weg, der Ball, und auf dem Weg ins Tor.

Réthy beobachtete nicht, die „Bild“ auch nicht. Möglicherweise hängt das mit der weiterhin ungeklärten Frage zusammen, wer denn nun bei der WM im Tor stehen soll, der Ohne-Fehler-Kahn oder dessen Widerpart Jens Lehmann. Für Kahn sprechen die Bayern, Beckenbauer und die „Bild“ (für Lehmann die Leistung, das nebenbei). Nun weiß man, dass Beckenbauer Kolumnist bei der „Bild“ ist und Co-Kommentator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass sich eine Art Berlusconisierung in die Berichterstattung eingemogelt hat. Nach dem Motto: Sind wir mal päpstlicher als der Papst und noch ein wenig gehorsamer, als der Kaiser selbst es wünscht. Auf dass er nicht zürne und Klinsmann Kahn nominiere. Wenn nun aber unser Journalismus, oder Teile davon, die Mannschaftsaufstellung dirigieren wollen, dann könnten wir doch auch noch einmal darüber nachdenken, die Sache vor dem Bundestag auszudiskutieren: Hammelsprung für die Torwartfrage.

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