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Kampagne für Tempelhof: „Gescheitert – und auch nicht“

Zur Kampagne von Springer-Presse und Icat für den Flughafen Tempelhof.

Herr Erbring, die Springer-Blätter und die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof Icat haben eine Kampagne für den Weiterbetrieb von Tempelhof gefahren. Dennoch ist der Volksentscheid gescheitert. Ist die Kampagne mit gescheitert?

Nein, das ist sie nicht. Was sie bewiesen hat: Berlin ist immer noch gespalten. Diese Spaltung betrifft nicht nur die Tempelhof-Frage, sie betrifft auch die Verbreitung der Tageszeitungen und die Aufteilung der Rundfunkquoten. Wenn nur Westberlin abgestimmt hätte, hätte die Kampagne mit Abstand gewonnen. Insofern ist sie doch gescheitert, weil die Initiatoren nicht berücksichtigt haben, dass im Osten die Stimmung eindeutig gegen Tempelhof war. Natürlich hat auch die Springer-Presse im Osten ein sehr viel kleineres Publikum als im Westen.

Vom Ergebnis abgesehen – was hat die Kampagne trotzdem erreicht?

Ich glaube, sie hat nichts erreicht. Der Volksentscheid war ein Strohfeuer, ein öffentliches Ereignis, er hat auch eine gewisse historische Emotionalisierung mitgebracht, mehr symbolischer als wirtschaftlicher Bedeutung. Was stattfand, war eine Nostalgiewelle im Westen. Als Kampagneure waren beide Seiten grottenschlecht. Die Befürworter haben nur mit Emotionen ohne Argumente geworben, die Gegner haben, abgesehen von den Plakaten mit Sozialneid und Übellaunigkeit, vor allem falsche Rechtsargumente gebracht. Das ist sehr schade, sehr häufig aber ein Kennzeichen von plebiszitären Kampagnen.

Lässt sich nach dem Volksentscheid das Dauerfeuer aus der Pro- wie aus der Kontra-Ecke ohne Weiteres fortsetzen?

Natürlich nicht. Es kann sein, dass es den Leuten in zehn Jahren leidtut, dass sie den Flughafen dichtgemacht haben. Deswegen kommt es jetzt sehr darauf an, was es an Nachnutzungskonzepten geben wird, die fast noch völlig im Nebel sind. Aus dem Versuch der Parteien, insbesondere der CDU, den Volksentscheid als Revitalisierung der Berliner Parteienlandschaft zu nutzen, wird nicht viel werden.

Kann sich eine Kampagne auch gegen ihren Urheber wenden?

Ja, das ist aber jetzt eine Frage an die Medien. Denn Medien sind es, die im Nachgang das Ereignis, die Strategien und die Verhaltensmuster der Beteiligten unter die Lupe nehmen. In der medialen Reflexion kann sich eine Urteilsbildung der Medienkonsumenten ergeben, die gegebenenfalls für die Beteiligten an der Kampagne nach hinten losgeht. Ob der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedbert Pflüger beim Volksentscheid mit gescheitert ist, ist ein Nebenschauplatz, wird in den Medien aber zum Hauptschauplatz.

Umfeld oder Medienkonsum, wer übt den größeren Einfluss auf den Bürger aus?

Eindeutig das Umfeld. Die Medien verstärken den Befürworter in seinem Ja zu Tempelhof, die Medien verstärken die Gegner in ihrem Nein. Die Medien sind ja nicht als Akteure dabei, sondern als Plattformen, auf denen die Akteure auftreten können. Beim Tempelhof-Entscheid konnte man klar sehen, wer dann wen zu Wort kommen ließ.

Immer wieder wird von der Macht der Medien, der Macht der Presse geschrieben und gesprochen. Was ist daran richtig, was falsch?

Eigentlich alles. Die entscheidenden Beiträge kamen beim Volksentscheid von den Akteuren selber, von den Plakaten und von den Auftritten in den Medien. Das hat der Frage Schwung und Bewegung verschafft.

In der Hauptstadt soll ja der medial-politische Komplex existieren. Wer bestimmt dann zum Beispiel den Kanzlerkandidaten der SPD – die Medien oder die Partei?

Die Medien haben eine sehr exponierte Beobachtungs- und Interpretationsfunktion für die Öffentlichkeit. Aber auch das geschieht nicht ohne Beiträge aus der Partei. Was bei den Medien in den letzten Jahren auf jeden Fall stärker geworden ist: die Fokussierung auf Petitessen, Personen und Machtposten. Die Frage bei Kurt Beck lautet also, ob er es kann oder nicht. Diese mediale Verengung macht die Bürger ein wenig verdrossen.

Das Interview führte Joachim Huber.

Lutz Erbring ist emeritierter Professor für Medienwirkungsforschung am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin.

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