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Über Themen mit Empörungspotenzial versuchen Nazis ihre Weltsicht zu verbreiten. Eindeutig rechtsextreme Seiten werden von Facebook gelöscht.

© Tsp

Kampagnen: Gestatten, rechts und nett

In den sozialen Netzwerken präsentieren sich Neonazis als politische Alternative. Zugleich wabert im Internet der braune Sumpf.

„Keine Gnade für Kinderschänder“, diese Haltung teilen viele Menschen, so auch im sozialen Netzwerk Facebook. Die Betreiber der Seite waren äußerst aktiv, 70 000 Mitglieder der Community erklärten per „Gefällt mir“-Button ihre Zustimmung zu der Forderung. Die von den Seitenbetreibern organisierten Veranstaltungen erreichten bis zu 200 000 Unterstützer. Bis die Seite vor drei Wochen geschlossen wurde, weil das Thema Kindesmissbrauch nur eine Tarnung war. Tatsächlich nutzte die Naziszene die Seite zur Verbreitung ihrer rechten Ideologie bis hin zur Forderung nach der Einführung der Todesstrafe. „Das wurde wirklich sehr professionell und akribisch gemacht“, sagt Simone Rafael von der Initiative No-Nazi.net.

No-Nazi.net gehört wie auch „Netz gegen Nazis“ zur Amadeu Antonio Stiftung, die sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus verschrieben hat. Bereits vor geraumer Zeit beobachtete die Stiftung, wie der Rechtsextremismus in den sozialen Netzen zum gravierenden Problem wurde. Anders als bei den bisherigen Aktivitäten wendet sich No-Nazi.net nun in Facebook, SchülerVZ und wer-kennt-wen mit eigenen Gruppen direkt an die Jugendlichen, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten und Diskussionen anzuregen. Auch in der aus einer Flirtbörse hervorgegangenen Community Jappy ist die Initiative aktiv. Jappy ist in den neuen Bundesländern stark vertreten, was die Plattform für die Rechten interessant macht.

Vor anderthalb Jahren rief die rechte Publikation „Deutsche Stimme“ dazu auf, sich in den Netzwerken als „nette Rechte von nebenan“ zu präsentieren. Statt durch Tattoos und Springerstiefel aufzufallen, sollten lokale Kontakte geknüpft, Unterstützer für eigene Kampagnen gefunden und die NPD als wählbare Partei dargestellt werden.

An Aktivitäten mangelt es nicht, zumal sich viele Themen für die Indoktrination anbieten. Die Sorge um die Zukunft des Euros wird zur Forderung „Raus aus der EU“ umgeformt, um so die „Volksgemeinschaft“ nicht zu beschädigen. Auch die Occupy-Bewegung wird okkupiert, indem auf die Gefahren des Finanzkapitals hingewiesen wird. Von da über das „Weltjudentum“ bis zum offenen Antisemitismus ist der Weg nicht weit. Bewegungen wie Occupy sind besonders gefährdet, weil sie für Offenheit stehen. „Solange nur zum Thema gepostet wird, sind uns alle willkommen“, wird argumentiert.

Selbst die Foren, in denen über die Zwickauer Zelle diskutiert wird, werden zur Sympathisantenwerbung genutzt. In Diskussionen wird nach den Todesopfern migrantischer Gewalt gefragt und auf das Schicksal von deren Familien hingewiesen. Vorwürfe werden erhoben, der Staat sei in der Extremistenverfolgung offenbar auf dem linken Auge erblindet. Oder aber es wird argumentiert, eigentlich sei der Kampf gegen den Rechtsextremismus erst die Ursache dafür, dass es zu solchen Taten wie den „Döner-Morden“ gekommen sei. Allerdings nehmen inzwischen auch wieder die Postings und Kommentare in Blogs zu, die die Mitglieder der Zwickauer Zelle als Helden feiert. Ein rechter Online-Shop preist gar ein Shirt mit der Aufschrift „Killer-Döner nach Thüringer Art“ an, erzählt Rafael.

Auffällig an diesen Propagandaseiten ist, dass fast ausschließlich rechte Nachrichtenquellen genutzt werden. Beispiele dafür sind das Blog „Deutschland-Echo“. Das führt zu Aussagen, dass 80 Prozent aller Kinderschänder einen Migrationshintergrund hätten. Völlig an den Haaren herbeigezogene Behauptungen werden so als unumstößliche Wahrheiten hingestellt. Die Initiative No-Nazi.net rät davon ab, rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Postings unkommentiert stehen zu lassen. Auch wenn eine echte Diskussion mit den Rechten nicht möglich sei, sollte man sich klar positionieren, auch mit Blick auf die Mitleser. Verstöße gegen Recht und Gesetz könnten entweder bei den Betreibern der Netzwerke oder bei Initiativen wie no-nazi.net gemeldet werden.

Das Internet wird von Rechtsextremen aber auch noch auf andere Art und Weise genutzt, mittels geheimer Plattformen, die dem Aufbau einer „NS-Elite“ dienen sollen. Dort finden sich Listen von politischen Gegnern oder auch Aufrufe zu konkreten Aktionen. Diese Foren sind im strengeren Sinne gar nicht so geheim, sagt der Journalist und Buchautor Burkhard Schröder, der sich seit Jahren mit dem Thema Internet und Rechtsradikalismus beschäftigt. Man könne dort aber auch intern diskutieren, ohne dass jemand mitliest, mit Ausnahme des Administrators. Und manche Unterforen sind nur für bestimmte Benutzergruppen zugänglich.

Websites mit angeschlossenen öffentlichen und internen Foren, so Schröder, seien schon seit Mitte der 1990er Jahre bekannt. Neu ist, dass diese Seiten vor allem auf US-amerikanischen Servern liegen, mit deutschsprachigen Unterforen, und dadurch schwerer auszumachen sind. „Und die Leute, die sich real kennen, sind in der Lage, sich in diesen Portalen auch vor den Zugriffen anderer Leute, die nicht bekannt sind, zu schützen, unter anderem durch verschlüsselte Mails.“

Laut Verfassungsschutzbericht 2010 ist die Nutzung des Internets für deutsche Rechtsextremisten ein fester Bestandteil bei der Verbreitung ihrer Ideologie, der Vorbereitung von Aktionen, Kampagnen und anderen Veranstaltungen sowie der Kommunikation mit Anhängern und Sympathisanten. Ende 2010 waren circa 1000 von Deutschen betriebene rechtsextremistische Homepages online. Dabei sei eine anhaltend hohe Fluktuation zu beobachten, so konnten im Verlauf des Jahres 2010 etwa 250 neue Websites festgestellt werden; im gleichen Zeitraum wurde eine annähernd gleich große Anzahl wieder abgeschaltet. Oder es kommen neue im Web 2.0 hinzu: „Deutschland gegen Kindesmissbrauch“ heißt der Nachfolger der geschlossenen Propagandaseite auf Facebook.

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