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Josef Depenbrock

© ddp

Klage: Josef Depenbrock ist so frei

Die Redaktion der „Berliner Zeitung“ klagt gegen Depenbrock, der Chefredakteur und Geschäftsführer in einer Person ist.

In der Medienbranche reden die Menschen gerne. Über ihre nächsten Projekte, die Zukunft der Kommunikation, das Ende des gedruckten Wortes und vor allem - über sich. Josef Depenbrock ist insofern ein untypischer Vertreter seines Fachs. Anfragen von Journalisten beantwortet er äußerst selten. Das habe ihm noch nie etwas gebracht, erläuterte er einmal in einem Telefongespräch.

Depenbrock hat ja auch eine Menge zu tun. Er ist Chefredakteur der "Berliner Zeitung" seit Juni 2006, Herausgeber der "Hamburger Morgenpost" und Geschäftsführer der BVZ Deutsche Mediengruppe Holding, in der die "Mopo" und der Berliner Verlag gebündelt sind. Quasi nebenbei ist Depenbrock Mitgesellschafter der cash.medien AG ("Cash.") sowie Herausgeber und Geschäftsführer von "Azur - das Kreuzfahrtmagazin". Dass der Westfale, Jahrgang 1961, der bei den "Westfälischen Nachrichten" sein journalistisches Handwerk lernte, im Vorstand des Hamburger Presseclubs sitzt, erscheint angesichts dieser Postenfülle nur wie eine Randnotiz. Just bei einer Veranstaltung dieses Presseclubs ging Depenbrock auf seine Position im Berliner Verlag ein. Seine Doppelrolle als Chefredakteur und Geschäftsführer verschaffe ihm "doppelten Gestaltungsspielraum", sei aber auch "undankbar". Er könne sich als Chefredakteur nicht hinter einem Verlagsleiter verstecken oder umgekehrt.

Die Redakteure der "Berliner Zeitung" wären froh, wenn Depenbrock die angeblich so undankbare Doppelrolle endlich ablegt. Seit Monaten fordern sie von ihrem Chef, dass er einen Posten aufgibt. Sie sind überzeugt: Seine Doppelrolle verstößt gegen das Redaktionsstatut. Deshalb klagt der Redaktionsausschuss jetzt vor dem Berliner Arbeitsgericht, das sich heute mit dem Fall beschäftigt.

Der Klage vorausgegangen war ein offener Brief der Redaktion an Depenbrock, in dem sie ihn öffentlichkeitswirksam zum Rücktritt als Chefredakteur aufforderte. Er sei "nicht willens oder nicht in der Lage", das Blatt "angemessen" zu führen, klagten seine Mitarbeiter. Stellen seien nicht nachbesetzt worden, es fehlten inhaltliche Impulse und eine "konzeptionelle Vorstellung". Auf den Protest eingegangen ist Depenbrock nicht. David Montgomery, der Chef der Mecom Group, scheint hinter seinem Deutschland-Statthalter zu stehen.

Stellenabbau im Verlag, keine Investitionen ins Internet

Jede kritische Meldung über ihn, Depenbrock, führe dazu, dass Montgomery ihn für noch unverzichtbarer halte, soll der machtbewusste Manager gesagt haben. Das zeige, dass er auch scharfen Gegenwind aushalte. Solche Leute braucht Montgomery, der renditefixierte Verleger, der sich in Skandinavien, Holland und Polen eine Reihe von Regionalzeitungen zusammengekauft hat - und wie in Berlin fast überall auf Gegenwehr stieß, weil man ihm nicht recht über den Weg traute. "Montgomery und Depenbrock sind aufeinander angewiesen", sagt ein hochrangiger Verlagsmitarbeiter. Der Mecom-Aktienkurs steht unter enormen Druck, da ist für Feinfühligkeiten wenig Spielraum.

Der Berliner Verlag will für den anstehenden Prozess gut gerüstet sein. Als Anwalt verpflichtete man den ehemaligen Personalchef von Gruner + Jahr, Martin Schuster. Der hat in einer schriftlichen Stellungnahme für das Gericht einen Schwung von Branchengrößen aufgeführt, darunter "Focus"-Gründer Helmut Markwort und Angelika Jahr, die beide zugleich Chefredakteure wie Herausgeber und Geschäftsführer sind respektive waren. Schuster sagte dem Tagesspiegel: "Es wird argumentiert, dass der Investor etwas tut, das in der deutschen Presselandschaft ungewöhnlich ist. Doch eine Personalunion von Chefredakteur und Geschäftsführer ist kein Spezifikum bei der Mecom-Gruppe." Auch in dem Statut finde sich kein Hinweis, dass die Doppelrolle Depenbrocks nicht zulässig sei.

Thomas Gerchel, der als Anwalt die Redaktion vertritt, ist anderer Meinung: "Das Statut wurde errichtet, um die relative Eigenständigkeit der Redaktion abzusichern. Herr Depenbrock ist aber Geschäftsführer und Chefredakteur gleichzeitig und verletzt damit die im Statut festgelegte Trennung von redaktioneller und kaufmännischer Seite."

Verlage könnten Chefredakteure einfach abschaffen

Da man mit der Klage Neuland betritt, ist ihr Ausgang unsicher und für den zuständigen Richter kein Tagesgeschäft. Am Ende könnte sich herausstellen, dass es nicht genug Angriffspunkte gegen das System Depenbrock gibt. Und selbst bei einer Niederlage könnte Depenbrock seinen frisch gekürten Stellvertreter Klaus Reidegeld allein an die Spitze stellen und dennoch als Chef der deutschen Holding die Fäden in der Hand behalten. Scheitert die Klage, stünde den Verlagen "Tür und Tor offen, Chefredakteure einfach abzuschaffen", fürchtet ein Redakteur.

Bemerkenswert an dieser Aussage ist, dass Depenbrock, der Redakteur bei "Bild" und beim "Berliner Kurier" und später zwölf Jahre Chefredakteur der "Hamburger Morgenpost" war, heute in erster Linie als Zahlenmensch wahrgenommen wird. Ob er tatsächlich so ein erfolgreicher Medienmanager ist, wie gelegentlich behauptet wird, kann man hinterfragen. Das Projekt "Hamburger Rundschau", an dem er beteiligt war, scheiterte. Zwar sei die Hamburger "Mopo" unter Depenbrocks Regie von einem Verlustbringer zu einer profitablen Zeitung geworden. Laut Insidern gebührt aber ein größerer Anteil am finanziellen Erfolg dem damaligen Geschäftsführer Roger Frach und dem ehemaligen "Mopo"-Gesellschafter Frank Otto.Von Otto habe Depenbrock gelernt, wie man ein Unternehmen unter die Lupe nimmt, sagt ein Beobachter: "Der schaut sich den Laden an und stellt viele Prozesse erst mal in Frage. Und hakt nach: Was kostet das, und kann ich darauf verzichten?" Im Grunde sei Depenbrock ein vorsichtiger, allzu vorsichtiger Geschäftsmann. Eigenes unternehmerisches Risiko gehe er nicht ein. Investitionen in innovative, aber risikoreiche Geschäftszweige überlasse Depenbrock anderen.

Nicht genug Geld in Abowerbung investiert

Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass weder bei der "Mopo" noch im Berliner Verlag das Internet eine große Rolle spielt - die Websites der Zeitungen sind stark ausbaubedürftig. Obwohl Verleger Montgomery immer wieder betont, Redakteure sollten sich die neuen Medien zu eigen machen, können Mitarbeiter auf ihren Rechnern nicht einmal ordentlich im Netz recherchieren, weil viele Anwendungen auf den veralteten Computern nicht laufen. Der Aufbau eines gemeinsamen Newsrooms der Berliner Zeitungen und der Onlineseite Netzeitung.de, die ebenfalls zur Holding gehört, eigentlich für Anfang Juli geplant, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Auch an anderen Stellen registrieren Verlagskenner einen massiven Investitionsstau in der Holding, der mit einem Exodus leitender Mitarbeiter in Redaktionen und Verlag einhergeht. Wer nicht freiwillig seinen Platz räumt, wird gegangen: Gerade erst kündigte Depenbrock an, 150 Stellen in der Holding abbauen zu wollen, darunter fast 40 Stellen allein in der Redaktion der "Berliner Zeitung". Die Auflage des Blattes sank im ersten Quartal auf 171 893 Exemplare, die verkauften Abos gingen um mehr als zehn Prozent zurück - vor allem, weil weniger Geld in die wichtige Abo-Werbung gesteckt wird. Und dann belastet noch die Stasitätigkeit leitender Mitarbeiter den Berliner Verlag.

Wie lannge noch?

Auch wenn die "Berliner Zeitung" in der Branche nach wie vor als gut gemachte und konkurrenzfähige Zeitung gilt, stellt sich vielen Mitarbeitern die Frage: Wie lange noch? In der Redaktion heißt es, der Ruf des Hauses werde "verramscht". Zum Beispiel mit "Leser-Auktionen", in denen Produkte von Werbepartnern ins Blatt gehoben werden, und Beilagen "für aktiven Klimaschutz", die als redaktionelle Produkte gestaltet sind, aber "mit Unterstützung" des Energieriesen Vattenfall entstehen.

Ob die Kritik den zum Buhmann abgestempelten Multifunktionsmanager Depenbrock wirklich trifft? Der Corvette-Fahrer sei privat außerordentlich nett und umgänglich, heißt es. Doch vor allem scheint er zuerst an sich zu denken und erst später an das Renommee seiner Zeitungen. Er wolle nur noch bis 50 arbeiten, soll Depenbrock einmal seinen Redakteuren erklärt haben. Bis dahin, so unkt ein Kritiker, sei vor allem die "Berliner Zeitung" zu einem 08/15-Blatt verkommen. Depenbrock ist jetzt 46.

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