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Promoted post - ein besonders auffälliger Facebook-Eintrag.

© dpa

Kolumne: Facebook, jetzt auch mit tiefer gelegtem Auto

Facebook testet den bezahlten "promoted post", eine Art Erste-Klasse-Eintrag, der besonders viel Aufmerksamkeit erregen soll. Ob das mit der Netiquette vereinbar ist?

Von Anna Sauerbrey

Hallo. Ähm, Entschuldigung? Hallo-o, Sie da. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit! Und ich mache jetzt hier so lange weiter, ich schiebe mich jetzt so lange weiter ganz nach oben in Ihrem „threat“, Ihrer Nachrichtenliste, bis Sie mich beachten. Denn ich bin Facebooks neueste Erfindung: Der „promoted post“, eine Art Erste-Klasse-Eintrag. Übersehen kaum möglich.

Bislang ist Facebook ein kostenfreier Dienst. Nun experimentiert das Unternehmen damit, seine Nutzer für Einträge auf ihrem Facebook-Profil zahlen zu lassen. Die bezahlten Einträge sollen mehr Aufmerksamkeit unter den Freunden und Abonnenten des Nutzers erregen, indem sie in deren Übersicht ganz nach oben rutschen. Bislang sind die Beiträge chronologisch geordnet. Das führt nach Angaben des Unternehmens dazu, dass nur ein Bruchteil dessen, was man so Tag für Tag schreibt, überhaupt wahrgenommen wird (etwa zwölf Prozent, sagt Facebook).

Der neue Dienst wendet sich explizit an Otto-Normal-Nutzer, nicht an die ebenfalls zahlreich auf Facebook vertretenen Unternehmen. Die Zielgruppe sind Mitglieder mit weniger als 5000 Abonnenten und Freunden. Sieben Dollar soll die Extra-Aufmerksamkeit pro Post kosten. So viel, glaubt Facebook, ist es den Nutzern wert, sicherzustellen, dass die neuesten Urlaubs- oder Hochzeitsfotos, der Hinweis auf eine Party-Einladung oder auf den Artikel in der Lokalpresse über das Musikschulkonzert, bei dem man am Schlagzeug mitgewirkt hat, auch wirklich, wirklich gelesen werden.

Facebook erweitert damit die Möglichkeiten der digitalen Verhaltensweisen um eine neue Geste. Und wie jede neue digitale Verhaltensweise wird auch diese eine Evaluation erfahren. Das „promoted posting“ wird ein eigenes Kapitel im wachsenden Taschenbuch der „Netiquette“ bekommen, dem Knigge der Netzwelt. Nur wo, oberhalb oder unterhalb der Nulllinie?

Ich tippe, dass „promoted posts“ sich in etwa auf derselben Stufe unvornehmen Verhaltens bewegen werden wie Bling-Bling: wie (echte oder falsche) unterarmdicke Goldketten, Gürtel mit Schnallen in Form von Designerlabels so groß und so schwer wie Backsteine, wie tiefergelegte Sportwagen mit Unterbodenbeleuchtung und discolaut aufgedrehter Stereoanlage. Wie alle allzu schreienden Äußerlichkeiten werden „promoted posts“ schnell in den Ruch kommen, eine Überkompensation für mangelnden Inhalt zu sein, ein Hinweis auf Eitelkeit, Narzissmus oder eine andere unvorteilhafte Charakterschwäche. Kurz: „Promoted posts“ könnten schnell zu etwas werden, was der gewandtere digital-soziale Mensch nicht tut.

Seit Mai testet Facebook die Funktion in Neuseeland, seit Mittwoch ist sie im amerikanischen Netzwerk verfügbar, wo die Nutzer meist aufgeschlossener sind für Verrücktheiten. Das Ganze sei erst einmal ein Probelauf, betont das Unternehmen. Ist vielleicht besser so.

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