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Here we go. Joie Chen wird die Zuschauer bei „America Tonight“ begrüßen. Die Sendung wird in der Hauptstadt Washington produziert. Foto: AFP

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Konkurrenz für CNN und Fox: Taliban-TV?

Der arabische Sender Al Dschasira startet am Dienstag in den USA ein Nachrichtenprogramm.

Der Countdown ist ganz und gar unamerikanisch: Nirgendwo lächeln strahlend überlebensgroße Abbilder der Moderatoren von Plakatwänden. Keine Erst-Abonnenten-Preisvorteile werden offeriert. Zeitungsannoncen, Fehlanzeige. „Al Jazeera America“? „Ist das nicht der Sender von Al Gore?“. Wer in den USA die Leute nach dem US-Ableger des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira fragt, bekommt zumeist recht unbestimmte Antworten. Eine Anwältin, mit juristischen Fragen des Senders vertraut, kann nur so viel sagen: „Alle haben eine Vertraulichkeitserklärung unterschrieben.“

Am Dienstag bringt „Al Jazeera America“ sein ambitioniertes Nachrichtenprogramm, mit dem der Sender aus Katar den etablierten US-Sendern wie CNN oder Fox News Konkurrenz machen will, auf die US-Bildschirme. Die Eigentümer aus dem Emirat haben dafür tief in die Tasche gegriffen, in Büros, Korrespondenten und Moderatoren investiert, damit in 40 Millionen US-Haushalten ein Qualitätssender eingeschaltet werden kann. Diejenigen allerdings, die dem Programmlaunch gespannt entgegensehen, stellen sich vor allem eine Frage: Wer soll das überhaupt sehen wollen?

Einen arabisch-stämmigen Sender, einen Nachrichtensender zudem, in den von Medien überfluteten, national ausgerichteten Vereinigten Staaten zu etablieren, ist keine kleine Herausforderung. „Current TV“, jener Sender unter Beteiligung des ehemaligen US-Vize-Präsidenten Al Gore, den Al Dschasira im Januar 2013 aufgekauft hat und auf dessen Kabelplatz das Programm jetzt ausgestrahlt werden wird, war nicht erfolgreich. Will es der neue Sender sein, dann müssen seine Macher auf jeden Fall widersprüchliche Erwartungen erfüllen und nicht unerhebliche Befürchtungen entkräften.

Auf der einen Seite blicken skeptisch jene US-Amerikaner, die auch zwölf Jahre nach den Anschlägen vom 11. September allem dezidiert Muslimischen mit Unbehagen oder Angst gegenüberstehen, auf den Start des Programms. „Man weiß, dass Al Dschasira nicht islamistisch ist“, sagt eine Studentin aus Washington DC, „aber trotzdem will man nicht die Taliban-Nachrichten sehen“. Demgegenüber hegen Kritiker des etablierten US-Fernsehens große Erwartungen an den als kritisch bekannten Sender und äußern, wie der amerikanische „Guardian“-Journalist Glen Greenwald schon jetzt die Befürchtung, „Al Jazeera America“ könne vor lauter Anpassungsbemühungen nur ein weiterer ganz und gar amerikanischer unkritischer Sender unter vielen werden. „Diejenigen, die den Eintritt von Al Dschasira in den US-Fernsehmarkt mit Begeisterung erwarten – und ich zähle mich zu dieser Gruppe – haben stets den Bedarf für einen widerspruchsbereiten, starken und mutigen Ansatz betont“, schreibt Greenwald. Jetzt aber legten interne Auseinandersetzungen den Schluss nahe, dass vom unerschrockenen Ansatz wenig übrig bleibe.

Der Sender selbst kündigt sein Programm als vorurteilsfreie, gründliche Berichterstattung über heimische, also US- und internationale Themen für ein amerikanisches Publikum an. In zwölf amerikanischen Städten, darunter Chicago, Dallas, Denver, Los Angeles, Miami, New Orleans, New York, Seattle und Washington DC, gibt es bereits Korrespondentenbüros. Ein 16-köpfiges Team für investigativen Journalismus wurde zusammengestellt. Und insgesamt beschäftigt Al Dschasira nach eigenen Angaben mehr als 300 Angestellte. Besetzt sind die Büros wie auch die Moderatorenplätze zu weiten Teilen mit anerkannten US-Journalisten. Eine Veteranin von „ABC News“ wurde als Programmchefin gewonnen. „Al Jazeera America“ startet am Dienstag mit einem 14-Stunden-Live-Programm, das Talkshows, Dokumentationen, Spezialsendungen zu Politik, Sport, Wirtschaft und Technologie anbietet, sowie mit stündlichen Nachrichten rund um die Uhr. „24/7/365“, heißt das hier. 24 Stunden an sieben Tagen, 365 Tage im Jahr.

In der US-Fernsehlandschaft setzen die Macher von „Al Jazeera America“ erkennbar auf seriöse Berichterstattung und auf die Abdeckung auch vernachlässigter Landstriche in den USA. Ob sie dafür ein Publikum – und somit auch Werbegelder – finden werden, entscheidet dabei zumindest mittelfristig nicht über die Zukunft des Senders. Das dürfte schon der Reichtum der königlichen Familie des Emirats garantieren.

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