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Der letzte Job. Ex-Fremdenlegionär Markowitz (Götz George) transportiert für ein Menschenhändler-Kartell Flüchtlinge von Afrika nach Hamburg. Plötzlich beginnt er sich für das Schicksal seiner Passagiere zu interessieren.

© ZDF

Krimi: Bluthunde

Götz George veredelt Lars Beckers neuen „Nachtschicht“-Krimi. Er spielt einen wortkargen, desillusionierten Ex-Fremdenlegionär, der für Menschenhändler Flüchtlinge von Afrika nach Hamburg schleust.

Ein Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art: In Götz Georges Darstellung des in die Jahre gekommenen Menschenhändlers Markowitz, Typ Jeans, Lederjacke, Stiefel, ist wieder etwas von jenem Schimanski, der erst die Tür eintrat, um dann nach dem Klingelschild zu suchen. Im Unterscheid zu Schimanski steht Markowitz auf der anderen Seite des Gesetzes. Doch was heißt das schon: andere Seite? Bei einem Autoren und Regisseur wie Lars Becker, dem die Grenzlinien von Gut und Böse bei seiner „Nachtschicht“-Reihe stets verwischen.

Auch wenn Becker die Aufhebung dieser TV-Krimi-Stereotype – hier gute Cops, dort böse Verbrecher – diesmal nicht ganz so gut gelungen ist, man kann sich Georges Lächeln vorstellen, als ihm das Buch von Lars Becker in die Hände fiel. Ein Geschenk für jeden Schauspieler. Der letzte Job eines wortkargen, desillusionierten Mannes, Ex-Fremdenlegionär, der seit Jahren für ein Menschenhändler-Kartell Flüchtlinge von Afrika über Tirol nach Hamburg transportiert, sich plötzlich für das Schicksal seiner Passagiere, vor allem zweier getrennter Schwestern, interessiert und dabei lebensbedrohlichen Ärger mit seinen Chefs und deren Bluthunden in Kauf nimmt. Markowitz ist 65, will sich zur Ruhe setzen, warum sich noch mal Stress machen, fragt ihn Kompagnon Franz, herrlich brutal gespielt von Clemens Schick.

Überhaupt, die Becker-Besetzung. George, Schick, Jan-Gregor Kremp, Jeanette Hain, Filip Peeters, ganz zu schweigen von Barbara Auer (als Lisa Brenner), Armin Rohde (Erich Bo Erichsen) und Minh-Khai Phan-Thi (Mimi Hu), den „Nachtschicht“-Ermittlern, die sich seit zehn Jahren mit Lars Becker beim Dreh in der Hansestadt wochenlang die Nächte um die Ohren hauen. Sie müssen die Sache lieben, einer im Grunde simplen Idee folgend. Einem Krimi mit haargenauen Milieuschilderungen, der straff und schnell erzählt wird, meistens im Dunkeln spielend, in einer Nacht, in zwölf Stunden. Was der Polizeiarbeit und der Gruppen-Dynamik unter den Ermittlern eine besondere Note verleiht, abseits der Privat-Mätzchen der Kommissare, die in jedem zweiten „Tatort“ bis zum Überdruss miterzählt werden.

Kleiner Makel an Deutschlands zurzeit stärkstem Krimi-Format: Es ist schade, dass Becker dem Misstrauen um die Integrität von Bulle Erichsen, das frühere „Nachtschicht“-Folgen durchzog, keinen Raum mehr gibt. Dafür bietet sich das Thema, dem sich Becker schon 1990 in seinem Dokumentarfilm „Afrika um die Ecke“ widmete, wohl auch nicht an: Illegal lebende Flüchtlinge, die es nach Europa geschafft haben, um dort als Küchenhilfe versklavt oder als Hausangestellte von ihrem Chef geschlagen zu werden. Markowitz’ letzte Menschen-Fuhre fällt denn auch zusammen mit einem Fall von häuslicher Gewalt, dem Erichsen, Brenner und Hu nachgehen, um am Ende über illegale Angestellte in einer feinen Eppendorfer Altbauwohnung an die Hintermänner des Schlepperrings zu gelangen.

Da ist es um Markowitz’ Schicksal längst geschehen. Der Rahmen mit Bild von Frau und Kind, beide lange tot, der in seinem Wohnzimmerschrank steht, wird das Einzige sein, was der Mann in diesem Krimi angefasst hat. Und die Pistole.

„Nachtschicht – Reise in den Tod“, ZDF, 20 Uhr 15

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