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Kryll_Khuon

© RBB

Krimi: Happy Slapping in Neukölln

Der Berliner Radio-"Tatort" geht in seine zweite Runde. Autor ist wie in der ersten Folge Tom Peuckert. Wieder ist das Hörspiel hörenswert und versprüht typische Berliner Liebenswürdigkeit.

„Rita, zick nich’ rum und komm jetz’ untern Schirm, War doch nur ’ne kleine Molle mehr als sonst.“ Der Dialekt von Paul Breitner, gesprochen von Ilja Richter, klingt auch für Nicht-Berliner glaubhaft nach Neukölln, wo der zweite Berliner Radio-„Tatort“ mit dem Titel „Kaltfront“ seinen Ausgang nimmt.

Als sich Breitner, der sich trotz seines berühmten Namensvetters mehr für Skat als für Fußball interessiert, von seiner Lieblingskneipe auf den Heimweg macht, kann er mit seinem Hund Rita gerade noch eine Gruppe Jugendliche verscheuchen, die um einen am Boden liegenden Mann stehen. Im Krankenhaus erliegt der schwer misshandelte Mann, bei dem es sich um Privatdetektiv Klaus Henkel handelt, seinen Verletzungen. Doch Henkel war nicht immer ein Schnüffler, zumindest kein privater, wie Hauptkommissarin Katharina Holz und Oberkommissar Alexander Polanski feststellen. Henkel war einst Kriminalkommissar, ebenfalls bei der Berliner Mordkommission. Wurde er jetzt das Opfer einer Jugendgang, die sich zum „Happy Slapping“ getroffen haben, um einen Wehrlosen zum Spaß zu verprügeln und auszurauben? Oder ist ihm ein früherer Fall zum Verhängnis geworden?

Der gut 50-minütige Radio-Krimi von Autor Wolfgang Zander ist von Andrea Getto in bester Hörspiel-Tradition in Szene gesetzt worden. Für ihre Ermittlungen verschlägt es Kommissarin Holz (Eva Kryll) und ihren jungen Kollegen Polanski (Alexander Khuon) von Neukölln in den Wedding und von Lichtenberg bis nach Potsdam. Optisch lassen sich die Ortswechsel freilich nicht bebildern, der Zuhörer bleibt dennoch immer im Bilde, wobei der zur Kaltfront gehörende Regen fast beruhigenden Charakter hat.

Dem Berliner Radio-„Tatort“ gelingt es zudem, den beiden Kommissaren ein eigenes Profil zu geben, obwohl es sich erst um die zweite Folge handelt und auch die im Verhältnis zum TV-„Tatort“ erheblich kürzere Sendezeit längere Ausflüge ins „Persönliche“ erschwert. So wird die Altlinke Katharina Holz erneut auf Partnersuche geschickt, und Poetry-Slammer Alexander Polanski unternimmt weitere Ausflüge in die gesprochene Literatur. Tatsächlich bleibt wenig Zeit für Privates. „Du weißt, wir sind immer im Dienst“, erklärt die Kommissarin ihrem jüngsten Verehrer, als sie zum Tatort gerufen wird. Dass er nach mehreren Gläsern Wein nun mit der U-Bahn nach Hause fahren muss – nicht ihr Problem. Sie muss sich um ihren Fall kümmern, der noch einige interessante Wendungen nimmt.

Zudem steht inzwischen fest, dass es sich durchaus lohnt, sich auf das Duo Holz-Polanski einzulassen. Die ARD-Sender haben sich für eine Verlängerung der Radio-Tatorte geeinigt – zumindest für das kommende Jahr. Der dritte Radio-Tatort mit dem Arbeitstitel „Casa Solar“ ist in Vorbereitung und wird im Juli auf Sendung gehen. Autor ist wie in der ersten Folge Tom Peuckert. Thematisch ist der Krimi in der Umweltbranche angesiedelt, die nicht nur ein boomender Wirtschaftssektor ist, sondern zugleich auch ein echtes Haifischbecken.

Hörenswert sind die Radio-Tatorte aber vor allem auch, weil die regionalen Besonderheiten in ihnen eine Bedeutung haben, und damit ist nicht allein der Dialekt gemeint. Der aktuelle Radio-„Tatort“ des RBB fängt nicht zuletzt jene typisch Berliner Liebenswürdigkeit ein, an der Zugezogene häufig verzweifeln. „Kannten Sie Herrn Henkel“, fragen die Ermittler den Hundebesitzer Breitner. „Nee, dat is hier ’ne Großstadt“, berlinert Ilja Richter zurück.

- „Radio-Tatort: Kaltfront“, Montag, 22 Uhr 04 im Kulturradio, Dienstag, 20 Uhr 04 auf Radioeins

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