zum Hauptinhalt
Unglaublich inkorrekt. In einem Hotel wird eine dunkelhäutige Sängerin ermordet. Kreutzer (Christoph Maria Herbst) und seine Assistentin Belinda müssen den Fall lösen, und zwar in vier Stunden und 37 Minuten, eine Vorgabe, die sie sich selbst gesetzt haben.

© Pro7

Krimi mit Christoph Maria Herbst: Ein Buch, ein Büro, ein Cop

Noch ein TV-Kommissar, aber was für einer: Christoph Maria Herbst manipuliert und provoziert in „Kreutzer kommt“, was das Zeug hält.

Verstecken? Nein. Verstecken muss sich Christoph Maria Herbst eigentlich nicht. Vor ein paar Wochen, beim Preview von „Kreutzer kommt“, einem der ungewöhnlichsten Krimis der deutschen Fernsehgeschichte, der der Presse deshalb wohl auch schon ungewöhnlich früh vorgestellt werden sollte: Der Schauspieler sitzt in einer Lounge des Berliner Hotels Kempinski, um ihn herum die freundlichen Damen und Herren vom Privatsender ProSieben, die zur Filmvorführung geladen haben. Christoph Maria Herbst steht langsam auf und grüßt; nett, auffällig nett, umgänglich, verglichen mit dem Kotzbrocken, diesen durchgeknallten Kommissar, den er gleich in „Kreutzer kommt“ gibt, seinem neuesten Film.

Herbst sagt: „Den Kreutzer durfte kein Anderer spielen.“ ProSieben sagt: „Kreutzer kommt“ sei die „neue Generation Krimi“. Noch ein Krimi, noch ein TV-Kommissar, denkt man zunächst einmal, als die Einladung zu dieser Geschichte auf den Redaktionstisch flattert und „Kreutzer kommt“ als reinen Mordfall betrachtet. In ihrer Hotel-Garderobe wurde eine dunkelhäutige Sängerin ermordet. Kreutzer und seine hübsche Assistentin müssen den Fall lösen, und zwar in vier Stunden und 37 Minuten, eine Vorgabe, die sie sich selbst gesetzt haben. Im Nachtclub des Hotels sind einige Gäste, alle reichlich verdächtig. Jedem von ihnen nähert sich Kommissar Kreutzer in einer anderen Rolle. Mal frech, mal schleimig, mal verliebt, mal kumpelhaft.

Die Spur des Verbrechens führt nach Afrika und wieder nach Deutschland. Drogenhandel, Waffenschmuggel, Migrationsprobleme, Scheinheirat, hier und da wird eine falsche Fährte zu viel ausgelegt, das Ganze ist ziemlich dick aufgetragen, aber es ist – ein Fest für den preisgekrönten Schauspieler und Verwandlungskünstler Christoph Maria Herbst, der sich hier quasi in jeder zweiten Szene neu erfinden darf. Ein bisschen „Columbo“, „Miss Marple“, viel „Dr. House“ und „Monk“. Gut abgeschaut, aber das muss nicht verkehrt sein. Kreutzer faucht: „Alle großen Mörder in der Geschichte waren schwul: Dschingis Khan, Nero und Hitler.“ Reihenweise lässt er rassistische Parolen vom Stapel, mokiert sich über Schwarze, Blinde, Minderheiten.

Reichlich Gelegenheit zu beweisen, dass es mit Herbst auch anders geht als immer nur „Stromberg“, jenem Bernd Stromberg, den Christoph Maria Herbst seit 2004 in 36 Folgen gespielt hat. Dafür hat er den Adolf-Grimme-Preis erhalten und dreimal in Folge den Deutschen Comedypreis als „Bester Schauspieler“. Bernd Stromberg ist eine geradlinige und strenge Autoritätsperson. Eine stereotype Figur, die man, bei aller Sympathie, bis auf den Grund zu kennen scheint. Kommissar Kreuzer kennt sich wahrscheinlich selber nicht, wechselt für jeden Zeugen die Persönlichkeit. Ein entfernter Verwandter von jenem „Zelig“ aus Woody Allens gleichnamigen Kinofilm, dessen besondere Eigenschaft es ist, sich gegenüber anderen Leuten mental und physisch an die jeweilige Umgebung anzupassen. In der Nähe von Gangstern wird Zelig selbst zum Gangster.

Einen undurchsichtigen Gangster, Typ Sopranos, könnte Christoph Maria Herbst mit seiner Stirnplatte und den dunklen, verdächtig sanft-musternden Augen auch gut spielen. Jetzt hat sich der gebürtige Wuppertaler erst mal etwas Anderes vorgenommen. Er sitzt, sagt er, aha, an „fast einem Roman“. Seit dem „Stromberg“-Hype kennt der 44-Jährige natürlich auch das Spiel mit den Medien, mit dem Image und den Erwartungshaltungen. Nun also erst mal ein Buch.

Ob dieser „Stromberg“ Fluch oder Segen sei, auf diese Frage will sich Herbst gar nicht einlassen. „Eine Figur wie ,Stromberg’ ist ein Lifetime-Gift, aber eben auch Gift.“ Nun möchte er „Kreutzer“ nicht als Serum bezeichnen, aber diese Figur stelle ein wunderbares Gegengewicht zum Bisherigen dar, ohne das Gewesene zu beschädigen. „Mein Traum wäre eine friedvolle Co-Existenz beider.“

Eine fünfte „Stromberg“-Staffel ist zumindest schon mal in Planung. Und „Kreutzer kommt“ könnte, heißt es, durchaus in lose Serie gehen – wenn die Einschaltquote am Montag Abend stimmt. Auch für den US-Serien- und Spielfilm-Sender ProSieben ist dieser politisch inkorrekte, bis in die Nebenrollen prominent und gut besetzte Krimi (Rosalie Thomass, Leslie Malton, Ludwig Trepte), der von Regisseur Richard Huber in 17 Tagen bei laufendem Betrieb im Kempinski abgedreht wurde, ein Wagnis. „Wir stehen im Kern ja nicht unbedingt für deutsche Fiktion“, sagt ProSieben-Chef Thilo Proff.

Vielleicht sollte sich Christoph Maria Herbst schon mal bei Christian Ulmen erkundigen. Der letzte Versuch des Privatsenders, mit Ulmens „Dr. Psycho“ eine etwas andere deutsche Comedy-Krimiserie zu etablieren, wurde nach nur zwei Staffeln beendet. Gute Idee, gute Kritiken, schwächere Quoten, Absetzung – es wäre mal schön, wenn Kreutzer trotzdem öfters kommt.

„Kreutzer kommt“, Pro7, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false