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Fröhliche Dienstreise. Anwalt Joachim Vernau (Jan Josef Liefers)

© ZDF

Krimi mit Jan Josef Liefers: Unser Mann in Havanna

Im ZDF-Krimi "Der Mann ohne Schatten" sucht Jan Josef Liefers als Anwalt karibisch heiße Abenteuer. Die Strafe für solch' sinnfreien Müßiggang folgt auf dem Fuß.

Als vergangene Woche die Groß-Gedenk-Übung „Tannbach“ überstanden war und der Zuschauer ratlos und erschöpft in das Flatterwerk der vielen nicht auserzählten Handlungsstränge blickte, kam die Frage auf: Kann das ZDF vor lauter anekdotischen Einzelbäumen, all den persönlichen Geschichten, noch den Wald erzählen, den Geist, das Lied, die Tragik einer Epoche? Überspielen die zeitverschlingende Fülle von Figuren, die Stimmungs-Achterbahnen, das Schauplätze-Varieté, all die Solonummern für TV-Stars, den Mangel an Charaktertiefe? Von wegen Goethe: Wer vieles bringt, werde manchem etwas bringen. Die Plaudersucht der Fiktion führt zu Völlegefühl, die Überplottung zur Plattheit.

Von Erzählinflation, von Verstrickung in historische Schuld oder gar von Stasimachenschaften ahnt der Zuschauer nichts, wenn dieser Film von Carlo Rola nach einer Geschichte der Erfolgsautorin Elisabeth Herrmann, die auch das Drehbuch schrieb, anhebt. Der Mann ohne Schatten, der Berliner Anwalt und Lebenskünstler Joachim Vernau (Jan Josef Liefers) startet fröhlich und unbeleckt zu einer Dienstreise nach Kuba. Seine Sozia (Stefanie Stappenbeck) kann nicht mitkommen. Sie hat sich bei Renovierungsarbeiten in der Berliner Kanzlei das Bein gebrochen, Joachim entkommt gern aus dem Chaos.

Flotte liebesbereite Hotelangestellte

Liefers erweist sich als lockerer Weltenbummler. Schwungvoll und forsch stolpert er in Havanna herum. Eine originelle Taxifahrerin hier, eine flotte liebesbereite Hotelangestellte (Alina Levshin) dort. Der Auftrag einer nervigen Berliner Klientin (Gudrun Landgrebe), den seit den Hausbesetzerkrawallen unauffindbaren Bruder zu finden, erweist sich als gar nicht so schwer. Bald sitzt dieser gesuchte Martin (Henry Hübchen) locker und lässig samt Tochter vor ihm.

Die von der Schwester gewünschte Unterschrift unter einen Erbvertrag ist schnell bewerkstelligt. Mit Deutschland will der Kuba-Emigrant nichts mehr zu tun haben. Merkwürdig, aber zunächst egal. Erst mal Kuba sehen, Oldtimer fahren, Zigarren erklären, Rum trinken, eine exotische Tabakplantage besichtigen, über ökonomische Chancen reden, wenn sich Kuba dem Kapitalismus öffnet.

Viel Filmzeit geht dahin, dem Zuschauer wird es aber nicht langweilig. Zwei lockeren Weltmännern zuzusehen, wie sie herumcharmieren und sich des Lebens freuen, das ist nicht das Schlimmste, was in der fiktionalen Unterhaltung so ablaufen kann.

Stasi, Liebesverrat, Kindesaneignung, Identitätsklau

Die Strafe für solchen sinnfreien Müßiggang folgt auf dem Fuß. Die Schwester, die fanatisch wie Antigone den Bruder bergen möchte, entdeckt, dass der von Hübchen gespielte Mann nur ein Widergänger des echten Bruders ist. Deutsch-deutsches Problembärentum entert unerbittlich die filmisch verzauberte Zuckerinsel. Eine verwickelte Geschichte breitet sich – allen tropischen Charme verschlingend – aus. Stasi, Liebesverrat, Kindesaneignung, Identitätsklau, DDR-Niedertracht – mehr sei nicht verraten.

Jetzt erst wird klar, dass zuvor zu viel Filmzeit vertan wurde. Die folgenden Erklär-Szenen wirken mit ihrer knappen Bebilderung wie eine deutsch-deutsche Moritatenschau. Wie bei Kleist wird Mauerschau gehalten, Gefühle erzählt, Konsequenzen erzählt, der Handlungsballast aus der Vergangenheit verbal abgehakt. Kaum Zeit zu begreifen, man hetzt den Zuschauer von Verwicklung zu Verwicklung, bloß um noch bis zum Schlusspfiff durch das Gestrüpp zu kommen.

Am Ende des Parforceritts bleibt die Sehnsucht, Kuba ungestört kennenzulernen, seine Geheimnisse, seine Lockerheit zu entdecken und nicht von der erbarmungslosen Erzählmaschine Fernsehen mit Vergangenem aus Deutschland überwältigt zu werden.

„Der Mann ohne Schatten“, Montag, ZDF, 20 Uhr 15

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