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Senta Berger

© ZDF

Krimi: Vom Freund zum Feind

„Unter Verdacht“: Als Eva Prohacek ermittelt Senta Berger gegen ihren Chef.

Wer nach oben will, braucht gute Kontakte, Freunde mit Einfluss. „Netzwerkpflege“ nennt man das technokratisch oder Spezlwirtschaft in Bayern. Die zurzeit schönste Fernsehfigur aus dem Land der Spezln ist zweifellos Doktor Claus Reiter aus der ZDF-Krimireihe „Unter Verdacht“. Reiter, Leiter des Münchner Kriminalkommissariats, ist ein berechnender Karrierist – und zugleich ein armes Würstchen. Einer, den die wirklich Erfolgreichen spüren lassen, dass er nicht dazugehört. Dass Reiter dennoch kein bisschen lächerlich wirkt, ist das Verdienst von Gerd Anthoff. Der 60-jährige Schauspieler brilliert als jovialer und doch nicht völlig unsympathischer Chef von Kriminalrätin Eva Maria Prohacek (Senta Berger). Beide sind in einer Art Hassliebe miteinander verbunden und werden wunderbar ergänzt durch den schrulligen André Langner (Rudolf Krause).

Das Trio hat auch im sechsten Jahr seiner Fernseh-Existenz nichts von seiner Originalität eingebüßt: In ihrem neuen Fall „Hase und Igel“, der heute bei Arte Vorpremiere hat, ist ihr Zusammenspiel eine wahre Freude. Ein Schlagabtausch auf höchstem Niveau. Wie der Hase in der Fabel ist Kriminalrätin Prohacek ihrem Vorgesetzten Reiter immer einen Schritt voraus, aber am Ende ruft ihr Chef doch triumphierend: „Ich bin wieder da.“ Regisseur Ed Herzog und Autor Wolfgang Stauch haben mit dem neuen Fall einen weiteren Höhepunkt in der Reihe „Unter Verdacht“ gesetzt.

Streckenweise sieht es allerdings so aus, als wäre es auch der letzte. Denn für Reiter wird es diesmal ganz eng. Nach 13 Jahren wird der Ex-Polizist Thomas Sell (Christoph Waltz) aus der Haft entlassen. Schnurstracks beansprucht er Reiters Posten, verbunden mit einem unerhörten Vorwurf: Sein Ex-Kollege habe ihm einen Mord angehängt, weil er selbst den für Sell vorgesehenen Job als Kommissariats-Leiter bekommen wollte. Was dann ja auch geschah. Natürlich hält Ermittlerin Prohacek es für absolut möglich, dass Reiter seine Karriere auf eine solch schmutzige Weise begründete. Ihr harmloses Lächeln („Anhören kann man es sich ja mal“) bedeutet für Reiter Alarmstufe Rot. Wie Anthoff der Nervosität seiner Figur Ausdruck verleiht, Reiters (sehr großem) Selbstmitleid und (weniger großen) Selbstzweifeln, ist komisch und tragisch.

Der Krimiplot selbst ist kein übermäßig großer Wurf: Wie sich der Mord an einer jungen Polizistin damals zugetragen hat, wird dem Publikum schnell klar. Den Polizisten Sell und einen der beiden Täter verbindet die Sorge um die eigene Familie, doch je höher die Figuren in der Hierarchie angesiedelt sind, desto blasser und klischeehafter erscheinen sie.

Wie eigentlich immer bei „Unter Verdacht“ gelingt Kriminalrätin Prohacek am Ende nur ein Teilerfolg. Dass der Spezlwirtschaft nie ganz beizukommen ist, gehört schließlich zur Grundannahme der Reihe. Und so überlebt Reiter alle Stürme. Wäre aber auch schade, wenn es anders wäre.

Unter Verdacht, Arte, 20 Uhr 45

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