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Lachnummer. Charlotte Roche und Jan Böhmermann üben Nicht-Talk. Foto: ZDFkultur

© dpa

KRITISCH gesehen: Angestrengt und anstrengend

Roche & Böhmermann. ZDFkultur.

Roche & Böhmermann. ZDFkultur. Beim Zweiten Deutschen Sender sind sie jetzt ganz wild auf Jugend. ZDFneo hat sie fast alle, die jenseits vom Privatfernsehen als jugendlich gelten: Benjamin von Stuckrad-Barre, Joko & Klaas, auch Sarah Kuttner. Am Sonntag hat ZDFkultur entschlossen gekontert:  Charlotte Roche und Jan Böhmermann mit dem Talkformat „Roche & Böhmermann“. Und weil ZDFkultur  angeben muss, wird eine Sendung angekündigt, die eine Talkshow sein will „für alle, die keine Talkshows mögen“. Also kein Thema, aber fünf Gäste, fünf Gäste, aber kein Thema.  Von Roche wird – wahrscheinlich – erwartet, dass sie sich gibt, wie sie bei „Feuchtgebiete“ und „Schoßgebete“ geschrieben hat: versaut. Jan Böhmermann ist Chefreporter für Harald Schmidt, eine Mischung aus Stuckrad-Barre, Joko & Klaas und Kuttner.

Die Roche sagt bei der Premiere keine versauten Sachen. Ficken, Lecken, Blasen, nichts von der Art. Bei Sven Marquardt,  Fotograf und Türsteher in der Berliner FLB-Oase „Berghain“, wäre diesbezügliches Interesse möglich, passiert aber nix. Die Sendung ist so mit ihrer Absicht und ihrer Angst beschäftigt, bloß eine dieser handelsüblichen Frage-und-AntwortRunden zu sein, dass sie nicht zu sich findet. „Roche & Böhmermann“ ist keine Talkshow, aber nicht deswegen, weil sie keine sein will, das wäre echt anstrengend und herausfordernd, nein, die 60 Minuten schaffen es nicht mal, eine Talkshow nicht zu sein. Wenig bis nichts verbindet die Moderatoren mit den Gästen, nichts verbindet die Gäste, die Moderatoren suchen und finden sich nicht. Die Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband, der Rapper Sido, der Model-Coach Jorge Gonzalez sitzen da, trinken japanischen Whisky und müssen einer nach dem anderen erst die stets überzogenen, weil unbedingt geistreich-witzigen Einspielarbeiten zu ihrer Person ertragen.

„R & B“ liefern Kneipengeräusche im S/W-Retrostudio. Meistens sehr, sehr angestrengt ist dieses Fernsehen, das ein Fernsehen sein will, als es noch keine Talkshows im Fernsehen gab. Nur einmal, da wird fast eine draus. Böhmermann hat sich vorgenommen, die Sat-1-Talkerin Britt Hagedorn als fiese Fernseharbeiterin vorzuführen, die ihre Gäste aus der Unterschicht dem Publikum zum Fraß vorwirft. Hagedorn geht auf Kontrakurs zu Böhmermann. Der zickt, macht auf überlegenen Macker und merkt zu spät, wie er als präpotenter Fragemeister rauskommt. Da hilft die Rückspultaste nicht, eigentlich originelle Einrichtung, mit der das Gespräch neu begonnen werden kann. Böhmermann, der ernsthaft ja kein Dummer ist, redet so unendlich viel dummes Zeug.

Zwischendurch kommt beim Kritiker der Wunsch auf, mal ins Erste rüberzuschalten. Da macht Günther Jauch seine Talkshow. Natürlich ist schon der Gedanke allein für die „R & B“-Gemeinde ein Sakrileg. Doch selbst Fusselbärte brauchen „Günther Jauch“. Um sagen zu können: Hab dieses Gequatsche natürlich nicht eingeschaltet, war bei ZDFkultur. Postheroisch, postmateriell, postkomisch. Irgendwo im Nirgendwie. Verdacht: Roche und Böhmermann und dem Sender ist das alles wurscht. Selbstzufrieden in der Selbstaufgabe. Wir sind, also sind wir richtig. Die anderen sind nur Talkshow. Also Mist. Das sagt keiner, denn wir sind bei ZDFkultur. Joachim Huber

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