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KRITISCH gesehen: Die Geißler-Show

Anne Will. ARD.

Anne Will. ARD. So ein Umsturz – und dann so eine Flaute. Die Talkshow begann und lief über die erste Viertelstunde wie in Narkose, selbst nach der Eröffnungsprovokation von „Freitag“-Herausgeber Jakob Augstein, dass der Wahlausgang in Baden-Württemberg stark an den Anfang vom rot-grünen Ende 2005 erinnere. Da hatte die SPD in NRW krachend verloren, worauf Kanzler Gerhard Schröder Neuwahlen im Bund anstrebte.

Schöner Talk-Einstieg in den Ausstieg von Schwarz-Gelb, aber da saß eben Annette Schavan. Die CDU-Bildungsministerin ähnelt in Habitus, Rockschößchen und Mundwinkellächeln immer stärker ihrer größeren Schwester – Bundeskanzlerin Angela Merkel. Schavan redete fein, bedächtig, ziseliert, aber hatte sie den Schuss in Baden-Württemberg gehört? Was Will trotz wiederholter Anläufe nicht schaffte, das schaffte ihr Lieblingsgast Heiner Geißler im Handumdrehen: Den Ausschluss von Koalitionsmöglichkeiten „seiner Partei“, der CDU, mit den Grünen verurteilte er, er zeigte Verständnis, dass „Wutbürger“ grün wählen, wegen der wirtschaftsradikalen FDP regiere die „falsche Koalition“ in Berlin, kurz, Geißler lud mit seinen pointierten Einlassungen die Runde stärker auf als Anne Will mit ihrer energiegeladenen und zuweilen verirrten Moderation.

Jürgen Trittin hatte einen schönen Abend. Erwacht, als die Runde die Atompolitik diskutierte, echauffiert, als im letzten Drittel die schwarz-gelbe Koalition und insbesondere die Rolle der FDP darin diskutiert wurde, entspannt, als es um grüne und rot-grüne Zukunftaussichten ging. Die Runde war – gewollt oder nicht – ein Spiegelbild der vorherrschenden Stimmung beim Wahlvolk. Schavan im Kreisverkehr einer uneindeutigen CDU-Atompolitik, fast so defensiv und reaktiv wie FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der Programm, Politik und Personal seiner Partei nur noch zu verteidigen wusste.

„Anne Will“ am Sonntag, das war nach der Abtastphase eine bemerkenswerte Sendung. Steht bürgerbewegte Politik vor dem Comeback? Die Wahlbeteiligung ist wiederum gestiegen, die Talkshow fand mit 4,72 Millionen Zuschauern große Resonanz. Und es schien, als hätten die CDU-Schwestern über „Betonköpfe“ (Geißler) wie den abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus schon längst per SMS geurteilt: Nur ein „Brückentechnologe“. Joachim Huber

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