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Medien: Kritisch gesehen: Reprise des Guten und des Grauens

DDR in Dosen. ORB.

DDR in Dosen. ORB. Wenn Willi Schwabe einst mit der Laterne in den Archiv-Keller trottete, war klar, dass jetzt die beliebteste Sendung des DDR-Fernsehens kam: Ausschnitte aus UFA-Filmen der dreißiger und vierziger Jahre. Mit Schwabes Laterne in der Hand stellte uns Hagen Boßdorf das "audiovisuelle Gedächtnis" der DDR vor - vor dem Verfall gesichert im Neubau des Deutschen Rundfunkarchivs Ost in Potsdam. Boßdorf wählte aus den 100 000 Sendungen, die das Archiv umfasst, jene Schnipsel heraus, die West-Guckern ein Aha-Erlebnis bescherten, den Ost-Sehern noch in guter Erinnerung sind - und an die sie sich gern erinnern: Witzbolde vom "Kessel Buntes", das "Sandmännchen" in Schwarz-Weiß - Ausschnitte, mit denen ORB und MDR aktuell ihre dritten Programme füttern. War also doch nicht alles schlecht, was aus Adlershof gesendet wurde? Der Eindruck wäre entstanden, wenn Boßdorf um die weniger rühmlichen Sendungen einen Bogen gemacht hätte. Er zeigte kurz und tapfer, was niemand mehr sehen will, einst aber den Löwenanteil des Programms ausmachte: Paradierende Soldaten, marschierende Arbeiterkolonnen vor Honecker und Co., Lach- und Sachgeschichten mit Karl-Eduard von Schnitzler - das Fernsehen der DDR war 40 Jahre lang "Waffe im Klassenkampf". Diese Konserven-Massenware liegt noch immer schwer im Magen - niemand mag sie goutieren. Auch Boßdorf als neuer ORB-Chefredakteur wird sie uns kaum noch einmal auftischen. Die Prise des Grauens reichte aus.

Paul Stark

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