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Medien: Kubanisches Wunder

Eine ARD-Dokumentation über den ewigen Revolutionär Fidel Castro

Schon merkwürdig, von welchen Zufällen die Weltgeschichte gelenkt wird. Nur mal angenommen, der talentierte Kubaner hätte vor mehr als einem halben Jahrhundert dieses Angebot aus den USA angenommen… Damals ist Fidel Castro von einem Baseballclub gefragt worden, ob der denn nicht Profi werden wolle. Gegen gute Dollars. Nein, hat Castro gesagt. Er könnte sonst heute in New Jersey wohnen, Penthouse mit Blick auf den Hudson River, Mister Castro hielte den All-Time-Record an Homeruns, 74 Stück in einer Saison – ein Rekord für die Ewigkeit.

Es ist anders gekommen. Der junge Castro saß im Gefängnis, ging nach Mexiko ins Exil, bekämpfte dann an der Seite von Che Guevara die Diktatur von Batista – und zog im Januar 1959 triumphal in Havanna ein. Dabei geschah ein Wunder. Plötzlich flatterten weiße Tauben auf, die Zeichen des Friedens, und setzten sich auf die Schulter des Guerilleros Castro.

Das ist einer der wirklich großen kurzen Momente des ARD-Films „Fidel Castro. Ewiger Revolutionär". Denn ehemalige Weggefährten erzählen, dieses Wunder sei inszeniert gewesen. Vorher hätte Castro diesen Gag mit den Tauben eingeübt. Wenn das stimmt, dann ist an Castro nicht nur ein großer Sportler verloren gegangen; dann hätte er Impresario werden können, Hollywoodregisseur, Fernsehmogul, US-Präsident – bei so viel Gespür für Show, für Timing, für Symbolik, für Pose.

Doch Castro, inzwischen 77 Jahre alt, hat seinen Hang zur Inszenierung in Kuba ausgelebt, mit gigantischen Aufmärschen der Revolutionäre, stundenlangen Reden im grünen Kampfanzug, mit Wandmalereien und Parolen, die auf der ganzen Insel zu sehen sind. Es ist dies die offizielle Seite des dienstältesten Staatschefs der Welt, die private hält er sorgsam verborgen. Eine Ehe, viele Liebschaften, acht Kinder, zahlreiche Enkel, so viel ist bekannt.

Nun versuchen die Autoren Stephan Lamby und Volker Skierka, das Leben Castros im Film nachzuzeichnen. Sie bieten dazu eine illustre Schar an Gesprächspartnern, die Ex-Frau, die Geliebte, eine Tochter, George Bush d. Ä., einen Kampfgefährten, Michail Gorbatschov, einen Exilschriftsteller und dazu Bilder, Bilder, Bilder: Castro mit Schießgewehr, wie er neben Chruschtschow (mit Prinz-Heinrich-Mütze) im Holzboot herumtuckert; wie er – in Uniform, denn ein Comandante in kurzen Hosen, das geht nicht – in einem Fitness-Studio hantelt und an Gummibändern zieht; wie er, kaum an der Macht, einem US-Sender ein Interview gibt, gekleidet in einen glänzenden Schlafanzug.

Interessant, gewiss. Unterhaltsam, sicher, ziemlich komisch sogar. Aber dieses lange Leben und die politische wechselhafte Entwicklung Kubas sperren sich den 45 Minuten ein wenig. Statements und Szenen wechseln in rascher Folge, und man denkt: warum nicht mehr davon? Lasst diese Leute doch reden. Macht einen Zweiteiler daraus, kurzweilig genug ist der Stoff. (Wer es genau wissen will, kann die ausführliche Biografie von Volker Skierka lesen, rororo 61386, und den Film als Ergänzung betrachten.)

Erstaunlich jedenfalls, wie unveränderlich Fidel Castro erscheint. Wie sah Helmut Kohl aus mit 30, und wie ist dieser Kopf heute? Castro hat Altersflecken bekommen, der Bart scheint lichter – aber erkennen tut man ihn immer auf den ersten Blick. Trinkt er Doppelherz, nimmt er Knoblauchpillen von Ilja Rogoff? Dieses Geheimnis bleibt.

„Fidel Castro. Ewiger Revolutionär“: in der ARD um 21 Uhr 45

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