zum Hauptinhalt
Konrad Langer (@konaction): „Future Flower“

© Konrad Langer/Instagram

Kunst auf Instagram: „Ai Weiwei beglückt tagtäglich Hunderttausende“

Instagram ist nur ein soziales Netzwerk? Das war einmal, sagt Ferdinand Prinz. Er hat Post Collective gründet, eine Plattform für Instagram-Fotografie.

Herr Prinz, in der Blogfabrik in Kreuzberg ging gerade die Ausstellung #berlin zu Ende, jetzt wird an der Torstraße zum nächsten Pop-Up-Galerie-Event geblasen. Da wie dort werden Instagram-Fotos gezeigt. Oder sollten wir besser von Instagram-Kunst sprechen?

Instagram und andere soziale Foto-Sharing-Plattformen sind definitiv als neues Medium der klassischen Kunst anzusehen. Der New Yorker Künstler Richard Prince hat kürzlich eine Serie von geklauten Instagram-Screenshots für jeweils 100 000 Dollar verkauft und Anish Kapoor schmückt seinen Instagram Account @dirty_corner seit Neustem mit Fotos von dreckigen Ecken. Auch andere Kunstgrößen wie Ai Weiwei und Hans-Ulrich Obrist beglücken tagtäglich Hunderttausende mit ihren konzeptuellen Bild-Nachrichten.

Welche Rolle spielt die Gemeinschaft auf Instagram?

Eine besonders große Rolle. Man zieht in Gruppen los, um gemeinsam neue Motive zu entdecken; man tauscht sich aus, lernt voneinander und bildet sich so fort. Auf Instagram verbindet man sich mit inspirierenden Künstlern aus aller Welt. Das Story-Telling ist eine weitere Ebene, die an konzeptuelle, zeitgenössische Kunst anknüpft. User folgen den Fotografen auf Schritt und Tritt und erleben deren Lebensgeschichten und Botschaften tagtäglich auf dem Handy-Bildschirm.

Ferdinand Prinz, 25, ist Gründer von Post Collective, der ersten Verkaufsplattform für Instagram-Fotografie.
Ferdinand Prinz, 25, ist Gründer von Post Collective, der ersten Verkaufsplattform für Instagram-Fotografie.

© Promo

Instagram ist den allermeisten als soziales Netzwerk bekannt. Sie haben das Start-up Post Collective gegründet, das ausgewählte Instagram-Bilder in Kunstdrucke verwandelt und die genannten Ausstellungen organisiert. Was treibt Sie an?

Auf Instagram bekommen wir täglich wundervolle Fotografie zu sehen, doch leider wird uns keine Gelegenheit gegeben, diese Fotos in unseren vier eigenen Wänden aufzuhängen. Stattdessen verschwinden diese Bilder oft nach wenigen Stunden in den Tiefen des Newsfeeds und werden in den meisten Fällen nie wieder verwertet. Als Student war ich Jahre lang auf der Suche nach ansprechenden, modernen Fotografie-Drucken unter 100 Euro. Viel mehr als ein paar generische Museums- oder Marilyn-Monroe-Poster konnte ich aber nicht finden.

Warum?

Das Verkaufen von Kunstdrucken ist für Fotografen ohne Galerie durchaus aufwendig und mit Risiko verbunden. Erstmal muss man einen Onlineshop mit sicheren Zahlungsmöglichkeiten aufsetzen und genügend potenzielle Käufer dorthin lenken. Ganz im Sinne von Instagram will Post Collective eine demokratisierende Plattform sein, die es jungen und talentierten Fotografen ermöglicht, ihre Arbeiten einfach, risikofrei und qualitativ hochwertig zu verkaufen.

Sie verstehen sich als Instagram-Galerist?

Es gibt sicherlich ein paar Parallelen zum klassischen Galeristen. Zum Beispiel arbeiten wir eng mit unseren Künstlern zusammen, kuratieren Ausstellungen gemeinschaftlich und tragen manchmal auch zum kreativen Prozess bei. Allerdings wollen wir uns klar unterscheiden. Bei uns kommt es nicht darauf an, an welcher Universität der Künstler studiert hat, wen er kennt oder welches Equipment er besitzt. Auch auf der Kundenseite gehen wir anders vor. Steife Galeristen-Gespräche ersetzen wir durch Wohlfühl-Musik, Getränke und free Wi-Fi.

Konrad Langer oder George Pavlopoulos (@exil_et_royaume) oder Marta Montanez (@martanorgaard) legen ihren Fokus auf Interaktionen mit lokaler Architektur. Steht damit fest, dass vor allem Stadt und Instragram-Quadrat einander anziehen?

Viele aktive Instagramer halten sich in Metropolen auf, weil sie dort Gleichgesinnte finden, mit denen sie fotografieren und neue Spots finden können. Das soll aber nicht heißen, dass Urban-Fotografie am besten zu Instagram passt. Einige der größten amerikanischen Instagramer sind Reise- oder Natur-Fotografen.

Berlin, so scheint's, ist eine besonders instragrambare Stadt. Wie kommt's?

Berlin ist eine Stadt für Kreative. Es gibt viele junge Leute, die sich beim Fotografieren austoben und austauschen wollen - und worüber kann man das heutzutage besser als über Instagram? Außerdem ist Berlin eine relativ liberale Stadt. Instagramer lieben es, neue Gegenden und Terrains zu entdecken – und in Berlin werden sie dabei wenig gestört.

www.postcollective.com beruht auf einer Auswahl. Was sind die Kriterien?

Wir wollen uns zwar auf kein bestimmtes Genre festlegen, die Künstler sollten aber einen hohen Wiedererkennungswert und Authentizität vorweisen können. Zur Zeit fokussieren wir uns noch auf europäische Fotografen ab 20 000 Follower, aber das könnte sich in der Zukunft ändern.

Zum Handwerklichen: Konrad Langer, gerne gefeiert als „Deutschlands größter Instagramer“, fotografiert ausschließlich mit dem Smartphone. Das passt besser zu Instagram als Spiegelreflex, Systemkamera und Kompaktkamera?

Früher war es verpönt, Fotos auf Instagram hochzuladen, die nicht mit dem Handy gemacht wurden. Heute aber greifen immer mehr erfolgreiche Instagram-Fotografen zu größeren, professionelleren Kameras, die bessere Tiefen und Belichtungsmöglichkeiten bieten. Beispielsweise bei Porträts.

Schauen – Klicken – Hochladen, nach diesem Macherprinzip sehen die Fotografien nicht aus. Wie stark wird denn bearbeitet, wie hoch ist der Inszenierungsfaktor?

Das Bearbeiten der Fotos ist eine der Hauptfunktionen von Instagram und wichtiger Bestandteil des kreativen Prozesses. User und Künstler wählen aus einer Reihe von vorprogrammierten Filtern aus, die die Bilder in bestimmte Stimmungs- und Stilrichtungen verwandeln. Das Original ist oft kaum noch zu erkennen. Für das Bearbeiten der Fotos werden dann auch andere externe Bearbeitungs-Programme wie zum Beispiel VSCO benutzt. Diese abstrakten Inszenierungen sind jedoch keineswegs neu in der Fotografie. In der kommerziellen Fotografie sind Retuschen schon lange gang und gäbe; und auch in der künstlerischen Fotografie schmücken führende Fotografen wie Andreas Gursky ihre Bilder mit Adobe Photoshop und Co..

- Das Interview führte Joachim Huber.

Ferdinand Prinz, 25, ist Gründer von Post Collective, der ersten Verkaufsplattform für Instagram-Fotografie.

Zur Startseite