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Medien: „Lasst Alsmann ran!“

Was kommt nach dem Aus von „Anke Late Night“?

Ui, das ist lustig! Wie wäre es denn mal, wenn auf den Zuschauerplätzen im Studio 250 elektronisch erzeugte Kopien des Moderators säßen, die während des Eröffnungsmonologs dem Künstler frenetisch zujubelten? Man würde als Fernsehzuschauer daheim irritiert 250 identisch aussehende Harald Schmidts beobachten, die den echten Schmidt auf der Bühne feiern! Das ist mal wieder eine von diesen „Autorenideen“, die man dem Moderator auf der morgendlichen Themenkonferenz vorschlägt. Und was sagt Harald Schmidt dazu? „Aha, und warum?“ – Genickschuss. Das Leben eines Late- Night-Autors ist hart. Doch wenn man eine gehörige Portion Masochismus mitbringt, kann der Job wunderbar sein.

Vor kurzem gab es im US-Fernsehen etwas zu bestaunen, das vielen Late- Night-Schaffenden Tränen der Rührung in die Augen trieb. Bei David Letterman, immer noch dem Säulenheiligen aller Spätabend-Moderatoren, war sein Autor Gerard Mulligan zu Gast. Mulligan hat weit über 20 Jahre lang für Letterman Gags geschrieben. Jetzt, mit knapp 60 Jahren, geht er in den Ruhestand. Als Dankeschön wurde ein mit sentimentaler Musik unterlegter Einspielfilm gezeigt. Man sah Gerard Mulligan, wie er in einer frühen Letterman-Show grandios einen Gag versemmelte, später spielte er halbnackt einen OP-Patienten. Und schließlich, als Endfünfziger mit ergrautem Vollbart, stand er miesepetrig auf der Bühne in einem Häschenkostüm. Peinlich, gar bemitleidenswert? Nein, großartig!

Seit fünfzig Jahren gibt es in den USA das Late-Show-Format. Auch wenn in letzter Zeit immer mehr junge Zuschauer nachts um halb zwölf die Programme der Kabelkanäle bevorzugen, die Shows mit Letterman, Jay Leno oder Conan O’Brien sind immer noch enorm erfolgreich. Und sie bringen den Networks eine stattliche Menge Geld. Keine Rede davon, dass diese Shows irgendwann einmal eingestellt werden müssten. Erst kürzlich hat Jay Leno verkündet, dass der momentan nach ihm laufende Conan O’Brien ihn als Moderator der NBC-Tonight-Show beerben wird – in fünf Jahren.

Als es die Harald-Schmidt-Show noch gab, hingen im Flur vor den Gäste-Garderoben die noch leeren Bilderrahmen für die „Lieblinge des Jahres“ bis zum Jahr 2030. Ehrgeizig, wie Harald Schmidt ist, hätte man davon ausgehen können, dass die Bildergalerie eines Tages vollends bestückt ist. Es kam anders, die Gründe sind bekannt. Und Anke Engelke? Die hatte schnell nach ihrem Start vom Publikum ein Loser-Image verpasst bekommen. Natürlich nicht ganz zu unrecht. Man weiß, wie lange Schmidt seine Polenwitze aus der Zeit 1995/96 nachgetragen wurden. Eine Late-Night-Show lebt davon, dass sie sich beständig wandelt. Auch wenn „Anke Late Night“ zu einer brillianten Late-Show gewachsen wäre, es dauert ewig, bis diese Wandlung von einem breiteren Publikum goutiert wird und man wieder bessere Quoten einfährt. Doch so lange konnte oder wollte man diesmal nicht warten.

Schwer zu sagen, ob ein deutscher Sender noch einmal das Wagnis einer großen Late-Night-Show eingehen wird. Aus der Autorenszene hört man eben vor allem diesen Satz: „Jetzt lasst doch mal Götz Alsmann ran!“

Ralf Kabelka war Gag-Schreiber und Figur („Dr. Udo Brömme“) für die Harald Schmidt Show, die Ende 2003 eingestellt wurde. Kabelka arbeitet für Schmidts Firma Bonito TV.

Ralf Kabelka

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