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Medien: Leben und zappeln lassen

Beim Vertragspoker mit der ARD hat Günther Jauch die Trümpfe in der Hand

Das wird sich noch ziehen, bis Günther Jauch endgültig bei der ARD gelandet sein wird. Die Verhandlungen laufen, Eingeweihte in der ARD sagen ein Ende im ersten Quartal 2007 voraus. Der Vertrag zwischen dem Journalisten und Fernsehunternehmer und dem NDR nimmt nur allmählich Kontur an. NDR-Sprecher Martin Gartzke sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind weiterhin im Gespräch und zuversichtlich, zu einem Abschluss zu kommen.“ Auf Anfrage sagte Günther Jauch: „Zu Details äußere ich mich nicht. Auch Zwischenstände kommentiere ich nicht.“ Der Ball liege jetzt in der anderen Hälfte. Die andere Spielhälfte, das sind die Intendanten und die Gremien der ARD.

Wesentliche Eckpunkte sind unstrittig. Günther Jauch wird auf der Grundlage eines Einjahres-Vertrages von September 2007 an die Nachfolgesendung von „Sabine Christiansen“ am Sonntag um 21 Uhr 45 in der Länge von 60 Minuten in Berlin produzieren und moderieren. Jauch und seine Firma I + U TV Produktion GmbH werden dafür die Summe überwiesen bekommen, die auch Christiansen und ihre Firma TV 21 erhalten, nämlich geschätzte neun Millionen Euro. Allerdings hat Christiansen zwei, drei Sendungen pro Jahr mehr abgeliefert, mit Jauch sollen es 40 werden.

So viel Einigkeit haben Jauch und seine Gesprächspartner in der ARD – vorneweg Programmdirektor Günter Struve, NDR-Intendant Jobst Plog und NDR-Justiziar Werner Hahn – bereits erzielt. Anders als der Christiansen-Kontrakt strebt Jauch einen sogenannten „Ankaufsvertrag“ an. Während Christiansen die kompletten Verwertungsrechte ihrer Sendung an die ARD und deren Anstalten abgetreten hat, bleibt Jauch im Besitz dieser Rechte. Zwar muss er „Klammermaterial“ aus seiner Talkshow zur Verfügung stellen. Jeder Sender aber, der dieses Material oder noch mehr verwenden will, muss an Jauchs Firma I + U TV zahlen. Wollte der RBB zum Beispiel jede Ausgabe von „Günther Jauch“ (nur ein Arbeitstitel!) wiederholen, wie es jetzt mit „Sabine Christiansen“ geschieht, dann muss der RBB an I + U zahlen. Das führt zu Gesprächsbedarf im ARD-Rund und würde Jauch inklusive Firma doch mehr als die Christiansen-Summe einbringen.

Der eindeutig heiklere, weil auch öffentlich stark beachtete Punkt, betrifft die Werbefigur Günther Jauch. Jauch preist unter anderem die Süddeutsche Klassenlotterie und eine Biermarke an. Und er betont stets, dass er seine Werbeeinahmen nicht in die eigene Tasche steckt, sondern für gute Zwecke weiterreicht. Günther Jauch, der Werber, ist ein Mäzen, speziell für seinen Wohnort Potsdam. So hat er dort das Fortuna-Portal wiederaufrichten lassen. Jauch hat seine ARD-Gesprächspartner niemals im Unklaren darüber gelassen, dass er die Doppelfigur Werber/Mäzen weiter verkörpern will. Da ist er eisenhart. Er hat die Trümpfe in der Hand.

Nach dem aktuellen Verhandlungsstand werden Jauchs laufende Werbeauftritte vom künftigen ARD-Engagement nicht berührt. Gespräche kann es allenfalls über neue Engagements geben. Was und für wen Jauch wirbt, diese Entscheidung bleibt, nach Lage der Dinge, ihm überlassen. Er muss den NDR über seine Aktivitäten nur informieren, genehmigt werden müssen sie nicht. Zur Erinnerung: ZDF-Moderator Johannes B. Kerner hatte auch nur eine „Informationspflicht“, bis er mit seiner Promotion für die Air-Berlin-Aktie in die Kritik geriet. Jetzt muss Kerner sich seine Kontrakte vom ZDF absegnen lassen.

Jauch wird für die ARD in einem hochsensiblen Bereich arbeiten. Zwar gehört seine Sendung wie „Sabine Christiansen“ zur Unterhaltung, aber politisch soll’s in der Gesprächsrunde schon werden. Wie viel und wofür darf ein Journalist, der für die ARD arbeitet, werben, wenn der Sender mit Glaubwürdigkeit und Seriosität wirbt? Schwierig. Irgendwelche Lösungen am Horizont? In der Verhandlungsmasse ist eine Ausweitung der Arbeitszone. Jauch ist Fernsehunternehmer, er ist Alleingesellschafter von I + U TV: „I“ steht für Information wie „Stern TV“, „U“ für Formate wie „Die 70er Jahre Show“ oder „Hape trifft“. Keiner in ARD-Kreisen will ausschließen, dass im Ersten Produktionen aus der Jauch-Firma auftauchen, dass ein Oliver Geissen oder ein Hape Kerkeling zur ARD wechseln könnten. Und hat Jauch nicht gerade die Moderation fürs RTL- Skispringen aufgekündigt? In der ARD gibt es hochattraktiven Sport: 2008 die Fußball-EM, im selben Jahr Olympia in Peking. Vielleicht kommt von zusätzlichen Jauch-Engagements Entspannung in die Werbefrage.

Die ARD-Chefs werden gut daran tun, den Vertrag von verschiedenen ARD-Gremien lesen zu lassen. Das Reizwort Werbung, zudem die Kontrakte mit Harald Schmidt und Jan Ullrich haben Spuren hinterlassen und Erwartungen aufgebaut. De facto muss nur ein Gremium zustimmen – der Rundfunkrat des NDR. Im Sender wird spekuliert, dass sich Intendant Jobst Plog eines schönen Wintertages zu Dagmar Gräfin Kerssenbrock aufmacht, die Vorsitzende des Gremiums. Der mächtige Jobst Plog, Spitzname „Pharao“, wird – bildlich gesprochen – die Pferde der Gräfin füttern und darauf hoffen müssen, dass er sie vor der NDR-Apotheke nicht kotzen sieht.

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