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Medien: Legale Schleichwerbung

Neue EU-Fernsehrichtlinie erlaubt Product Placement

Europas Fernsehzuschauer müssen sich auf häufigere Werbepausen im Programm einrichten. Die Europäische Kommission beschloss am Dienstag in Straßburg einen Gesetzentwurf, der die Vorschriften für TV-Reklame vereinfachen soll. Der Entwurf erlaubt Werbeunterbrechungen in Sport- und Unterhaltungsprogrammen zu jedem Zeitpunkt. Die Platzierung von Produkten gegen Bezahlung (Product Placement) soll nach einer Ankündigung vor der jeweiligen Sendung möglich sein, erläuterten Fachleute der Brüsseler Behörde.

Statt strenger Gesetze sollen die Zuschauer mit der Fernbedienung selbst das Programm kontrollieren. „Für die EU-Kommission bedeutet eine verbesserte Kontrolle durch den Endverbraucher, dass wir weniger gesetzliche Bestimmungen brauchen“, betonte Medienkommissarin Viviane Reding. „Deshalb ist das Kernstück unseres Vorschlags für eine modernisierte TV-Richtlinie eine grundlegende Deregulierung der audiovisuellen Regeln.“ Europäisches Parlament und Ministerrat müssen dem Kommissionsentwurf allerdings noch zustimmen.

Der Vorschlag von Kommissarin Reding verbietet Product Placement in Nachrichten, politischen Magazinen und Kindersendungen. In solchen Sendungen sollen zudem Werbeunterbrechungen wie auch bei Kinofilmen nur alle 35 Minuten erlaubt sein. Die Obergrenze von zwölf Minuten Reklame pro Stunde solle erhalten bleiben, die Obergrenze von drei Stunden pro Tag wegfallen. Reding will mit der Neufassung der Fernsehrichtlinie von 1989 auch neue Werbeformen wie geteilter Bildschirm, virtuelle und interaktive Werbung sowie Mini-Spots fördern. Reklame für Tabak und verschreibungspflichtige Medikamente bleibt verboten.

Die Ausgestaltung der EU-Regeln will die Kommission den Mitgliedstaaten überlassen. Für jeden Sender solle das Recht des Landes gelten, in dem er seinen Sitz hat. Schweden kann demnach weiterhin Werbung in Kindersendungen verbieten. Aber wenn etwa ein lettischer Sender ein Kinderprogramm auf Schwedisch mit Werbung per Satellit verbreitet und ins schwedische Kabelnetz einspeisen lässt, dann gelte für ihn lettisches Recht, sagte ein Sprecher Redings.

Die Freigabe des Product Placement wird von Verlegern und Medienwächtern abgelehnt. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) kritisierte, allen Medien, die auf das Vertrauen ihrer Nutzer setzen würden, habe die Kommission einen Bärendienst erwiesen. „Wer die klare Trennung von Werbung und Programm aufhebt, führt die Mediennutzer in die Irre.“ Der Hinweis vor einer Sendung reiche nicht aus, weil viele Zuschauer das Programm öfter wechselten. Ein Verlust an Glaubwürdigkeit sei zu befürchten.

Reding reagierte darauf mit Unverständnis. „Nur in Deutschland wird über Product Placement diskutiert“, sagte sie bei einer Veranstaltung der Landesmedienanstalt Saarland. Für die EU-Kommissarin aus Luxemburg ist nichts dabei, wenn Produktnamen in Unterhaltungsprogrammen oder Ratgebermagazinen auftauchen. „Warum soll ein deutscher James Bond nicht BMW fahren?“, sagte Reding. In Fernsehproduktionen außerhalb Europas, vor allem aus den USA, sei Product Placement gang und gäbe.

Die deutschen Privatsender, anders als die aufsichtsführenden Landesmedienanstalten, befürworten Product Placement. Allerdings geht ihnen die angestrebte Lockerung bei Werbung und Schleichwerbung nicht weit genug. In einer Mitteilung des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) wird kritisiert. dass der Reding-Entwurf zum Beispiel bei der Unterbrecherwerbung hinter den Erfordernissen eines zukunftsfähigen europäischen Medienmarktes zurück bleibe. Die Medienindustrie benötige einen wesentlich liberaleren Rechtsrahmen. Der VPRT erwartet eine Umsetzung der revidierten Fernsehrichtlinie frühestens im Jahr 2009. jbh

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